Napoleons Schmach
Im Südosten der Stadt Leipzig erinnert heute ein monumentales Denkmal an die Völkerschlacht. Vom 16. bis 19. Oktober 1813 wurde Napoleon in einer der bis dahin größten Schlachten der Geschichte besiegt.
Heute vor 200 Jahren begann die "Völkerschlacht bei Leipzig". Sie galt bis zum Ersten Weltkrieg als die größte, die je geschlagen wurde. Unter immensen Verlusten zwangen Russen, Österreicher, Preußen und Schweden Napoleon in einem erbitterten mehrtägigen Ringen zum Rückzug aus Deutschland und beendeten die französische Fremdherrschaft über Teile Europas.
"Ein fürchterlicher Kugelregen, dem wir von Seiten der Österreicher und Russen ausgesetzt waren, nötigte uns zum Weichen, doch mussten wir bald wieder vorwärts und auch sie mit unserem Feuer begrüßen. Es regnete gleichsam Kugeln und Granaten um und neben uns. ... In diesem nur mit wenigen Unterbrechungen stattfindenden Kanonenfeuer blieben wir ungefähr bis nachmittags zwei Uhr, wo es etwas nachließ, nachdem dieser Kugelregen viele von uns hinweggerafft hatte …",
notiert der sächsische Oberkanonier Friedrich Wilhelm August Böhme in seinem Tagebuch über das Gefecht bei Paunsdorf am 18. Oktober 1813. Wir sind mitten in der Völkerschlacht bei Leipzig", die seit dem 16. Oktober tobt und erst am 19. mit einem Sieg der verbündeten Österreicher, Russen, Preußen und Schweden über Napoleon und seine deutschen Rheinbund-Alliierten, auch die Sachsen, endet. Bis dahin ist das Schlachtfeld mit dem Blut abertausender Gefallener und Verwundeter getränkt. Die Opferzahlen schwanken zwischen über achtzigtausend und über hundertzwanzigtausend. Ein hoher Preis für die Befreiung Deutschlands von der französischen Fremdherrschaft. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
"In Leipzig fand ich ungefähr 20 000 Verwundete und kranke Krieger aller Nationen. … Unter … (ihnen) hat nicht ein einziger ein Hemde, Bettuch, Decke, Strohsack oder Bettstelle erhalten. … Viele Verwundete sind noch gar nicht … verbunden. … Verwundete, die nicht aufstehen können, müssen Kot und Urin unter sich gehen lassen und faulen in ihrem eigenen Unrat an. … Ich schließe … mit dem grässlichsten Schauspiel, das … meine ganze Fassung lähmte. … auf dem offenen Hofe der Bürgerschule fand ich einen Berg, der aus Kehricht und Leichen meiner Landsleute bestand, die nackend lagen und von Hunden und Raben angefressen wurden, als wenn sie Missetäter und Mordbrenner gewesen wären.
So entheiligt man die Überreste der Helden, die dem Vaterlande gefallen sind."
Der Bericht, den der Berliner Medizinprofessor Johann Christian Reil sieben Tage nach Schlachtende an den Freiherrn vom Stein, damals Chef der Zentralverwaltung für die von den französischen Truppen befreiten Gebieten, schrieb, steht in keinem Geschichtsbuch. Aber wenn schon Verwundete und Tote der Sieger hundsliederlich behandelt werden, wie musste es dann erst den Schwerverletzten der Verlierer ergehen! Maximilian Poppe, Leipziger Chronist der Kriegsjahre, hat für sie gerade einmal eine Zeile übrig. Unter dem 22. Oktober 1813 schreibt er:
"Die französischen schwer Blessierten werden erschlagen."
Die Schlacht bei Leipzig ging in die Geschichte ein: nicht wegen der hohen Opferzahlen und der menschenverachtenden Behandlung der Verwundeten, sondern wegen der Kriegermassen, die auf dem Schlachtfeld bewegt wurden. Deshalb galt sie bis zum Ersten Weltkrieg als die größte, die jemals geschlagen wurde. Napoleon hatte 440 000 Mann aufgeboten. Seine Gegner waren mit knapp 510 000 Soldaten angetreten. Diese zahlenmäßige Überlegenheit glich zunächst das strategische Genie des großen Korsen aus. Aber auf Dauer war er der Zermürbungstaktik der drei gegnerischen Armeen, der
böhmischen Hauptarmee unter dem Österreicher Schwarzenberg, der schlesischen unter dem Preußen Blücher und der Nordarmee unter dem schwedischen Kronprinzen Bernadotte, nicht gewachsen. Ausschlaggebend für deren Sieg war freilich der "Trachenberger Kriegsplan", auf den sich die Verbündeten am 12. Juli 1813 im niederschlesischen Trachenberg geeinigt hatten. Der österreichische Militärhistoriker Kurt Mitterer:
"Dieser Plan zielt … wie ein Katz-und-Maus-Spiel darauf ab, dass nur eine Armee … die französischen Truppen auf sich zieht und Abnützung der Truppe verursacht. … und gleichzeitig operieren die anderen … Armeen im Hintergrund und schneiden die Versorgungslinien ab, so dass Napoleon schließlich und endlich … sieben Luftstöße mit seiner Armee unternehmen muss, ohne zu einem Schlagen zu kommen."
