Nahost

Zusammenhalten trotz Gaza-Konflikt

Dirigent Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra beim Konzert in der Berliner Waldbühne am 25.8.2013.
Dirigent Daniel Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra beim Konzert in der Berliner Waldbühne am 25.8.2013. © dpa/ picture alliance / Matthias Balk
Von Ulrike Klobes |
Im Vorfeld der Tournee diskutierten israelische und arabische Mitglieder des West-Eastern Divan Orchestras über Twitter und Facebook heftig über den Gaza-Konflikt. Doch um so wichtiger ist ihnen das gemeinsame Musizieren, auch als Zeichen für den Frieden.
Pünktlich zur Anspielprobe am Nachmittag ergießt sich ein kräftiger Schauer über die Waldbühne. Die Musiker am äußeren Bühnenrand rücken hektisch ihre Stühle ins Trockene. Andere warten am überdachten Aufgang auf ihren Einsatz. Aufmerksam verfolgen sie die Anweisungen von Daniel Barenboim. Eine gewisse Anspannung liegt in der Luft, schließlich spielt das West-Eastern Divan Orchestra nicht jeden Abend vor 20.000 Menschen. Noch dazu hat sich deutsche Politikprominenz angekündigt: Frank-Walter Steinmeier und Gregor Gysi. Ein politisches Statement, sagt der Cellist Nassib Ahmadieh, seien Konzerte wie dieses aber keineswegs.
"Als allererstes, wir sind alle Musiker, das heißt, keiner von uns ist Kämpfer, Musiker sind offenere und tolerantere Menschen, generell."
Nassib Ahmadieh kommt aus dem Libanon. Die Geschehnisse in Gaza, erzählt er, hätten das Orchester seit Beginn ihrer Tournee Anfang August ununterbrochen begleitet. Er und seine Kollegen aber haben eine ganz eigene Sicht der Dinge.
"Die Musiker, die in diesem Orchester spielen, die sind besonders wachsam und sie verstehen diesen Konflikt nicht als zwei Völker, die nur einzeln existieren sollen, sondern sie möchten glauben, dass der Weg anders sein soll und dafür kommen wir hierher, um dieses Beispiel zu erleben und zu gestalten."
Viele Konflikte in 15 Jahren Orchestergeschichte
Als Beispiel für ein friedliches Zusammenleben der Völker im Nahen Osten – aus diesem Grund hat Daniel Barenboim das West-Eastern Divan Orchestra vor 15 Jahren gegründet, zusammen mit dem amerikanisch-palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said. Fast so lange ist auch Nassib Ahmadieh schon mit dabei.
"Es ist leider so, dass in den 15 Jahren hatten wir einige Konflikte und Kriege erlebt, ob das in Gaza oder die Intifada, oder 2006 der Krieg im Libanon, wir haben öfter mal leider solche Situationen gehabt während wir auf Tournee waren und wir haben es einfach gelernt, wie wir trotz dieser Situationen bzw. wegen der Situationen: um so mehr müssen wir zusammenhalten und zusammen arbeiten."
Routiniert hört sich das an, und so, als wäre mit Musik tatsächlich das politisch Unmögliche möglich. Dass sich im Vorfeld der Tournee israelische und arabische Orchestermitglieder über Twitter und Facebook heftige Beschimpfungen geliefert haben, ist für Nassib Ahmadieh längst vergessen.
"Es gab einfach Diskussionen und jeder in dem Orchester darf seine Meinung vertreten, wir diskutieren miteinander, reden darüber und das kann man auch erwarten in diesem Konflikt, dass die Meinungen sehr auseinander gehen, aber das einzige, was uns zusammenhält, ist einfach, dass wir alle glauben, ohne Ausnahme, das kann ich wirklich so sagen, dass dieser Konflikt im Nahen Osten militärisch nicht lösbar ist."
Gegenseitige Akzeptanz trotz Konflikten
"Wir versuchen nicht, einander zu überreden, wir versuchen einfach, miteinander offen zu sprechen, dass wir die Gefühle und Meinungen der anderen auch kennen, auch wenn es manchmal in der Diskussion heiß wird, danach gehen wir alle in eine Kneipe, trinken zusammen und alles ist wieder okay."
Auch der Geiger Asaf Levi hat gelernt, die Ansichten seiner arabischen Kollegen zu akzeptieren, auch wenn ihm das nicht immer leicht fällt. Seine Familie lebt in Tel Aviv. Über sein Smartphone verfolgt er ständig, was seine Freunde zu Hause über den Krieg berichten. Er macht sich Sorgen.
"Wir sind alle auch nur Menschen, wir haben alle Gefühle, jeder von uns ist davon betroffen, unsere Familien dort, unsere Freunde, das war natürlich dieses Mal noch schwieriger als davor, aber genau deswegen ist unsere Rolle hier noch wichtiger."
Trotz der schwierigen Situation in Gaza, sind alle Mitglieder des West-Eastern Divan für die jährliche Sommertournee zusammengekommen. Je länger sie zusammen unterwegs waren, desto besser hätten sie einander verstanden. Und jetzt, am Ende der Reise, sagt Asaf Levi, möchte er am liebsten gar nicht mehr aufhören zu spielen.
"Das klingt vielleicht ein bisschen nach Klischee, aber das ist wirklich so, dass wir zusammen musizieren, das hat einen sehr starken Effekt. Musik und Kunst allgemein hat eine sehr große Kraft. Und wenn ich mit meinem Kollegen am Pult sitze, sozusagen mein Feind in normalen Tagen, wir bauen zusammen was auf und diese Substanz, die es dann zwischen uns gibt, ist einfach diese Kraft von etwas Gemeinsamen. Wir kommen einfach näher durch die Musik und durch das zusammen Arbeiten, zusammen Musizieren."
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