Narzistische Jünglinge und feminine Träumer
Seit Jahren zeigt das "Haus der Photographie" in Hamburg immer wieder Ausstellungen mit schönen Frauen. Nun folgen auf die Traumfrauen die Traummänner. "50 Starfotografen zeigen ihre Version vom Ideal" - so der Untertitel einer Ausstellung mit verwegenen, androgynen, schwachen und sexy Männerbildern.
Ende 2008 lockte die Ausstellung "Traumfrauen" zahlreiche Neugierige in die Deichtorhallen. Zu sehen waren damals viele viele schöne und erotische Hüllen. Zwei Tage nach dem Internationalen Frauentag dreht sich nun alles um "Traummänner". - Folgt jetzt die Rache der Frau?
"Auf jeden Fall Rache! Ja, das ist richtig ausgedrückt."
Nadine Barth, Kuratorin der Ausstellung.
"Ich fand, dass es mal Zeit wird, dass jetzt die Männer ranmüssen. Die Männer müssen sich jetzt auch mal entblößen. Und sie müssen zeigen, was sie drauf haben."
Sie versuchen dies vor den Kameras berühmter Werbefotografen und -fotografinnen wie Bryan Adams, Pamela Hanson, Peggy Sirota, Michelangelo di Battista: George Clooney und Brad Pitt, Matt Dillon und John Malkovich sowie viele unbekannte Männer posieren mal cool, mal ironisch. Mal nackt, mal verkleidet.
Barth: "Was mich erstaunt hat war, dass es eben nicht vordergründig um Körperlichkeit geht. ... Vor 20 oder 30 Jahren wäre diese Ausstellung ganz ganz anders gewesen. Da hätten wir wirklich mehr Typen gehabt, die da stehen, eine körperliche Präsenz haben, ihre Muskeln zeigen, und dann vielleicht noch so ein amerikanisches Lächeln im Gesicht mit makellosen Zähnen. Solche Bilder findet man nicht in der Ausstellung. Was man eben findet sind einfach Männer, die mehr Charakter, Charisma zeigen."
Der "Traummann" dümpelt als Neptun in den Wellen des Ozeans. Er ist verkleidet als Spiderman. Er schlendert als Geschäftsmann durch New York. - Man sieht Roman Polanski und Julian Schnabel miteinander herumalbern. Oder Johnny Depp und Tim Burton in einem schäbigen Zimmer die coolen Typen mimen.
"Also, es klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig, aber das Besondere an der Ausstellung ist, dass die Ausstellung ja lediglich über die Bildebene funktioniert für den Betrachter."
Ingo Taubhorn, Mitkurator der Ausstellung und Leiter des Hauses der Fotografie.
"Das heißt: Er geht hier in eine Ausstellung, mit einer eigenen Vorstellung von dem, was für ihn Traum und Mann bedeutet - und wird hier eben mit ganz unterschiedlichen Positionen konfrontiert. ... Und der große Spaß an der Ausstellung ist, wenn der Besucher eben mit seinen Freunden und Freundinnen reingeht, und vor den Bildern den Dialog oder sogar den Streit entfachen sieht, was jetzt für sie Begriffe wie 'Ideal', 'Schönheit' usw. zu bedeuten haben."
Und so flaniert man vorbei an John Malkovich im Bademantel, an einem kernigen Tom Cruise mit geöffnetem Hemd, einem zum Angriff bereiten Vincent Kassel. Narzistische Jünglinge führen ihre Waschbrettbäuche vor, es gibt feminine Träumer, diverse Schwänze ...
"Frau Schneider, ich möchte Sie korrigieren. Es wäre ja schön, wenn ich viele Schwänze in dieser Ausstellung sehen würde. Ich sehe nur einen einzigen. Und dieser Schwanz ist so dermaßen kümmerlich, und so dermaßen dunkel gehalten, dass Mann schon fast Kastrationsangst bekommt! Was ich in der Ausstellung vermisse, ist eine gewisse Art von Radikalität. Ich vermisse Humor. Ich vermisse den wirklich spielerischen Rollentausch."
