Namensforschung

Meiercortokrax, Schluckebier und andere Kraxe

Klingelschilder am Eingang zu einem der Wohnhochhäuser in Köln-Chorweiler am 24.11.2006.
Jeder Familienname hat eine eigene Geschichte. © picture-alliance/ dpa / Oliver Berg
Von Wolfgang Brosche |
Woher stammen die Familien Ottovordemgentschenfelde, Wullengerd und Östersötebiers? Aus Ostwestfalen, wo es eine Häufung von außergewöhnlichen Namen gibt - ein Fest für Onomastiker.
Schniggendiller, Schwengelbeck, Kluckhuhn, Kuhfuß, Bömelburg, Wimmelbücker, Überdick und Wixforth - so heißen Menschen in Ostwestfalen, jenem Landstrich, der im Osten von der Weser begrenzt wird. Im Süden stößt die Region an Hessen und ans Sauerland - und im Westen geht das gebirgichte Westfalen, wie es Annette von Droste-Hülshoff nannte, sanft ins flache Münsterland und die Soester Börde über.
Gerüchte besagen, die Ostwestfalen zwischen Minden, Bielefeld und Paderborn seien Sturköppe, maulfaul und würden Zugezogenen frühestens nach 20 Jahren Wohlverhalten das freundschaftliche „Du“ anbieten und die Anrede mit dem Vornamen gestatten. Das ist nicht ganz richtig, denn viele Nachnamen enthalten bereits Vornamen – oft gleich mehrere.
Matthias Borner aus Gütersloh kennt sich da aus.
"Das ist wirklich ganz typisch für diese Region, dass bis zu drei Vornamen in einem Nachnamen vorkommen oder dass ein Nachname ausschließlich aus Vornamen besteht. Schöne Beispiele dafür sind Peterottotöns, also Töns steht für Anton, also Peter, Otto und Anton… oder Hanswillemmenke: Hans, Wilhelm… und Menke steht für Meinhardt. Oder Maskerstingjos – Mas ist der Thomas, Kersting der Christian und Jos für Jodokus.
Ganz kurios eigentlich, daß also jeweils der Vatername und dann der Sohn, das wurde bis zur dritten Generation zusammengeklatscht und so übertragen. Theoretisch können Sie in Ostwestfalen einen Peter Otto Peterottotöns treffen."
Matthias Borner ist ein sogenannter "Beuteostwestfale" - er wurde zwar in Gütersloh geboren, aber seine Eltern waren Zugezogene, die wegen der Arbeit in die Region gekommen waren. Die sprachlichen Eigenarten der Gegend phaszinieren ihn, und in mehreren witzigen Wörterbüchern hat er als Autor erklärt, was Pömpel, Patt und Pillepoppen sind und daß ein Padaboarna nicht unbedingt ein Einwohner der Domstadt Paderborn ist, sondern ein Sauerteigbrot.
Die Namen der Menschen haben es Matthias Borner aber besonders angetan. Er hatte schon eine schöne Sammlung, als er im Jahr 2002 der Redakteurin Martina Selig begegnete, ebenfalls zugezogen und zwar aus Hamburg.
Martina Selig: "In Ostwestfalen gibt es ganz wunderbare, lange, kraftvolle Namen, die mir relativ bald auffielen, nachdem ich hierher zog vor jetzt zehn Jahren. Die waren so phantastisch und so anders und so klangvoll, daß ich gedacht habe, das musst du notieren und das musst du deinen Freunden in Frankfurt und Hamburg usw. mitteilen, daß es hier so tolle Nachnamen gibt.(…) Es gibt da wunderbare Namen wie: Menkebeerenshemke, Wernickenschnieder, Kerstingtombroke, Hemkentokrax, Rodenbeckenschnieder – solche Dinge fallen auf, besonders wenn sie an Lieferwagen stehen oder an Tankstellen.“
Geschichten von Familien und deren Haus und Hof
Martina Selig und Matthias Borner wollten wissen, was hinter den seltsamen ostwestfälischen Namen steckt, die es in dieser Häufigkeit nirgendwo anders in Deutschland gibt.
Matthias Borner: "Ich hab mir gedacht, das ist eigentlich was fürs Internet. Und gerade das Internet bietet ja vielleicht auch die Möglichkeit, daß man was mitgeteilt bekommt, daß wir gar nicht mehr suchen müssen, sondern daß die Leute sich und uns eben diese phantastischen Namen melden – und das haben sie auch getan. Wir haben mittlerweile über 650 typischeostwestfälisch typische Namen gesammelt."
