Gastbeitrag von Nancy Faeser für "antifa"
Der Gastbeitrag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für die Zeitschrift "antifa" ist umstritten. © picture alliance/dpa
"Antifaschismus ist per se kein Extremismus"
09:40 Minuten
Die Autorin Jagoda Marinić verteidigt Nancy Faeser gegen Vorwürfe, sich nicht genug gegen Linksextreme abzugrenzen: In dem Verein, für dessen Magazin die Innenministerin einen Beitrag verfasst hatte, kämpften Holocaust-Überlebende gegen Faschismus.
Politiker der Union haben Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für einen Gastbeitrag kritisiert, den sie 2021 über die Gefahren des Rechtsextremismus geschrieben hatte. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch SPD-Vorsitzende in Hessen. Die Christdemokraten nehmen dabei weniger an dem Inhalt Anstoß, sondern an der Zeitschrift "antifa. Magazin für antifaschistische Politik und Kultur", in der Faesers Beitrag veröffentlich wurde. Die Zeitschrift wird von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) herausgegeben.
Der bayerische Verfassungsschutz bezeichnete die Organisation 2018 als "bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus". Auch der hessische Verfassungsschutz kam 2020 offenbar zu einer ähnlichen Einschätzung. Faeser wird deshalb nun von der Union vorgeworfen, sie grenze sich nicht klar genug gegen Linksextreme ab.
Zweifel an Vorwürfen gegen Gesamtorganisation
Die VVN-BdA sei als gemeinnütziger Verein anerkannt, sagt dagegen die Autorin Jagoda Marinić. Sie erinnert daran, dass der Vereinigung mit ähnlichen Vorwürfen zwischenzeitlich die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Das Team des damaligen Finanzministers Olaf Scholz habe dann daran gearbeitet, die Gemeinnützigkeit der Organisation wieder anzuerkennen. Sie wage zu bezweifeln, ob die Vorwürfe aus Bayern die ganze bundesweite Vereinigung beträfen.
Außerdem sei die inzwischen verstorbene Holocaust-Überlebende Esther Bejarano Ehrenvorsitzende des VVN-BdA gewesen. "Ich bin immer wieder überrascht, dass so ein Verein, in dem immer noch Holocaust-Überlebende Mitglieder sind und kämpfen, so lange sie noch leben, mit solcher Schärfe angeschossen werden kann", kritisiert Marinić. Die Organisation wurde 1947 von Widerstandskämpfern gegen das NS-Regime und KZ-Überlebenden gegründet.
Wenn es einzelne Extremisten gebe, dann müsse man sie beobachten, sagt die Autorin. Aber bei einen ganzen Verein, der aus dieser Geschichte gewachsen sei, eine Veröffentlichung so in Frage zu stellen, ist Marinić unverständlich – zumal der Beitrag selbst einwandfrei sei. "Ich finde das doch eine sehr aufgebauschte und aufgeblasene Hufeisen-Möchtegern-Debatte."
Antifaschismus als demokratische Notwehr
Gerade weil viele Zeitzeugen inzwischen sterben, mahnt Marinić: "Antifaschismus ist per se kein Extremismus, er ist eine Notwehr eines demokratischen Systems gegen demokratiezersetzende Kräfte." Selbst der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe zu seinem Abschied eingeräumt, dass in der Bundesrepublik vom Rechtsextremismus eine viel größere Gefahr ausgehe als vom Linksextremismus.
"Es gibt Extremisten und Extremismus ist auf beiden Seiten zu bekämpfen", so Marinić. Aber eine Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus gehe ihr zu weit.
(gem)