National Concert Hall in Dublin

Musik vom grünen Rand Europas

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Die irische Komponistin Ina Boyle © https://www.rte.ie/
Die National Concert Hall in Dublin ist Irlands bekanntester Ort für klassische Musik. Dort erklingen Werke der irischen Komponisten Ina Boyle, Charles Villiers Stanford und John Buckley - aufgeführt vom besten Orchester des Landes.
National Concert Hall Dublin
Aufzeichnung vom 01.02.2019
Charles Villiers Stanford
Irish Rhapsody Nr. 2 ("The Lament for the Son of Ossian")
John Buckley
Konzert für Orgel und Orchester
Ina Boyle
Sinfonie Nr. 1 ("Glencree")

Charles Villiers Stanford (1852-1924) entstammte einer wohlhabenden und sehr musikliebenden irischen Familie und wuchs in Dublin auf. Sein Musikstudium führte ihn zunächst nach London und Cambridge, später nach Leipzig zu Carl Reinecke und nach Berlin zu Friedrich Kiel. Ab 1883 wirkte er als Professor für Komposition in London und Cambridge. Stanfords Werkverzeichnis umfasst ca. 200 Kompositionen, darunter allein sieben Opern, sieben Sinfonien, andere Orchesterwerke, Kammermusik, 40 Chorwerke und hunderte von Liedern.
Charles Villiers Stanford gilt - gemeinsam mit Edward Elgar - als Erneuerer der englischen Musik. In seinen Kompositionen gelang es ihm, Einflüsse der deutschen Romantik mit Melodien der lebendigen Volksmusik seiner irischen Heimat zu verbinden. Er hinterließ mehrere Lehrwerke zu Komposition und Musikgeschichte und umfangreiche Memoiren. Er war außerdem ein gefragter Dirigent.
Die zweite seiner sechs "Irischen Rhapsodien" aus dem Jahr 1903 ist reich an volksmusikalischen Anklängen. Der im Untertitel genannte gälische Sänger Ossian, Sohn des Königs Fingal, soll im 3. Jahrhundert n. Chr. im schottischen Hochland gelebt haben. Seine epischen Dichtungen wurden im 18. Jahrhundert "wiederentdeckt". Johann Gottfried Herder bezeichnete Ossian als "Homer des Nordens" und empfahl Goethe die Lektüre, der prompt einige Szenen in seinen "Werther" aufnahm. Ende des 19. Jahrhunderts stellten sich die Ossianischen Dichtungen als Fälschungen bzw. Erfindungen eines schottischen Dichters heraus. Da sie aber reich an Heldengeschichten sind, übten sie einen starken Einfluss auf die Dichter des "Sturm und Drang" sowie zahlreiche Maler und Komponisten aus. So sind allein 300 Kompositionen nach Stoffen Ossians nachgewiesen, u.a. von Johannes Brahms und Franz Schubert.
Stanford bezieht sich in seiner "Zweiten Irischen Rhapsodie" auf Episoden, in denen Ossians Sohn Oscar in einer Schlacht fällt, sein Vater nach Rache verlangt und Oscar begraben wird. Drei bekannte irische Lieder sind in das musikalische Gewebe eingearbeitet; eins davon hatte Stanford selbst 1882 in einer Volksliedsammlung veröffentlicht. Die Stimmung der Rhapsodie ist eher düster gehalten, was dem Erfolg des Werkes bei seiner Uraufführung 1903 eher abträglich war.
Der irische Komponist Charles Villiers Stanford,1921
Der irische Komponist Charles Villiers Stanford,1921© http://www.thestanfordsociety.org/charles-villiers-stanford/photos/
John Buckley, geboren 1951, wuchs in der Provinz Limerick auf und lernte zunächst, traditionelle irische Musik auf dem Knopf-Akkordeon zu spielen. Später studierte er die Fächer Flöte und Komposition in Dublin und setzte seine Studien in Wales fort. In seinem Frühwerk hatte Buckley häufig keltische Einflüsse verarbeitet. Eine Begegnung mit John Cage während eines Sommerkurses im Jahr 1981 hinterließ einen tiefen Eindruck auf den jungen Komponisten und seitdem ist ihm auch die Musik von Luciano Berio, Witold Lutoslawski, György Ligeti und Olivier Messiaen wichtig geworden. Das Werkverzeichnis von John Buckley umfasst heute annähernd 100 Werke aller Gattungen.
