Und immer wieder Hass
Selbst gemäßigte Israelis und Palästinenser sehen angeblich keine Basis mehr für eine Annäherung. Das ist ein fast schon resignierter Hilferuf. Vielleicht sollten sich beide Seiten für ein Miteinander auf grundlegende Dinge besinnen.
"Gebt ihnen Brot, Wasser, Elektrizität und Arbeit – dann werdet Ihr keine Raketen mehr abbekommen". So simpel, aber auch so plausibel lautete der Kommentar eines palästinensischen Lehrers aus Ost-Jerusalem vor einigen Tagen, als sich die Lage im Nahen Osten zuzuspitzen drohte – und er hat Recht. Recht, sich in dieser verkeilten und deprimierenden Situation zu trauen, Wesentliches auszusprechen.
Wie hoffnungslos verfahren die Situation zwischen Palästinensern und Israelis ist, zeigte sich in diesen Tagen abermals, aber auch immer mehr die Tatsache, dass die Besatzung für die Israelis wie ein immer während wachsendes bösartiges Geschwür ist. Sowohl Besatzung wie auch der Dauerzustand des Besetztwerdens – in diesem Falle über Generationen – haben noch keiner Gesellschaft gutgetan.
Rassismus in der Alltagssprache
Auf der israelischen Seite zeigt sich das anhand vieler kleiner alltäglicher Dinge: Die Menschen werden zunehmend grob, sie realisieren nicht mehr, wie sehr sich Rassismen in der Alltagssprache festgesetzt haben, sie sind schnell bereit zu drängeln, sie reagieren auf Kleinigkeiten paranoid und sehen nur mehr die pure existenzielle Bedrohung in jeder Kritik am Tun und Lassen der israelischen Politik. Die Angst vor dem Terrorismus schwelt unter Allem. Und ist gleichzeitig zum Normalzustand geworden.
Ein Großteil der israelischen Jugend macht schon lange die Schotten dicht, von Politik will sie nichts wissen, bewusst meiden viele junge Menschen die Nachrichten, man lebt im Hier und Jetzt, will genießen, konsumieren, verdrängen.
Für einen glaubhaften Frieden, von dem eh schon keiner mehr zu sprechen oder zu hoffen wagt, gibt es nicht die entsprechende Personalie, gibt es derzeit im Weltgeschehen keine glaubhafte Figur, die für einen Frieden stehen könnte.
Erst vor zwei Tagen meldete sich der israelische Schriftsteller David Grossmann in der Tageszeitung "Ha’aretz" mit einem langen Artikel zur Lage zu Wort und bemerkte darin, dass er sich nicht erinnern könnte, über all die Jahre von einem Benjamin Netanyahu einmal von einer Vision gehört zu haben, der Idee einer friedlichen Zukunft. Das ist allerdings bemerkenswert!
Zu sehr an Palästinakonflikt gewöhnt
Von dem Begriff "Frieden" ist man bereits eh weit abgerückt im Nahen Osten. Zu naiv, zu unangemessen scheint dieser Begriff zu klingen. Und wenn sogar ein Intellektueller Linker, wie der Historiker Tom Segev behauptet, selbst gemäßigte Israelis und Palästinenser würden keine gemeinsame Basis mehr für ein Gespräch, geschweige denn für eine Annäherung sehen, dann ist das alarmierend und ein fast schon resignierter Hilferuf.
Unter den vielen Problemen, die es innerhalb der israelischen Gesellschaft gibt – die hohen Lebenshaltungskosten, zu wenig angemessen bezahlte Jobs, die Kluft zwischen arm und reich, zwischen säkular und orthodox – ist der Palästinakonflikt nur einer, und der kommt im Alltag noch nicht mal an erster Stelle, zu sehr hat man sich an die Lage gewöhnt. Hassen ist Normal geworden. Und legitim.
Doch nun flammt er wieder in einer Heftigkeit auf, die jeden die Frage stellen lassen muss: Wann ist endlich Schluss?! Schluss mit Raketen, Schluss mit Besatzung, Schluss mit Gewalt, Schluss mit Toten?! Die Geschichte wiederholt sich – nur noch als Tragödie, nicht aber als ein Schritt des Vorankommens.
Die Dynamiken der Eskalation sind kalkulierbar, absehbar und: abgrundtief. Nicht abzusehen sind auch die Folgen, die diese neue Eskalation haben könnte, blickt man nach Syrien oder in den Irak – ob Isis oder andere radikalste islamische Kräfte, die einer Hamas viel zu weit gehen, könnten die kriegsähnliche Situation ausnutzen, um in Palästina Stimmung zu machen. Und was dann?
Palästinensische Eliten schüren Hass
Dass zahlreiche Palästinenser sich radikalisieren und im besten Falle nur resignieren, liegt auf der Hand. Und wer auf die Frage, warum es erstrebenswert sein sollte, konstruktiv in die Zukunft zu schauen, Märtyrertum zur Antwort hat, hat nichts mehr zu verlieren. Und dass es innerhalb von Besatzungsstrukturen schwer ist, Demokratisierungsprozesse auf den Weg zu bringen, liegt ebenfalls auf der Hand. Natürlich ist den palästinensischen Eliten und den arabischen Unterstützern des Konflikts vorzuwerfen, dass sie größtenteils keinerlei Interesse an einer Lösung haben und den Hass schüren, wo immer es geht.
Die Hoffnung, aus dieser Schleife herauszukommen, geschweige denn wieder über eine ernstzunehmende Lösung, einen Frieden, einen wirklichen Frieden, nachzudenken, ist weiter entfernt, denn je. Vielleicht sollte man sich nach so vielen gescheiterten Gesprächen, Verhandlungen, nach so vielen Toten, wirklich wieder auf so simple und essentielle Dinge verständigen, die den palästinischen Lehrer aus Ost-Jerusalem zu dem Satz brachten: "Gebt ihnen Brot, Wasser, Elektrizität und Arbeit – dann werdet Ihr keine Raketen mehr abbekommen."