Napoleons Beutezug in Italien

Von Thomas Migge |
Als General Napoleon Bonaparte 1796 Italien eroberte, ließ er zahlreiche Kunstgegenstände mitgehen. Der Beutezug des Korsen bescherte dem Louvre in Paris eine Fülle wertvoller Gegenstände aus 2000 Jahren Kulturgeschichte. Am Beispiel der Gegend Piemont zeigt die Ausstellung "Entführte Bilder" die Auswirkungen des Napoleonischen Kunstraubs auf die betroffenen Regionen Italiens.
Es ging alles schnell, ganz schnell. Anfang 1796 wurde der junge General Napoleon Bonaparte zum obersten Kommandanten der Italienarmee ernannt. Sein Siegeszug durch Italien war unglaublich. Ende April war der sabaudische König Vittorio Amadeo III. zur Unterzeichnung des Waffenstillstands gezwungen.

Nach der Eroberung Nordwestitaliens zog der in die Lombardei ein, besiegte bei Lodi die Österreicher, eroberte Pavia, Brescia und nahm dann auch noch den Staat des Papstes ins Visier. Das katholische Europa hielt den Atem an.

Dem Papst gelang es, das französische Heer zum Abzug aus der ewigen Stadt zu bewegen. Napoleon war dazu bereit, verlangte aber als Entschädigung eine Menge Goldmünzen und einige hundert Skulpturen und Gemälde sowie zirka 500 wertvollste Kodexe aus der vatikanischen Bibliothek. Ein Großteil dieser Objekte befindet sich noch heute in Frankreich, im Louvre in Paris, weiß der Kunsthistoriker Adriano La Regina:

"Römer und Romtouristen, die heute die vatikanischen Museen besichtigen, wundern sich über die viele Kunst. Diese Sammlungen waren schon im 18. Jahrhundert berühmt und Napoleon hatte es auf sie abgesehen. Sein militärischer Eroberungszug durch Italien, und das wird immer wieder vergessen, war auch ein kunsthistorischer Beutezug ohnegleichen. Das machte damals in ganz Europa seine Runde."

Napoleon bescherte den Italienern einen für ihre Zeit sehr modernen Rechtskodex, nahm ihnen aber gleichzeitig Kunst, viel Kunst, soviel Gegenstände aus rund 2.000 Jahren Kulturgeschichte, dass er damit ganze Abteilungen des Louvre füllen konnte. Am Beispiel der nordostitalienischen Region Piemont erzählt die Ausstellung "Napoleon und das Piemont" die Geschichte jenes Kunstraubs nach, der zur Plünderung von Kirchen, Palästen und Sammlungen führte.

Der Korse sah in den Künsten Symbole der Macht und der Erziehung zum guten Geschmack. Aus dem alten Königspalast Louvre machte er ein grandioses Museum. Dafür brauchte er die schönsten Beispiele europäischer Kunst, vor allem aus Italien. Wieviele Kunstwerke seine Soldaten und Experten aus Italien nach Frankreich brachten, weiß niemand genau. Es wird sich, so vorsichtige Schätzungen, um zehntausende von Skulpturen, Gemälde und andere Gegenstände handeln.

Adriano la Regina: " In Italien sah sich Napoleon in seinem Element. Zur Seite standen ihm zwei Personen, die, ausgehend vom Piemont, die Kunst-Plünderungen organisierten: Da waren der Maler Jacques-Pierre Tinet und Dominique-Vivant Denon. Der Ex-Diplomat, Schriftsteller, Maler und Salonlöwe sollte zum ersten Direktor des Louvre aufsteigen. Ihm sind die meisten Kunstdiebstähle im Piemont zu verdanken. Denon ließ allerdings auch zahlreiche piemontesische Kunstwerke restaurieren, bevor er sie im Louvre zeigte."

Die Ausstellung zu Napoleons Kunstklau im Piemont, die in der Fondazione Ferrero in Alba gezeigt wird, umfasst vier Abteilungen. Anhand von Büsten und Gemälden werden zunächst die Protagonisten dieser unseligen Geschichte vorgestellt: Napoleon und Paolina Bonaparte sowie Denon und italienische Aristokraten - die Bestohlenen.

Dann sind eine Auswahl jener Kunstwerke zu sehen, die nach Frankreich gebracht und später, nach Napoleons Sturz, wieder nach Italien zurückgeführt wurden. Darunter eine Madonna mit Kind von Donato de Bardi, eine Märtyerdarstellung des Tanzio da Varallo, Werke von Guercino, Giovanni Battista Paggi, von Bernardino Lanino und anderen Meistern aus Renaissance und Barock.

Die dritte Sektion stellt verschiedene Flügelaltäre aus, die in Folge der napoleonischen Plünderungen auseinander genommen wurden. Zum ersten Mal seit 1796 ist nun wieder, um nur ein Beispiel zu nennen, der komplette Flügelaltar des Antoine de Lonhy aus dem 16. Jahrhundert zu besichtigen. Die vierte, letzte und umfangreichste Ausstellungssektion, so Kunsthistoriker Adriano La Regina, zeigt Gemälde, die sich seit Napoleons Raubzug durch das Piemont in französischen und anderen Museen und Sammlungen befinden:

"Bilder, vor denen man stehen bleibt und sich sagt, schade, dass sie heute nicht mehr zum piemontesischen Kunstbestand gehören: eine Madonna von Hans Clemer, ein Altarbild von Donato de Bardi und so weiter. Die Ausstellung in Alba ist die erste umfassende Bestandsaufnahme des napoleonischen Kunstraubs in Italien. Diese Kunstschau zeigt deutlich, wie gezielt Napoleon bei diesen Plünderungen vorging."

So auch in Venedig. Seine Eroberung der Lagunenstadt versetzte der uralten Seerepublik den Todesstoß. Aus den Palästen des venezianischen Adels ließ er sogar freskengeschmückte Decken nach Paris transportieren. Auch die byzantinische Quadriga der Markuskirche wurde nach Paris gebracht. Doch sie kam nach dem Sturz Napoleons wieder nach Venedig zurück und steht heute auf der Fassade der Markuskirche.

Service:
Die Ausstellung "Napoleone e il Piemonte. Capolavori Ritrovati" ist in der Fondazione Ferrero Alba zu sehen.