Cumbia, Chansons und Zauberei
Die argentinische Sängerin Natalia Doco lebt seit einigen Jahren in Frankreich. Ihr neues Album "El Buen Gualicho" spiegelt die französischen Einflüsse wider, denn hier finden sich Chansons neben Cumbia und traditionellen Liedern der Inka.
Französische Weltmusik-Fans könnten ihr Gesicht und ihre Stimme bereits von der Videoplattform Youtube kennen: Mit selbstgefilmten Coverversionen von The Police oder Amy Winehouse wurde Natalia Doco vor allem in Frankreich bekannt.
Ihr Debüt-Album nahm sie mit dem Produzenten Jacques Ehrhart auf, der bereits mit der erfolgreichen Sängerin Camille zusammenarbeitete. Dennoch war die 35-Jährige unzufrieden, suchte nach einer eigenen Handschrift und einem individuelleren Sound.
"Mein erstes Album bestand nur zur Hälfte aus meinen Ideen. Der Rest waren Zugeständnisse an meinen damaligen Produzenten. Mein neues Album spiegelt hingegen meine ganze Persönlichkeit wieder: Von der künstlerischen Vision über die Aussagen der Texte bis hin zum Albumcover."
Der gute Zauber
Auf dem Cover ist Natalia Doco vor einer psychedelisch-wirkenden Wüstenlandschaft abgebildet. Sie sitzt im Schneidersitz, die Augen geschlossen; trägt eine Art Traumfänger um den Hals. Auch der Albumtitel ist eine Anspielung auf die Spiritualität der Sängerin: "El Buen Gualicho" heißt soviel wie "der gute Zauber".
"Das Titelstück bezieht sich auf ein Ritual, das ich eines Nachts vollzog. Ich durchlief gerade eine schwierige Phase, war von meinem damaligen künstlerischen Weg enttäuscht. Also schrieb ich all meine negativen Gedanken auf ein Blatt Papier, verbrannte es und übergab die Asche zur Hälfte dem Wind, zur Hälfte dem Wasser. Danach kam mir sofort dieses Stück in den Sinn! Deshalb heißt der Song 'El Buen Gualicho', der gute Zauber, denn er entstand auf geradezu magische Weise."
Für die Texte ihres neuen Albums ließ sich Natalia Doco von der Natur inspirieren: Sie lebt seit einigen Jahren im Umland von Paris in einem Haus im Wald. Auch die karge Landschaft Südamerikas sei beim Komponieren präsent gewesen, sagt sie.
Das Beste aus verschiedenen musikalischen Welten
Passenderweise nahm Doco die Songs dann auch in Buenos Aires auf, zusammen mit dem argentinischen Jazz-Musiker Axel Krygier.
"Dieses Album sollte nach dem antiken Lateinamerika klingen, nach kubanischem 'Son', langsam und sexy; aber auch nach französischem Chanson. Zur gleichen Zeit sollte auch die Musik des Balkans herauszuhören sein, denn wir verwendeten viele Blasinstrumente wie Trompeten und Posaunen, die Axel Krygier sehr mag. Die Songs zeigen wirklich das Beste aus unseren beiden musikalischen Welten."
Auch wenn Doco seit einigen Jahren in Frankreich lebt, so ist sie doch tief verwurzelt in der lateinamerikanischen Musikkultur. Mit "El Buen Gualicho" habe sie sich auf die Suche nach ihrem musikalischen Erbe machen wollen, sagt sie. Die Songs zitieren Cumbia und indigene Rhythmen: Das letzte Stück "La Ultima Canción" ist eine "Copla"; eine Liedform, die auf die traditionelle Musik der Inkas zurückgeht.
"In 'La Ultima Canción' spiele ich auf einer runden Handtrommel, die ursprünglich in schamanischen Ritualen verwendet wurde. Die Urform der 'Coplas' entstand lange vor der Kolonialisierung Südamerikas: Es waren zeremonielle Gesänge, die von Frauen gesungen wurden; denn die Frau hatte bei den Naturvölkern eine hohe Stellung - als Mutter und Kundige der Natur. Frauen sangen ihre 'Coplas' zu Ehren der Mutter Erde."
Modernes und spirituelles Weltmusik-Album
Mit "El Buen Gualicho" ist Natalia Doco ein gleichzeitig modernes und spirituelles Weltmusik-Album gelungen, das durch die ungewöhnlichen Arrangements eine psychedelisch-jazzige Note erhält.
Die gebürtige Argentinierin ist eine global denkende Musikerin, die längst nicht nur die südamerikanische Tradition aufgreift: Unter den 14 Songs finden sich auch einige französischsprachige Stücke, die an den "Nouvelle Chanson" erinnern.
Damit dürfte Natalia Doco nicht nur endlich bei sich selbst, sondern auch in ihrer Wahlheimat Frankreich angekommen sein.
"Als ich 2012 nach Frankreich zog, begann ich auf französische Art und Weise zu leben. Ich träume manchmal auf Französisch, manchmal auf Spanisch. Es ist so, als sei mein Gehirn bereits völlig auf diese beiden Sprachen eingestellt …"