Auf ihrer Internetseite "Ostwestfälische Namen" präsentieren die beiden Namensforscher nicht nur Perlen wie Hackemack und Strullkötter. Sie geben auch Erklärungen für die Namensungetüme, denn die erzählen oft ganze Geschichten von Familien und deren Haus und Hof. Aus den Namen lassen sich auch Erbfolgen, geographische Besonderheiten und sogar der Insektenbefall ablesen.
Matthias Borner: "Der letzte Namensbestandteil weist häufig auf eine Wohnstätte hin, also das ist dann ein Kamp oder Kemper oder Brink oder Brinker oder Kötter, wie auch immer - und der wird näher beschrieben. Nehmen wir z.B. einen Winkel, das ist ein spitz zulaufendes Stück Land. Was für ein Winkel? Ein Schnakenwinkel, da wo viele Schnaken und Mücken auftauchen. Und weil es wieder mehrere Schnakenwinkel gibt, wird das noch mal spezifiziert, es könnte dann eben der Großeschnakenwinkel sein, um ihn vom Lüttgeschnakenwinkel zu unterscheiden."
Martina Selig: "Wenn man sich z.B. den Namen "Gerdtomarkotten" anschaut. Ein "Kotten" ist ein Wort, das häufig in ostwestfälischen Namen vorkommt. Ein "Kotten" ist eine Kate mit einem kleinen Stück Gartenland dabei. Und die Silbe "mar" bedeutet soviel wie sumpfige Wiese. Damit wissen wir also, wo der Kotten stand, in einer sumpfigen Wiese. Übersetzt könnte man sagen, "Gerdtomarkotten" heißt soviel wie Gerd zur Sumpfkate. Aber natürlich ist die plattdeutsche Version viel schöner.“
Matthias Borner und Martina Selig haben sogar einen Namensgenerator entwickelt, mit dem sich die Besucher ihrer Webseite Namen nach dem Baukastenprinzip zusammensetzen können. Und tatsächlich, wenn man einmal dahinter gestiegen ist, entbehren die ostwestfälischen Namen nicht der Logik
Martina Selig: "Es gibt im Prinzip bei den Nachnamen fünf Hauptgruppen: Es gibt Vaternamen, die vom Rufnamen des Vaters abgeleitet sind. Es gibt Herkunftsnamen, die eben den Ort der Herkunft anzeigen, Wohnstättennamen, die verweisen auf die Art der Unterkunft, aber auch auf den Flurtyp, um den es sich dort handelt. Dann gibt es Berufsnamen, die auf die Art des Broterwerbs schließen lassen und Übernamen, die aufgrund physischer oder charakterlicher oder biographischer Eigenheiten vergeben werden."
"Ist das Griechisch?"
Die ostwestfälischen Namen haben also eine lange und komplizierte Geschichte. Einen der ältesten trägt Michael Hemkentokrax.
"Das ist ein sehr alter Name. (…) Und das Schöne daran ist eigentlich, er geht noch längst über das 15. oder 16. Jahrhundert hinaus. Es gab mal ursprünglich einen Hof, der hieß Krakeshart. Krakeshart, das ist eigentlich eine Bezeichnung für Krähenwald wie man sie in Westfalen öfter sieht, zumal in Flussniederungen; das sind so Wäldchen, Feuchtgebiete, Erlen – wo sich im Herbst unglaubliche Krähenschwärme ansiedeln. Und Krakeshart heißt eben Krähenwald. Über die Jahrhunderte ist dieser Name natürlich verändert worden. Der heißt dann irgendwann Krakesstert … oder so, Aber diese ursprüngliche Kraxgeschichte aus „Krakes“, die ist eben erhalten geblieben. Und der Name ist entstanden durch Hofteilungen. Es gibt ja noch Cortokrax, Johanntokrax, Heinrichtokrax, Gerdtokrax. So – dieser eine Hof, der zu lokalisieren ist, auch dem Namen nach, ist 1088 das erste Mal urkundlich erwähnt, weil er lehenspflichtig war dem Kloster Herzebrock. Und die eigentliche Erbfolge… also wenn dann bei Hemkentokrax wieder eine Teilung des Hofes war, haben diese Menschen eben ihren Vornamen, Hemken ist ja plattdeutsch Hermann, vor diesen ursprünglichen Hofnamen gesetzt, der sich natürlich auch verändert hat.“
Man kann sogar vermuten, daß der Name Hemkentokrax noch älter ist als 1.000 Jahre, weil der Hof höchstwahrscheinlich bereits vor der ersten urkundlichen Erwähnung existierte, noch vor der Christianisierung, gegen die sich die dickschädeligen Westfalen lange erfolgreich gewehrt haben. Und deshalb wird Michael Hemkentokrax, Tischler aus Bielefeld, oft gefragt:
"Ist das Keltisch? Ist das Griechisch? Manche fragen eben: Ist das ein Künstlername?"