Architekt dieses Planes war kein preußischer General, sondern ein Österreicher. Kein Wunder, dass man ihn in der lange Zeit von der preußischen Geschichtsschreibung beherrschten Überlieferung der Leipziger "Völkerschlacht" mit der Lupe suchen muss. Es war der Generalstabschef des österreichischen Oberkommandierenden Schwarzenberg, Joseph Wenzel Graf Radetzky, der später - in der Revolution von 1848/49 - Österreichs Herrschaft über Oberitalien zu behaupten verstand und zum populärsten Heerführer der Donaumonarchie aufsteigen sollte.
"Ein fürchterlicher Kugelregen, dem wir von Seiten der Österreicher und Russen ausgesetzt waren, nötigte uns zum Weichen, doch mussten wir bald wieder vorwärts und auch sie mit unserem Feuer begrüßen. Es regnete gleichsam Kugeln und Granaten um und neben uns. ... In diesem nur mit wenigen Unterbrechungen stattfindenden Kanonenfeuer blieben wir ungefähr bis nachmittags zwei Uhr, wo es etwas nachließ, nachdem dieser Kugelregen viele von uns hinweggerafft hatte …",
notiert der sächsische Oberkanonier Friedrich Wilhelm August Böhme in seinem Tagebuch über das Gefecht bei Paunsdorf am 18. Oktober 1813. Wir sind mitten in der Völkerschlacht bei Leipzig", die seit dem 16. Oktober tobt und erst am 19. mit einem Sieg der verbündeten Österreicher, Russen, Preußen und Schweden über Napoleon und seine deutschen Rheinbund-Alliierten, auch die Sachsen, endet. Bis dahin ist das Schlachtfeld mit dem Blut abertausender Gefallener und Verwundeter getränkt. Die Opferzahlen schwanken zwischen über achtzigtausend und über hundertzwanzigtausend. Ein hoher Preis für die Befreiung Deutschlands von der französischen Fremdherrschaft. Aber das ist nur die halbe Wahrheit.
"In Leipzig fand ich ungefähr 20 000 Verwundete und kranke Krieger aller Nationen. … Unter … (ihnen) hat nicht ein einziger ein Hemde, Bettuch, Decke, Strohsack oder Bettstelle erhalten. … Viele Verwundete sind noch gar nicht … verbunden. … Verwundete, die nicht aufstehen können, müssen Kot und Urin unter sich gehen lassen und faulen in ihrem eigenen Unrat an. … Ich schließe … mit dem grässlichsten Schauspiel, das … meine ganze Fassung lähmte. … auf dem offenen Hofe der Bürgerschule fand ich einen Berg, der aus Kehricht und Leichen meiner Landsleute bestand, die nackend lagen und von Hunden und Raben angefressen wurden, als wenn sie Missetäter und Mordbrenner gewesen wären.
So entheiligt man die Überreste der Helden, die dem Vaterlande gefallen sind."
Der Bericht, den der Berliner Medizinprofessor Johann Christian Reil sieben Tage nach Schlachtende an den Freiherrn vom Stein, damals Chef der Zentralverwaltung für die von den französischen Truppen befreiten Gebieten, schrieb, steht in keinem Geschichtsbuch. Aber wenn schon Verwundete und Tote der Sieger hundsliederlich behandelt werden, wie musste es dann erst den Schwerverletzten der Verlierer ergehen! Maximilian Poppe, Leipziger Chronist der Kriegsjahre, hat für sie gerade einmal eine Zeile übrig. Unter dem 22. Oktober 1813 schreibt er:
"Die französischen schwer Blessierten werden erschlagen."
Die Schlacht bei Leipzig ging in die Geschichte ein: nicht wegen der hohen Opferzahlen und der menschenverachtenden Behandlung der Verwundeten, sondern wegen der Kriegermassen, die auf dem Schlachtfeld bewegt wurden. Deshalb galt sie bis zum Ersten Weltkrieg als die größte, die jemals geschlagen wurde. Napoleon hatte 440 000 Mann aufgeboten. Seine Gegner waren mit knapp 510 000 Soldaten angetreten. Diese zahlenmäßige Überlegenheit glich zunächst das strategische Genie des großen Korsen aus. Aber auf Dauer war er der Zermürbungstaktik der drei gegnerischen Armeen, der
böhmischen Hauptarmee unter dem Österreicher Schwarzenberg, der schlesischen unter dem Preußen Blücher und der Nordarmee unter dem schwedischen Kronprinzen Bernadotte, nicht gewachsen. Ausschlaggebend für deren Sieg war freilich der "Trachenberger Kriegsplan", auf den sich die Verbündeten am 12. Juli 1813 im niederschlesischen Trachenberg geeinigt hatten. Der österreichische Militärhistoriker Kurt Mitterer:
"Dieser Plan zielt … wie ein Katz-und-Maus-Spiel darauf ab, dass nur eine Armee … die französischen Truppen auf sich zieht und Abnützung der Truppe verursacht. … und gleichzeitig operieren die anderen … Armeen im Hintergrund und schneiden die Versorgungslinien ab, so dass Napoleon schließlich und endlich … sieben Luftstöße mit seiner Armee unternehmen muss, ohne zu einem Schlagen zu kommen."
Architekt dieses Planes war kein preußischer General, sondern ein Österreicher. Kein Wunder, dass man ihn in der lange Zeit von der preußischen Geschichtsschreibung beherrschten Überlieferung der Leipziger "Völkerschlacht" mit der Lupe suchen muss. Es war der Generalstabschef des österreichischen Oberkommandierenden Schwarzenberg, Joseph Wenzel Graf Radetzky, der später - in der Revolution von 1848/49 - Österreichs Herrschaft über Oberitalien zu behaupten verstand und zum populärsten Heerführer der Donaumonarchie aufsteigen sollte.