Nahost-Experte mahnt Hilfe für verfolgte Christen in Syrien an
Der Nahostexperte der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Jochen Langer, sieht westliche Staaten in der Pflicht, verfolgte Christen aus Syrien zu unterstützen. "Aufnehmen müssen wir die, die tatsächlich mit ihrer Existenz, mit ihrem Leben bedroht werden", sagte Langer.
Gabi Wuttke: Der neue Syrien-Botschafter der Vereinten Nationen hat noch keinen Plan, wie das Land von Baschar al-Assad befriedet werden kann. Die Situation könnte sich also weiter verschärfen und immer mehr Menschen aus dem Land fliehen. Dass nicht nur die Nachbarn, sondern auch der Westen ihnen Schutz bieten muss, darüber wird auch in Deutschland diskutiert. So mancher richtet den Fokus dabei auf die Christen in Syrien. Am Telefon begrüße ich Jochen Langer, er ist der Nahost-Experte der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Einen schönen guten Morgen!
Jochen Langer: Guten Morgen!
Wuttke: Der chaldäische Bischof von Aleppo hat gerade den Vorwurf zurückgewiesen, die Kirche ordne sich Assad unter. Wie stand es denn in stabilen Zeiten um das Verhältnis des Regimes zu den Christen in Syrien?
Langer: Ich glaube, die katholische Kirche - Bischof Audo gehört zu dem katholischen Raum wie die chaldäische Kirche – hat sich nie untergeordnet unter die Regierung. Sie hat aber einen größeren Freiraum genossen, als es vielleicht in einem muslimischen Land sonst üblich ist, weil die Regierung ja auch aus einer Minderheitssituation heraus regiert und dann andere Minderheiten zu ihrer Unterstützung braucht, um zahlenmäßig gegen die Schiiten standhalten zu können.
Wuttke: Hatte das denn konkrete Vorteile für die Christen in Syrien?
Langer: Nur im Vergleich mit anderen islamischen Ländern. Sie hatten einfach etwas mehr Spielraum, etwas mehr Lebensraum zum Atmen.
Wuttke: Könnte dieser Schonraum, wenn man es so nennen will, den Christen entweder in der Situation, wie sie im Augenblick ist, oder aber, wenn das Assad-Regime tatsächlich mal zu Ende ginge, das Leben noch schwerer machen?
Langer: Davon gehen viele der Christen dort aus. Die Situation in der Zukunft ist äußerst unsicher, und man muss davon ausgehen, dass extreme Muslime die Gewalt übernehmen und dass dann die Christen einen wesentlich schwierigeren Status hatten, als sie ihn früher hatten. Auch jetzt ist er bereits sehr, sehr problematisch.
Wuttke: Die Christen in Syrien sind ja nicht alle Syrer. Aus welchen Ländern sind sie denn vor dem Bürgerkrieg gekommen?
Langer: Vor dem Bürgerkrieg kamen insbesondere Christen aus dem Irak, denn dort waren sie in einer hoffnungslosen Situation. Sehr viele sind geflüchtet, und Syrien als Nachbarland war eines der bevorzugten Ziele.
Wuttke: Sollte man denn jetzt den Christen in Syrien einen sicheren Ort im Ausland anbieten? Was ist Ihre Meinung: Gibt es eine Alternative?
Langer: Nein, es gibt eigentlich kein Land, das so viele Christen aufnehmen kann, und sie auf der ganzen Welt zu zerstreuen, wäre auch eine Sünde in meinen Augen. Sie müssen in ihrer Heimat bleiben, aber aufnehmen müssen wir die, die tatsächlich mit ihrer Existenz, mit ihrem Leben bedroht werden, die keine Möglichkeit des Verbleibens in dem Land mehr sehen, und da hat der Westen schon Aufgaben. Die Situation für die Syrer und die irakischen Christen, aus Syrien herauszukommen, ist sehr schwierig.
Es gibt ja keine Botschaft mehr, die Anträge auf Auswanderung nach Deutschland zum Beispiel annimmt, sie müssen also nach Jordanien, nach Beirut oder in die Türkei, und alle diese Wege sind schwierig. Und selbst die, die es erreichen, zum Beispiel in den Libanon nach Beirut zu kommen, haben es ganz schwierig, überhaupt einen Antrag bei der Deutschen Botschaft stellen zu können, denn da sind so lange Wartelisten, und die Konsularabteilungen sind einfach überlastet.
