Naomi Klein: "Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann"
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel, Sonja Schuhmacher und Barbara Steckhan
Hoffmann und Campe, Hamburg 2019
352 Seiten, 24 Euro
Radikaler Appell für eine Kehrtwende
06:26 Minuten
Die kanadische Journalistin und Aktivistin Naomi Klein fordert in ihrem neuen Buch stimmgewaltig eine politische Wende um 180 Grad. Nur ein "Green New Deal", der Umwelt- und Sozialpolitik gleichzeitig anspricht, kann den Planeten noch retten.
Zehn Millionen Menschen fanden Arbeit im öffentlichen Dienst. Hunderttausende Gebäude schossen in den Himmel. Ländliche Gebiete wurden elektrifiziert, Millionen von Bäumen gepflanzt, Lieder komponiert, Skulpturen geschaffen. Es zahlte: die öffentliche Hand.
In ihrem neuen Buch "Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann" fordert Naomi Klein das Ende von Neoliberalismus und Sparpolitik und eine grundlegende politische Wende nach dem Vorbild des "New Deal" – jenes berühmten Paketes von Wirtschafts- und Sozialreformen, das US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er-Jahren durchsetzte. Es rettete, in einer Zeit schwerster Depression, die amerikanische Demokratie.
Die Welt ist in einer Notlage
Heute befindet sich die gesamte Menschheit in einer akuten Notlage, ruft die bekannte kanadische Journalistin und Aktivistin mit einer starken Stimme. Sie versteht sich ebenso auf Fragenstellen wie auf den wütenden politischen Appell, sie scheut nicht persönliche Einlassungen und hat dabei immer das Schicksal der Entrechteten und Entwerteten im Blick.
So schildert sie in dem Kapitel "Der Sommer der Brände" beklemmend einen Besuch bei ihrem Bruder in British Columbia. Mit Ehemann und kleinem Sohn wollte sie in der Natur umherstreifen und im Meer baden, doch weil die USA von gigantischen Waldbränden heimgesucht wurden, klebte wochenlang eine dicke, völlig unbewegte Rauchschwade über dem Land.
Menschen und Tiere wurden krank, kein Vogel sang mehr, Kinder hörten auf zu spielen. In anderen Kapiteln lässt sie große Umweltkatastrophen Revue passieren, beschreibt die weltweiten Fluchtbewegungen vor Dürre und Überschwemmungen oder nimmt die Oberflächlichkeit umweltpolitischer Pseudopolitik auseinander.
Kämpfen für den "New Green Deal"
Naomi Klein ist radikal und macht daraus keinen Hehl: Für sie hängen Klimakrise und Sozialpolitik eng zusammen. Mit etwas CO2-Steuer ist es deshalb auch nicht getan. Wenn die breite Bevölkerung für die notwendige drastische Änderung westlicher Konsumgewohnheiten gewonnen werden soll, müssen sämtliche Missstände gleichzeitig angesprochen werden, argumentiert sie.
Das ist ihr Green New Deal: Wer mit modernen Zügen preiswert und rasch zum Ziel kommt, wer sich um die Bildung der Kinder und die Altersvorsorge keine Sorgen macht, wer spürt, dass innovative Vorschläge nicht im Papierkorb verschwinden, sondern in neue Partizipationsformen einfließen – der ist andernorts auch zu Einschnitten bereit, zeigt sich die Autorin überzeugt. Und weil Klein weiß, in welchem Ausmaß Steuergelder in unsinnige sozial- und klimaschädliche Großprojekte fließen oder aber dem Fiskus unbehelligt in Schlupflöchern entzogen werden, macht sie sich um die Finanzierung keine Sorgen.
Schon Roosevelts New Deal war politisch heftig umstritten – Klein weiß, dass sich eine politische Kehrtwende im Stil eines New Green Deals nur mit harten Kämpfen erreichen und von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis durchsetzen lässt. Hier ist das wegweisende und überaus optimistische Buch, ein solches Bündnis zu beflügeln.