Nahost-Konflikt

"Von Einschüchterung ist in Israel nichts zu spüren"

Israelische Demonstranten fordern halten Schilder mit der Aufschrift "Israel: Pay the price of peace" in Englisch und Arabisch auf dem Tel Aviver Rabin-Platz am 16. August 2014. Sie fordern Frieden zwischen Israelis und Palästinensern.
Israelische Demonstranten fordern auf dem Tel Aviver Rabin-Platz Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. © dpa / picture alliance / Gideon Markowicz
Moderation: Sigrid Brinkmann |
In Israel ist der Ton gegenüber Kritikern der israelischen Offensive in Gaza scharf. Doch die Debattenkultur lebe, sagt der Autor und Literaturkritiker Marko Martin nach seiner letzten Israel-Reise. Er sieht eher ein Vermittlungsproblem bei vielen Linksintellektuellen, die gegen den Gaza-Krieg auf die Straße gingen.
"In Israel kann gar niemand auf Linie gebracht werden", sagte der Buchautor Marko Martin, der seit 21 Jahren nach Israel reist. Es melde sich jeder zu Wort. "Es gibt eine lebendige Debatte", sagte er. Allerdings habe es auch eine Facebook-Seite mit 2000 Freunden gegeben, die sich zu "Araberjagden" verabredet hätten. Die Behörden ermittele aber in diesem Fall. "Von einer Einschüchterung ist nichts zu spüren, aber von einem verschärften Ton", beschrieb Martin seine Eindrücke. Er äußerte Verständnis dafür, dass man sich angesichts des Krieges verbal an die Gurgel gehe.
Demonstrationen der linksliberalen Minderheit
Martin sagte, die Demonstranten gegen den Gaza-Krieg versammelten sich traditionell auf dem Yitzhak-Rabin-Platz in Tel Aviv. "Dort versammelt sich das Friedenslager", sagte Martin. "Der Platz ist immer proppenvoll bei Demonstrationen." Es sei dennoch eine Minderheit, die sich dort äußere. "Es ist eine linksliberale Minderheit, die ethnisch und sozial sehr homogen ist. Es ist nämlich die obere aschkenasische bildungsbürgerliche Mittelschicht."
"Es gibt ein großes Problem der Vermittlung"
Da Israel eine "Debattengesellschaft" sei, werde dies sehr reflektiert und diskutiert. Die Zeitung "Haaretz" habe geschrieben, es laufe etwas schief, wenn die Demonstranten homogener wirkten, als die Polizisten, die sie beschützten. "Das heißt, es gibt ein großes Problem der Vermittlung", sagte Martin." Das ist eine Aufgabe, der sich die Linksintellektuellen stellen." Die Leute, die in Tel Aviv lebten und unter den Raketenangriffe aus Gaza nur bedingt litten, hätten den Kontakt zu den Menschen verloren, die in der Nähe des Gazastreifens und unterentwickelten Industrievororten lebten. Sie seien auch in den letzten Jahren den Raketenangriffen schutzloser ausgeliefert gewesen, sagte der Autor. Er lobte die Intellektuellen dafür, dass sie nicht einfach nur das Volk dafür kritisierten, dass es angeblich nicht reif genug sei. "Ich finde das eine sehr große Reife, dass man sich nicht in die Schmollecke zurückzieht, dass man Gesprächsangebote macht und auch die Netanyahu-Regierung auf eine sehr präzise, geradezu gnadenlos analytische Weisekritisiert."
Aus diesem Grund sei der deutsche Spruch: "Man wird doch Israel mal kritisieren dürfen" immer etwas merkwürdig. "Das machen die Leute vor Ort schon sehr genau und präzise."
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