Wuttke: Herr Langer, das antiislamische Video, das in den letzten Tagen für viel sichtbare Wut auf den Straßen in arabischen Ländern gesorgt hat, gefährdet das als Blitzableiter die Christen, die jeweils dort leben?
Langer: Davon müssen wir ausgehen. Es ist ja schwer zu erfassen, warum immer wieder Gewalttätigkeiten auch in Situationen ausbrechen, die eigentlich nicht mehr so akut sind. Aber die labile Situation wird von solchen Ereignissen immer wieder unruhiger werden, als sie es im Moment davor war.
Wuttke: Was könnte denn im Großen und Ganzen gesehen die Situation stabilisieren?
Langer: Ja, im Irak zum Beispiel hat es ernsthafte Bemühungen gegeben, den Dialog zwischen den verschiedenen Christen, aber auch den Dialog zwischen den Christen und den Muslimen zu fördern. Und es hat dafür ein paar positive Ereignisse gegeben, die zu Hoffnungen Anlass geben.
Es hat zum Beispiel in Kirkuk, einer Stadt, die sehr unruhig ist, auf Einladung des dortigen chaldäischen Bischofs, Louis Sako, zu einer Konferenz geführt, die sehr positiv verlaufen ist. 50 Vertreter der verschiedenen Kirchen und Politiker fühlten sich am Ende dieser Veranstaltungen als Brückenbauer. Und solche Dinge müssen weiterentwickelt werden, müssen weiter gefördert werden, denn nur so sehe ich die Hoffnung, dass die kleine Gruppe extremer Terroristen irgendwie unter Kontrolle gebracht werden kann.
Wuttke: Ist für Sie aus Ihrer Sicht das Hauptproblem das Selbstwertgefühl, die Frage, wann ist wer stark und wer schwach?
Langer: Nun, das spielt sicher eine große Rolle, gerade im arabischen Raum, im Orient, versucht jeder stark zu sein, auch der, der schwach ist. Und wer schwach ist, benutzt dann die Gewalt, wenn er das politische Sagen nicht anders hat, dann ist der erste Gedanke immer, Gewalt auszuüben, um Gehör zu finden.
Wuttke: Christen in der arabischen Welt, dazu das Interview in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur mit Jochen Langer, dem Nahost-Experten der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Ich danke Ihnen sehr!
Langer: Gerne geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Jochen Langer: Guten Morgen!
Wuttke: Der chaldäische Bischof von Aleppo hat gerade den Vorwurf zurückgewiesen, die Kirche ordne sich Assad unter. Wie stand es denn in stabilen Zeiten um das Verhältnis des Regimes zu den Christen in Syrien?
Langer: Ich glaube, die katholische Kirche - Bischof Audo gehört zu dem katholischen Raum wie die chaldäische Kirche – hat sich nie untergeordnet unter die Regierung. Sie hat aber einen größeren Freiraum genossen, als es vielleicht in einem muslimischen Land sonst üblich ist, weil die Regierung ja auch aus einer Minderheitssituation heraus regiert und dann andere Minderheiten zu ihrer Unterstützung braucht, um zahlenmäßig gegen die Schiiten standhalten zu können.
Wuttke: Hatte das denn konkrete Vorteile für die Christen in Syrien?
Langer: Nur im Vergleich mit anderen islamischen Ländern. Sie hatten einfach etwas mehr Spielraum, etwas mehr Lebensraum zum Atmen.
Wuttke: Könnte dieser Schonraum, wenn man es so nennen will, den Christen entweder in der Situation, wie sie im Augenblick ist, oder aber, wenn das Assad-Regime tatsächlich mal zu Ende ginge, das Leben noch schwerer machen?
Langer: Davon gehen viele der Christen dort aus. Die Situation in der Zukunft ist äußerst unsicher, und man muss davon ausgehen, dass extreme Muslime die Gewalt übernehmen und dass dann die Christen einen wesentlich schwierigeren Status hatten, als sie ihn früher hatten. Auch jetzt ist er bereits sehr, sehr problematisch.
