Nana Kwame Adjei-Brenyah: "Friday Black"
aus dem Englischen Thomas Gunkel
Penguin Verlag, München 2020
230 Seiten, 20 Euro
Rassismus in einem dystopischen Amerika
06:56 Minuten
Im Jahr 2020 sitzt der der Rassismus in den USA immer noch sehr tief. Mit dem Mord an George Floyd bekommen die drastischen Kurzgeschichten des Afromaerikaners Nana Kwame Adjei-Brenyah in dem Band "Friday Black" einmal mehr eine traurige Aktualität.
Aktueller kann eine Sammlung von Kurzgeschichten kaum sein. Gerade ist George Floyd auf das Brutalste von einem Polizisten umgebracht worden. Das mutmaßliche Motiv: Rassismus. Wie ist das möglich im Jahr 2020? Die Menschen in den USA gehen auf die Barrikaden. Und damit sind wir mitten in Adjei-Brenyahs Kurzgeschichte "Die Finkelstein Five". Nach einem offensichtlich rassistisch motivierten Gerichtsurteil kommt es landesweit zu massiven Gewaltausbrüchen.
Ein weißer Vater hatte auf einem Parkplatz fünf Kindern mit einer Kettensäge den Kopf abgeschnitten. Angeblich waren sie eine Bedrohung für ihn und seine beiden Kinder. Die Verteidigung preist ihn als verantwortungsvollen Vater an, der nur seine Kinder schützen wollte. Die weiße Geschworenenjury spricht den Angeklagten frei.
Dystopien, die in ihrer Trostlosigkeit schockieren
Auch Emmanuel, der junge schwarze Protagonist der Geschichte, der ständig mit seinem Schwarzsein hadert, will sie rächen. Mit Freunden überfällt er ein junges weißes Liebespaar. Doch er schafft es nicht, sie zu töten. Die eintreffende Polizei erschießt ihn, obwohl er unbewaffnet ist. Adjei-Brenyahs Geschichten lassen einem das Blut in den Adern gefrieren. In seinen Welten geht es brutal und gewalttätig zu. Jeder ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Und immer wieder geht es um das Schwarzsein, die Minderwertigkeitsgefühle, die damit verbunden sind, die Reaktionen der Umwelt, um Aggressivität, Dominanz, Rachegelüste. Er entwirft Dystopien, die in ihrer Trostlosigkeit schockieren.
Karrikatur von Amerikas Konsumwut
In der Geschichte ‚Die alte Zeit‘ gibt es die USA nicht mehr. Mehrere Bürgerkriege haben ein Land hervorgebracht, in dem durch Geneingriffe Kinder über besondere Eigenschaften verfügen, superintelligent sind, besonders pflichtbewusst, besonders schön oder aggressiv. Der Erzähler ist eine Ausnahme. Er wurde normal gezeugt. Gleichwohl bekommt auch er so wie alle Kinder morgens zum Schulfrühstück eine Glückspille. Er ist süchtig danach. Dann lernt er ein Mädchen kennen, dessen Familie das industrielle Glück ablehnt.
Man muss nicht lange nachdenken, um im Glücksbringer Amerikas Volksdroge Prozac zu erkennen, ein Medikament, das gegen Depressionen hilft. Viele können davon nicht mehr lassen.
Adjei-Brenyahs Phantasie ist ebenso maßlos wie bedrückend. So karikiert er Amerikas Konsumwut, indem er den bekannten Black Friday, an dem alle Waren für einen Tag stark herabgesetzt werden, zum mörderischen Kampf um Superschnäppchen von angesagten Markenartikeln ausarten lässt. Jedes Mal bleiben mehrere Tote auf der Strecke, totgetrampelt von den in den Laden stürmenden Massen.
Drastische, schnörkellose Sprache
Adjei-Brenyahs Sprache ist drastisch und schnörkellos. Schon mit wenigen Zeilen zieht er einen in die Geschichte. Mit großer Selbstverständlichkeit beschreibt er die krassesten Entwicklungen. Seine Welten sind Phantasmagorien, wirken wie durchgeknallte Drogenvisionen. In der satirischen Überspitzung der Wirklichkeit hält der junge afroamerikanische Schriftsteller der amerikanischen Gesellschaft einen Spiegel vor: sie ist rassistisch, herzlos, geldbesessen, gewalttätig. Ein atemraubendes Debüt.