Sein Konzert für Orgel und Orchester entstand als Auftragwerk für die Einweihung der Orgel in der neuen National Concert Hall in Dublin und wurde im Juni 1992 dort uraufgeführt. Das Konzert ist in einem Satz gehalten, und gliedert sich in drei Abschnitte mit den Titeln "Toccata 1", "Adagio" und "Toccata 2". Die erste Toccata ist geprägt von hoher Energie, rhythmischer Vitalität und explosiven Gesten im Orchester. Der Adagio-Mittelteil ist langsam und lyrisch gehalten, mit einigen Reminizenzen an den ersten Abschnitt, und die zweite Toccata ist eine variierte Rekapitulation der ersten. Eine Coda bringt das Werk zum Abschluss. John Buckley hat sich einmal folgendermaßen über sein Schaffen geäußert:
"Komposition ist ein Versuch, flüchtige innere Bilder und Vorstellungen zu verstehen und ihnen eine expressive Form zu verleihen. Meine Musik beschäftigt sich mit Bewegung und Stillstand, mit explosiver Energie und lyrischer Reflexion, mit dem Spiel von Klang und Zeit."
Der irische Komponist John Buckley am Schreibtisch
Der irische Komponist John Buckley am Schreibtisch© http://www.johnbuckleycomposer.com / Edmund Ross
Ina Boyle (1889-1967) war eine Schülerin von Ralph Vaughan Williams. Dennoch wird ihre Musik selten gespielt, nur wenige ihrer Partituren sind überhaupt veröffentlicht. Dabei war sie war die erste irische Frau, die Sinfonien und Konzerte komponiert hat.
Ina Boyle verbrachte ihr ganzes Leben in Enniskerry, einem kleinen Ort südlich von Dublin zwischen der Ostküste Irlands und den Wicklow-Bergen, die heute ein Nationalpark sind. Ihren ersten Musikunterricht erhielt sie von ihrem Vater, der als Hilfspfarrer arbeitete und in seiner Freizeit Geigen baute, und von der Hauslehrerin. Ina Boyle lernte Geige und Cello und begann schon als Kind zu komponieren. Ab ihrem elften Lebensjahr erhielt sie privaten Unterricht in Musiktheorie und Harmonielehre und briefliche Unterweisungen von dem in Cambridge lehrenden Komponisten Charles Wood, mit dem sie verwandt war. Auch in Dublin nahm sie Unterricht, u.a. bei dem englischen Komponisten Percy Buck.
1913, im Alter von 24 Jahren, errang sie erste Erfolge bei einem Kompositionswettbewerb mit ihrer "Elegy" für Violoncello und einer Liedvertonung nach einem Gedicht von Walt Whitman. 1920 gewann Ina Boyle mit ihrer Orchester-Rhapsodie "The Magic Harp" einen Wettbewerb des Carnegie UK Trust, als Preis wurde diese Partitur veröffentlicht. Dass ihr dies als erster Frau gelungen war, brachte sie auf die Titelseiten der Londoner Zeitungen. Von 1923 bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges konsultierte sie Ralph Vaughan Williams in London, der große Stücke auf sie hielt. Für diesen Unterricht reiste sie regelmäßig mit dem Dampfschiff über die Irische See. Williams ermutigte sie stets, weiterhin zu komponieren und ihre Werke an Dirgenten, Chorleiter und Verlage zu schicken. So schrieb er im Mai 1937 der damals 48-jährigen Komponistin einen freundschaftlich-aufmunternden Brief. Darin heißt es:
"Ich denke, es ist sehr mutig von Dir, weiterzumachen, obwohl Du so wenig Anerkennung bekommst. Ich kann dazu nur sagen: eines Tages wirst Du sie bekommen."
Ina Boyle lebte zurückgezogen in ihrem Elternhaus, kannte wenige Menschen im Musikgeschäft und war ein sehr scheuer Mensch. Sie setzte jedoch das Komponieren ihr ganzes Leben lang unbeirrt fort. Heute schlummern ihre Manuskripte im Trinity College in Dublin.
Die erste Sinfonie von Ina Boyle ist in den Jahren 1924-1927 enstanden, zwei weitere Sinfonien folgten. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass diese Sinfonie gemeinsam mit anderen Werken der irischen Komponistin auf Tonträger veröffentlicht wurde, das "BBC Concert Orchestra" hat sie eingespielt. Die Sinfonie trägt den Untertitel "Glencree (In the Wicklow Hills)" und dieses "Glencree" ist der Name eines Tales in der Nähe des Dorfes Enniskerry, in dem die Komponistin gelebt hat. Ina Boyle hat sich darin ganz auf die Schilderung der landschaftlichen Eigenarten der Gegend konzentriert: Im ersten Satz versetzt sie uns auf einen großen Hügel, den Lacken Hill, der zweite Satz heißt "Nachtwinde im Tal", und im dritten Satz werden wir mitgenommen zu einem Aussichtspunkt, von dem aus zwei hochgelegene Zwillingsseen zu sehen sind.
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Die irische Komponistin Ina Boyle© http://www.inaboyle.org/
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