Natürlich kommt man mit den Leuten darüber erst Mal ins Gespräch. Speziell auch mit Kunden auf Messen. Ich mache ja so Kleinserien im Möbelbereich. Ich habe mir einen Brandstempel machen lassen: da macht man eine Klappe auf und da steht nur Hemkentokrax. Und das find ich richtig gut! Wenn da jetzt Peter Müller ständ, was ist das? Nichts gegen Leute, die Peter Müller heißen, aber wenn da einfach, Kläppchen auf, Hemkentokrax als Brandstempel steht – das find ich super!
Simone Hemkentokrax kennt ihren Mann und seinen Namen seit der Schulzeit:
"Wir sind schon seit fast 40 Jahren ein Paar, haben aber unglaublich spät geheiratet genau aus diesem Grund, weil ich diesen Namen eigentlich nicht annehmen wollte. Und unsere Tochter war aber schon relativ groß und war unglaublich stolz und hat sofort, nachdem wir vom Standesamt kamen, gesagt: 'Gott sei Dank heiß ich jetzt endlich Hemkentokrax und nicht mehr Bartmus.'"
Barbara Oestersötebier aus Gütersloh schreckte der Name ihres zukünftigen Mannes keineswegs ab.
"Ich fand den sehr schön, er sagte mir was. Ich hatte vorher von meinem Schwiegervater in spe schon gehört, welche Geschichte dahintersteckt. Lieber Oestersötebier als Schulz, Meier und solche Namen. Also, mein Schwiegervater berichtete mir, daß der erste Oestersötebier gar nicht so geheißen hat, sondern 'Seute Beere'. Das heißt im Westfälischen ja 'Süße Beere". Und kam im 16. Jahrhundert nach Westfalen, war offensichtlich ein Schwede. Und dieser Schwede kaufte ein Stück Grund von der Herrschaft Rheda und versuchte hier ein Haus zu bauen, die Landschaft zu roden und sich sesshaft zu machen. Und im Laufe der Zeit war es so, daß aus dem „Seute Beere“ ein „Soetebier“ wurde. Vermutlich hat irgendein Kirchenbuchschreiber mitten im August gemeint, daß doch das Bier besser schmeckte als Beeren."
Die Sache mit dem Genanntnamen
Der Name Oestersötebier findet sich auch heute noch eingeschrieben in die Fachwerkbalken eines Bauernhofes aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. In fast vierhundert Jahren hat sich nicht nur die Bedeutung verändert, sondern auch die Schreibweise:
Oestersötebier: "Als ich geheiratet habe, bekam ich plötzlich einen Personalausweis mit Oestersötebier in einem Wort geschrieben und Oestersötebier mit zwei Worten geschrieben. In dem Paß kam dann der Bindestrich dazu. Damals hat man ja nicht diese Pässe wie heute gehabt. Da wurde alles per Hand ausgefertigt und dann hatte ich plötzlich zwei Dokumente, wo ich einmal so wie mein Schwiegervater geschrieben wurde oder wie mein Mann mit einem Bindestrich und ich hatte mal den kompletten Namen in einem Wort geschrieben. Das war ganz witzig für eine Weile, aber als dann zwei Steuerkarten kamen, und ich sollte doppelt Steuern zahlen, da habe ich mich doch geregt und bin dann zur Stadt marschiert und habe gesagt: bitte ändern!"