Herr Taubhorn! Ist es vielleicht witzig, wenn ich als Frau in der Werbung ständig auf einen erotischen Kleiderständer reduziert werde? Dagegen wirkt das Männerbild geradezu facettenreich: Immerhin gibt es da den intellektuell-vergeistigten Typ, wie Spike Lee, der an einem sonnigen Tag an einem Fahrrad lehnt und die L'Unità liest. Und die, die ihren Körper präsentieren.
"Aber an dieser Art der Darstellung hat sich eigentlich über die Jahrhunderte überhaupt nichts verändert, ja!"
Und was hat sich an der Darstellung der Frau verändert?
Außerdem sind da noch diese Zwischenkerle: Benno Fürmann mit geschlossenen Augen als gefühlvoller Sanfter. Typen wie David Beckham ...
"Das ist auch eine Entdeckung der Werbeindustrie, die eben gesagt hat: 'Gut, heute will der Mann eben auch seine Haare färben, heute will der Mann eben auch seine Augenbrauchen nachschwärzen.' ... Das kann man heute mit gutem Gewissen präsentieren, und dafür haben wir auch einen Namen gefunden: 'Meterosexueller Mann'. Wow!"
Aber genau damit, Herr Taubhorn!, erfüllen die Fotografen aus Lifestyle, Kosmetik und Mode doch ihre Aufgabe: Sie präsentieren - vermeintlich facettenreich - nichts als glatte Oberfläche. P r o d u k t e. Und weil ständig Neues her muss, verleiben sie sich selbst gesellschaftskritische Momente ein: Sie machten Punk zur Ware. Und nun verwandeln sie die von Schwulen- und Frauenbewegung erkämpften Rechte und Freiheiten um neue Lebensentwürfe und Ausdrucksweisen in Produkte: Mann darf auch weich sein, darf sich auch schminken.
Solange es Politikern, Unternehmern und Medienvertretern immer wieder gelingt, sich gesellschaftliche Gegenentwürfe einzuverleiben, solange bleiben auch die Bilder von "Traumfrauen" und "Traummännern" die alten. Um dies hinter den vordergründig so unterschiedlichen "Traummännern" zu erkennen, muss man genau hingucken. Dann kann am Schluss des Rundgangs die Erkenntnis stehen:
Taubhorn: "In diesen Rollen hat sich nichts geändert! Nichts! Aber wirklich auch keinen Moment!"
"Auf jeden Fall Rache! Ja, das ist richtig ausgedrückt."
Nadine Barth, Kuratorin der Ausstellung.
"Ich fand, dass es mal Zeit wird, dass jetzt die Männer ranmüssen. Die Männer müssen sich jetzt auch mal entblößen. Und sie müssen zeigen, was sie drauf haben."
Sie versuchen dies vor den Kameras berühmter Werbefotografen und -fotografinnen wie Bryan Adams, Pamela Hanson, Peggy Sirota, Michelangelo di Battista: George Clooney und Brad Pitt, Matt Dillon und John Malkovich sowie viele unbekannte Männer posieren mal cool, mal ironisch. Mal nackt, mal verkleidet.
Barth: "Was mich erstaunt hat war, dass es eben nicht vordergründig um Körperlichkeit geht. ... Vor 20 oder 30 Jahren wäre diese Ausstellung ganz ganz anders gewesen. Da hätten wir wirklich mehr Typen gehabt, die da stehen, eine körperliche Präsenz haben, ihre Muskeln zeigen, und dann vielleicht noch so ein amerikanisches Lächeln im Gesicht mit makellosen Zähnen. Solche Bilder findet man nicht in der Ausstellung. Was man eben findet sind einfach Männer, die mehr Charakter, Charisma zeigen."
Der "Traummann" dümpelt als Neptun in den Wellen des Ozeans. Er ist verkleidet als Spiderman. Er schlendert als Geschäftsmann durch New York. - Man sieht Roman Polanski und Julian Schnabel miteinander herumalbern. Oder Johnny Depp und Tim Burton in einem schäbigen Zimmer die coolen Typen mimen.