Wuttke: Die Christen in Syrien sind ja nicht alle Syrer. Aus welchen Ländern sind sie denn vor dem Bürgerkrieg gekommen?
Langer: Vor dem Bürgerkrieg kamen insbesondere Christen aus dem Irak, denn dort waren sie in einer hoffnungslosen Situation. Sehr viele sind geflüchtet, und Syrien als Nachbarland war eines der bevorzugten Ziele.
Wuttke: Sollte man denn jetzt den Christen in Syrien einen sicheren Ort im Ausland anbieten? Was ist Ihre Meinung: Gibt es eine Alternative?
Langer: Nein, es gibt eigentlich kein Land, das so viele Christen aufnehmen kann, und sie auf der ganzen Welt zu zerstreuen, wäre auch eine Sünde in meinen Augen. Sie müssen in ihrer Heimat bleiben, aber aufnehmen müssen wir die, die tatsächlich mit ihrer Existenz, mit ihrem Leben bedroht werden, die keine Möglichkeit des Verbleibens in dem Land mehr sehen, und da hat der Westen schon Aufgaben. Die Situation für die Syrer und die irakischen Christen, aus Syrien herauszukommen, ist sehr schwierig.
Es gibt ja keine Botschaft mehr, die Anträge auf Auswanderung nach Deutschland zum Beispiel annimmt, sie müssen also nach Jordanien, nach Beirut oder in die Türkei, und alle diese Wege sind schwierig. Und selbst die, die es erreichen, zum Beispiel in den Libanon nach Beirut zu kommen, haben es ganz schwierig, überhaupt einen Antrag bei der Deutschen Botschaft stellen zu können, denn da sind so lange Wartelisten, und die Konsularabteilungen sind einfach überlastet.
Wuttke: Herr Langer, das antiislamische Video, das in den letzten Tagen für viel sichtbare Wut auf den Straßen in arabischen Ländern gesorgt hat, gefährdet das als Blitzableiter die Christen, die jeweils dort leben?
Langer: Davon müssen wir ausgehen. Es ist ja schwer zu erfassen, warum immer wieder Gewalttätigkeiten auch in Situationen ausbrechen, die eigentlich nicht mehr so akut sind. Aber die labile Situation wird von solchen Ereignissen immer wieder unruhiger werden, als sie es im Moment davor war.
Wuttke: Was könnte denn im Großen und Ganzen gesehen die Situation stabilisieren?
Langer: Ja, im Irak zum Beispiel hat es ernsthafte Bemühungen gegeben, den Dialog zwischen den verschiedenen Christen, aber auch den Dialog zwischen den Christen und den Muslimen zu fördern. Und es hat dafür ein paar positive Ereignisse gegeben, die zu Hoffnungen Anlass geben.
Es hat zum Beispiel in Kirkuk, einer Stadt, die sehr unruhig ist, auf Einladung des dortigen chaldäischen Bischofs, Louis Sako, zu einer Konferenz geführt, die sehr positiv verlaufen ist. 50 Vertreter der verschiedenen Kirchen und Politiker fühlten sich am Ende dieser Veranstaltungen als Brückenbauer. Und solche Dinge müssen weiterentwickelt werden, müssen weiter gefördert werden, denn nur so sehe ich die Hoffnung, dass die kleine Gruppe extremer Terroristen irgendwie unter Kontrolle gebracht werden kann.
Wuttke: Ist für Sie aus Ihrer Sicht das Hauptproblem das Selbstwertgefühl, die Frage, wann ist wer stark und wer schwach?
Langer: Nun, das spielt sicher eine große Rolle, gerade im arabischen Raum, im Orient, versucht jeder stark zu sein, auch der, der schwach ist. Und wer schwach ist, benutzt dann die Gewalt, wenn er das politische Sagen nicht anders hat, dann ist der erste Gedanke immer, Gewalt auszuüben, um Gehör zu finden.
Wuttke: Christen in der arabischen Welt, dazu das Interview in der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur mit Jochen Langer, dem Nahost-Experten der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte. Ich danke Ihnen sehr!
Langer: Gerne geschehen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.