Barbara Oestersötebier fiel es nicht schwer, ihren Mädchennamen aufzugeben, eine junge Frau aus Lemgo dagegen hing daran:
Dieter Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel: "Meine Frau wollte ihren Namen unbedingt behalten. Das war zu der Zeit noch möglich, 1978, und so hat sie ihren Namen mit in die Ehe gebracht und heißt jetzt Kochsiek-Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel. Der 'genannt Clasbrummel', der bleibt eigentlich draußen vor, nur in den offiziellen Dokumenten werde ich ihn verwenden, aber sonst bleibt der im Hintergrund. Und meine Frau macht es manchmal so, daß sie sich nur mit Kochsiek vorstellt, um das ganze Verfahren abzukürzen."
Als ob die ostwestfälischen Namen nicht schon verwirrend genug wären … jetzt wird es kompliziert. Beim "Jakobfeuerborn", das haben wir schon gehört, wurde der Vorname eines Hofbesitzers in den Nachnamen integriert. Aber dazu kommt jetzt noch ein Zusatz, ein „Genanntname“. Dieter Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel hat die Irrungen und Wirrungen seines Namens genau untersucht.
"Der Name Feuerborn wird bis 1375 zurückverfolgt als Fuhrborne, das war ein Hof, der heute noch besteht. Und dieser Hof wurde später aufgeteilt, man nimmt an, im 16./17. Jahrhundert. Und damit man diese Höfe, die aufgeteilt wurden, auseinanderhalten konnte, Hausnummern gab es noch nicht, wurde der jeweilige Vorname des Hofbesitzers dazugezählt. Und so haben wir heute noch die Höfe Jakobfeuerborn, jetzt allerdings von Herrn Müller bewirtschaftet, Paulfeuerborn, Tönsfeuerborn und Junkerfeuerborn."
Was aber hat es mit dem Zusatz „Clasbrummel“ auf sich?
"Wenn wir die Herkunft des Wortes Brummel nehmen, dann heißt das soviel wie Brummeloh, das weist auf einen Busch hin … Claas ist der Vorname Klaus – und auch da muß eine Hofteilung stattgefunden haben, denn wir haben heute noch in der Gegend (…) Clasbrummel und Thiesbrummel, aber auch nur Brummel."
Um die Brummelei mit den Genanntnamen abzukürzen, der Namenssammler Matthias Borner kann uns da helfen:
"Der Genanntname tauchte dann auf, wenn es keinen Erben eines Hofes gab, wenn z.B. der Hofbesitzer verstorben war und die Frau noch mal heiratete und der neue Hofbesitzer, der führte dann nicht seinen Namen ein und der Hof wurde nicht so benannt wie der neue Hofbesitzer hieß, sondern umgekehrt. Der neue Hofbesitzer nannte sich dann so wie der Hof ursprünglich geheißen hat. Also, die Person galt weniger als der Hof. Der Hof sollte fortbestehen, der Hofname. Dann ist eben ein Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel ein Jakobfeuerborn gewesen, der auf einen neuen Hof gekommen ist, also den Hof Clasbrummel und er wurde fortan Clasbrummel genannt. Er war weiterhin der Jakobfeuerborn, aber genannt Clasbrummel."
Intensive Ahnenforschung
Alles klar? Wenn es um ihre ellenlangen Namen geht, sind die Ostwestfalen schon Schelme, wie der Bandwurmnamensträger Hadschi Halef Omar Ibn usw. von Karl May.
Dieter Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel: "Am meisten Durcheinander hat mein Vater erlebt. Der hat seine Ausbildung teilweise unter dem Namen Clasbrummel gemacht, z.B. hier in Lemgo an der Ingenieursschule ist alles unter Clasbrummel gelaufen. Und später dann eben in gewissen Situationen wieder als Jakobfeuerborn. Mein ältester Bruder hat in den 70er Jahren im Irak gearbeitet. Und dort gilt es als vornehm, wenn man einen langen Namen vorweisen kann. Das entspricht der arabischen Tradition und er kam mit seinem langen Namen dort immer gut an."
Aber Jakobfeuerborn genannt Clasbrummel ist noch längst nicht der Längste. Frank Dreismickenbecker aus Verl bei Gütersloh hat sein Name oft genützt, z. B. bei der Bundeswehr.
