"Narrating Africa" in Marbach

Mit Literatur gegen stereotype Afrika-Bilder

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Ausstellungsansicht von "Narrating Africa".
Nur besondere Bilder und vor allem Text: die Schau "Narrating Africa" im Literaturmuseum der Moderne in Marbach. © Jens Tremmel
Sandra Richter im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Stereotype und rassistische Bilder prägen die Literatur der Kolonialzeit. Die Schau "Narrating Africa" zeigt sie. Es soll aber auch um die Zukunft gehen - gemeinsam mit afrikanischen Künstlern und Wissenschaftlern, erklärt eine der Macherinnen.
Die Ausstellung "Narrating Africa" des Deutschen Literaturarchivs Marbach will Klischees hinterfragen, in unseren Köpfen – und zwischen Buchdeckeln. Denn durch die Literatur geistern Stereotype sowie rassistische Bilder und Vorstellungen, die bis heute prägend sein können.
Das Ausstellungsprojekt habe begonnen auf einer Reise mit der baden-württembergischen Kunstministerin Theresia Bauer nach Namibia, sagt die Leiterin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, Sandra Richter. Dort wurde eine in der Kolonialzeit geraubte Bibel und die Peitsche des Nama-Anführers Hendrik Witbooi zurückgegeben. "Wir haben gleichzeitig versucht, Termine zu verabreden, mit Kollegen an der Universität, mit Künstlern, mit Autoren dort", so Richter. Ziel sei gewesen, den Akt der Restitution zu nutzen, "um ins Gespräch zu kommen, einander kennenzulernen und zu fragen: Wie können wir gemeinsame Perspektiven entwickeln für die Zukunft". Denn das sei eine der schönsten Möglichkeiten, die sich mit der Restitution verbinden könnten.

Mentalität von Kolonisatoren erschließen

Zu sehen seien in der Ausstellung vor allem Texte, erklärt Richter. "Es ist eine Leseausstellung." Es sei eine Schau, die bewusst sehr asketisch aussehe - und "die ohne die üblichen Afrikabilder auskommt, ohne Menschen in Ketten und dergleichen", beschreibt Richter. "Wir zeigen Bilder nur dann, wenn sich ihnen etwas Besonderes entnehmen lässt oder wenn sie besonders spannend, besonders ambivalent sind." Wie beispielsweise das Fieberthermometer, mit dem man "Tropenkoller" feststellen konnte. Die Objekte stünden im Hintergrund - im Wesentlichen gehe es um Metaphern, Sprachbilder und Erzählungen.
Schulheft von Peter Rühmkorf, 1936 aus der Ausstellung "Narrating Africa".
Im Unterricht der 1910er- bis 1930er-Jahre beschäftigten sich Schulkinder mit dem Kontinent Afrika und zeichneten fiktive wie reale Grenzverläufe.© Literaturarchiv Marbach
So etwa das berühmte Bild vom "Platz an der Sonne", das schon in Max Webers Antrittsvorlesung aus dem Jahr 1895 in gewisser Weise auftauche. Er spreche davon, "dass die Sonne eigentlich Deutschland im Zentrum hat und dass dieses Land in alle Welt strahlt", so Richter. "Ein dubioses Bild, das ihn dazu führt, unter anderem dafür zu plädieren, doch in Afrika Land zu nehmen." In der Ausstellung gehe es darum, solche Erzählungen anzuschauen, die die Mentalitäten von Kolonisatoren erschließen lassen. Damit sei aktuell der erste Schritt der Ausstellung zu sehen. In zwei weiteren Schritten soll sich die Schau um Gegenerzählungen erweitern: Zuerst sollen Autoren ergänzen, "in einem dritten Schritt dann unsere Kollegen aus Namibia", so Richter. Sodass die Erzählung dann nicht nur aus der Vergangenheit in die Gegenwart erzähle, sondern auch aus der Gegenwart in die Zukunft.
Eine afrikanische Maske aus dem Archiv in Marbach liegt in einer Vitrine.
Afrika in Marbach: Die einzige in Marbach aufbewahrte afrikanische Maske aus der Sammlung des Soziologen Norbert Elias© Jens Tremmel
Die Autoren, die sich explizit gegen Kolonialismus geäußert hätten, seien an einer Hand abzuzählen, erklärt Literaturarchiv-Leiterin Richter. Kurt Tucholsky gehört dazu. Er wandte sich gegen Hans Grimm, der in seinem Besteller "Volk ohne Raum" von 1929, eines der Lieblingsbücher von Adolf Hitler, erneut für den Gewinn von Kolonien in Afrika warb. Sandra Richter zitiert aus Tucholskys Rezension: "Die Kolonien führen uns ökonomisch und auch sonst nicht weiter. Es ist einfach nur ein barbarischer Akt, solche zu nehmen."
(abr)

Die Ausstellung "Narrating Africa. Eine Open-Space-Ausstellung" ist noch bis zum 22. November 2020 im Literaturmuseum der Moderne in Marbach zu sehen.

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