"Der Krieg in Syrien wird noch lange weitergehen"
Der Krieg in Syrien sei längst ein Stellvertreterkrieg geworden – mit "mittlerweile fast unübersehbaren Fronten", sagte der Nahostexperte Michael Lüders im Deutschlandradio Kultur. Auf eine baldige Befriedung der Region könne man nicht hoffen.
Die syrische Regierung hat sich zu Friedensgesprächen mit der Opposition bereit erklärt. Man wolle eine Delegation bereitstellen, sobald die Opposition ihre Vertreter benannt habe, hieß es. Nachdem vor einigen Tagen der syrische Rebellenführer Sahran Allusch getötet wurde, gibt es aber neue Schwierigkeiten, der Abzug von 2000 Kämpfern des Islamischen Staats verzögert sich. Ende Januar sollen die Verhandlungen unter der Ägide der UN beginnen.
Der Nahost-Experte Michael Lüders zeigte sich im Deutschlandradio Kultur skeptisch, dass der Krieg in Syrien beendet werden könne, begrüßte aber die Aufnahme von Gesprächen. Es sei das erste Mal, dass auch die iranische und die russische Position berücksichtigt würden, sagte Lüders. Das hätte man aber auch schon vor zwei oder drei Jahren haben können, meinte Lüders.
Die Position der deutschen Außenpolitik im Syrien-Krieg beschrieb er als planlos. Es sei "abenteuerlich", dass die Bundesregierung sehenden Auges in einen Konflikt gehe, ohne zu wissen, was eigentlich das Ziel sei und welche "Exit-Option" es gebe.
Lüders kommentierte: "Die Politik zeigt sich weitestgehend überfordert, setzt auf Verhandlungen und auf altbewährte Muster. Jetzt soll die Türkei von der Nato zusätzlich geschützt werden. Aber die Politik der Türkei ist, was Syrien betrifft, dermaßen fragwürdig, dass man sich schon wundert, ob man in Berlin, Brüssel, Washington oder anderswo die Zeichen nicht erkennt. Man muss die türkische Regierung in die Pflicht nehmen und nicht den Bock zum Gärtner machen."
Nusra-Front und Islamischer Staat als Rammbock
Die Interessenlage in Syrien sei insgesamt außerordentlich unübersichtlich, so der Nahost-Experte. So unterstützten Saudi-Arabien und die Golfstaaten die Terrororganisation Nusra-Front mit Waffen und Geld, um sie als "Rammbock" gegen den Islamischen Staat zu benutzen. "Und das Gleiche gilt natürlich auch für die Türkei, die den Islamischen Staat als Rammbock ihrerseits benutzt gegen die Kurden im Norden Syriens." Hinzu komme der neue Konflikt zwischen der Türkei und Russland nach dem Abschuss eines russischen Kampfbombers.
Die Parteien versuchten durch Handlungen Tatsachen zu schaffen – so auch Russland, das in die Kampfhandlungen eingegriffen hat:
"Man schafft Tatsachen in der Hoffnung, damit die andere Seite zu überflügeln. Dieser Rebellenführer, der hier getötet worden ist, war ein führender Vertreter jener Islamisten, die nicht gemeinsame Sache gemacht haben mit dem Islamischen Staat. Und diese Islamisten-Fraktion wird vor allem von Saudi-Arabien unterstützt und von der Türkei zum Teil – in der Absicht, den Islamischen Staat zu schwächen. Und die Russen und das Regime in Damaskus haben natürlich ein Interesse daran, dass diese Islamisten, die gleichermaßen den Islamischen Staat wie auch das Regime von Baschar al-Assad bekämpfen, ausgeschaltet werden."
Der Krieg in Syrien sei kein Bürgerkrieg, sondern längst ein "Stellvertreterkrieg mit mittlerweile fast unübersehbaren Fronten. Es sind so viele Akteure hier involviert – die USA, Russland, die Türkei, Saudi-Arabien, Iran – das es gut ist, wenn sich diese Vertreter in Europa, in der Schweiz, treffen. (…) Aber der Krieg in Syrien, der wird noch lange weitergehen."