"Also, es klingt jetzt vielleicht etwas merkwürdig, aber das Besondere an der Ausstellung ist, dass die Ausstellung ja lediglich über die Bildebene funktioniert für den Betrachter."
Ingo Taubhorn, Mitkurator der Ausstellung und Leiter des Hauses der Fotografie.
"Das heißt: Er geht hier in eine Ausstellung, mit einer eigenen Vorstellung von dem, was für ihn Traum und Mann bedeutet - und wird hier eben mit ganz unterschiedlichen Positionen konfrontiert. ... Und der große Spaß an der Ausstellung ist, wenn der Besucher eben mit seinen Freunden und Freundinnen reingeht, und vor den Bildern den Dialog oder sogar den Streit entfachen sieht, was jetzt für sie Begriffe wie 'Ideal', 'Schönheit' usw. zu bedeuten haben."
Und so flaniert man vorbei an John Malkovich im Bademantel, an einem kernigen Tom Cruise mit geöffnetem Hemd, einem zum Angriff bereiten Vincent Kassel. Narzistische Jünglinge führen ihre Waschbrettbäuche vor, es gibt feminine Träumer, diverse Schwänze ...
"Frau Schneider, ich möchte Sie korrigieren. Es wäre ja schön, wenn ich viele Schwänze in dieser Ausstellung sehen würde. Ich sehe nur einen einzigen. Und dieser Schwanz ist so dermaßen kümmerlich, und so dermaßen dunkel gehalten, dass Mann schon fast Kastrationsangst bekommt! Was ich in der Ausstellung vermisse, ist eine gewisse Art von Radikalität. Ich vermisse Humor. Ich vermisse den wirklich spielerischen Rollentausch."
Herr Taubhorn! Ist es vielleicht witzig, wenn ich als Frau in der Werbung ständig auf einen erotischen Kleiderständer reduziert werde? Dagegen wirkt das Männerbild geradezu facettenreich: Immerhin gibt es da den intellektuell-vergeistigten Typ, wie Spike Lee, der an einem sonnigen Tag an einem Fahrrad lehnt und die L'Unità liest. Und die, die ihren Körper präsentieren.
"Aber an dieser Art der Darstellung hat sich eigentlich über die Jahrhunderte überhaupt nichts verändert, ja!"
Und was hat sich an der Darstellung der Frau verändert?
Außerdem sind da noch diese Zwischenkerle: Benno Fürmann mit geschlossenen Augen als gefühlvoller Sanfter. Typen wie David Beckham ...
"Das ist auch eine Entdeckung der Werbeindustrie, die eben gesagt hat: 'Gut, heute will der Mann eben auch seine Haare färben, heute will der Mann eben auch seine Augenbrauchen nachschwärzen.' ... Das kann man heute mit gutem Gewissen präsentieren, und dafür haben wir auch einen Namen gefunden: 'Meterosexueller Mann'. Wow!"
Aber genau damit, Herr Taubhorn!, erfüllen die Fotografen aus Lifestyle, Kosmetik und Mode doch ihre Aufgabe: Sie präsentieren - vermeintlich facettenreich - nichts als glatte Oberfläche. P r o d u k t e. Und weil ständig Neues her muss, verleiben sie sich selbst gesellschaftskritische Momente ein: Sie machten Punk zur Ware. Und nun verwandeln sie die von Schwulen- und Frauenbewegung erkämpften Rechte und Freiheiten um neue Lebensentwürfe und Ausdrucksweisen in Produkte: Mann darf auch weich sein, darf sich auch schminken.
Solange es Politikern, Unternehmern und Medienvertretern immer wieder gelingt, sich gesellschaftliche Gegenentwürfe einzuverleiben, solange bleiben auch die Bilder von "Traumfrauen" und "Traummännern" die alten. Um dies hinter den vordergründig so unterschiedlichen "Traummännern" zu erkennen, muss man genau hingucken. Dann kann am Schluss des Rundgangs die Erkenntnis stehen:
Taubhorn: "In diesen Rollen hat sich nichts geändert! Nichts! Aber wirklich auch keinen Moment!"