"Das Namensschild war bei mir nicht einzeilig, sondern zweizeilig und lief dann auch bis fast unter die Achselhöhlen. Was dann eigentlich ein bißchen auch vor Strafen schützte, denn wenn die Vorgesetzten einen auf dem Kieker hatten, was die geguckt haben, als sie angefangen haben zu lesen. Und bis die das dann zuende gelesen hatten, war ich meistens auch schon weg.Und mein Kollege Ottovordemgentschenfelde aus Schloß Holte, dem ging´s noch schlimmer, der hatte also drei Streifen auf der Brust, auch bis unter die Achselhöhle, den Namen haben die auch nie auf den Schirm gekriegt."
Frank Dreismickenbecker hat intensive Ahnenforschung betrieben und dabei sogar herausbekommen, welche Steuern die Mickenbeckers einst bezahlen mussten.
"Interessant ist eben auch, daß man auch gucken konnte, wie die Abgaben waren wenn sie denn mehr oder weniger steuerpflichtig waren. Hier steht extra: Abgaben an das Obereigentum des Fürsten zu Kaunitz-Rietberg mussten geleistet werden: 3 Taler, gute Groschen, zwölf Pfennige, Pacht- und Schreibgeld und ein Huhn mußte abgeliefert werden. Und der Pfarrer durfte auch nicht kurz kommen, für den gab´s auch noch ein Huhn und zwei gute Groschen, acht Pfennig für den Küster. Mit andern Worten, eine interessante Art der Kirchenfinanzierung."
Ostwestfalen gar nicht maulfaul
Der Fiskus und der Amtsschimmel hatten allerdings Schwierigkeiten, die zahlreichen Mickenbeckers auseinander zu dividieren:
"Bei den Nachforschungen kam heraus, daß es in Verl auch eine Vielzahl von Mickenbeckers gibt. Und das ist, glaube ich, zurückzuführen auf einen preußischen Standesbeamten, der irgendwann mal gesagt hat, zur besseren Unterscheidung von Dreismickenbeckers waren alle die, die direkt in Verl wohnten, Mickenbeckers in Zukunft – und die, die ein bisschen weiter herkamen, Dreismickenbecker. Dadurch hat sich die Anzahl der Leute entsprechend reduziert und das konnte meine Nachforschungen auch ein bisschen vereinfachen."
Wahrhaftig, die Standesbeamten, ob nun königlich-preußisch oder bundesrepublikanisch, haben es nicht leicht in Ostwestfalen. Eine Standesamtgeschichte geistert sogar seit Jahren durch die entsprechenden Foren im Internet. Frank Dreismickenbecker gesteht hier und heute, daß er daran schuld ist.
"Das ist eigentlich zurückzuführen auf meine damalige Ausbildungszeit bei der Sparkasse. Ich hatte eine Kollegin, die hieß Rodenbeckenschnieder. Und in den 80er-Jahren wurden die Doppelnamen relativ populär. Und da haben wir aus Spaß gesagt, wir müssten mal zum Standesamt gehen und aus Jux ein Aufgebot bestellen. Der schmeißt uns bestimmt sofort raus, weil er kein Formular dafür findet, wo er es reinpacken könnte."
Nein, sie haben dann doch nicht geheiratet und der Doppelname Dreismickenbecker-Rodenbeckenschnieder wäre noch frei. Vielleicht taucht er eines Tages doch noch auf der Internetseite „Ostwestfälische Namen“ von Matthias Borner auf, zusammen mit der Geschichte und den Geschich“ten“, die dahinter stehen.
"Die Leute schreiben nicht nur ihre Namen, sondern auch die Familiengeschichte oder die Geschichte der Höfe, die dahintersteckt. Also, man könnte daraus eine mehrbändige Buchreihe machen. Das war jetzt gar nicht unser Thema und unser Anliegen, aber da ist unglaublich viel Resonanz gekommen."
Die Ostwestfalen sind also doch nicht maulfaul, wie immer behauptet wird, sie kommen ins Erzählen, wenn sie bodenständig von Familie, Haus und Hof berichten. Und mit ihren speziellen Namen haben sie ja auch ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Matthias Borner jedenfalls kann nicht genug davon kriegen.
"Natürlich sind die längsten immer ganz schön wie Rodenbeckerschnieder und Beckenvordemsamtfort, Ottovordemgentschenfelde – aber ich finde natürlich auch alles schön, was einfach schön klingt wie: Ottonottebrock und Hemkensamtenschnieder und Menkeberehnshemke und so was… Schniggendiller! Ach, Quackernack… ich könnte stundenlang weiterreden …"