Feiern trotz Terrorangst?
Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wird am Donnerstagabend in Brüssel das Feuerwerk zum belgischen Nationalfeiertag stattfinden. Trotz Terrorangst wollen viele Belgier feiern. Unsere Brüsseler Korrespondentin Annette Riedel überlegt noch, ob sie hingeht.
Ein alljährlicher Höhepunkt des belgischen Nationalfeiertags ist das Feuerwerk vor dem Königsschloss mitten in Brüssel. Ein wahres Kunstwerk der Pyrotechnik, passend zur Musik. So wie hier 2015:
Als Brüssel-Korrespondentin habe ich es mir in den vergangenen Jahren selten entgehen lassen. Dieses Jahr habe ich noch nicht entschieden, ob ich mich heute Abend in die Menge stellen will. Was die Terror-Anschläge im März vielleicht nicht geschafft hatten, bewirkt nun die mörderische Attacke von Nizza auf Menschen, die ein Feuerwerk genossen hatten, ausgerechnet am französischen Nationalfeiertag. Das schreckt ab und deshalb weiß ich noch nicht, ob ich dem Aufruf des Polizeichefs von Brüssel-Ixxelles, Guido Van Wymersch folge, der die Menschen ausdrücklich eingeladen hat, trotz allem massenhaft zu den zahllosen Aktivitäten des Tages und des Abends zu kommen.
"Wir müssen beweisen, dass wir normal weiterleben. Aber wenn Sie alle Ihre Handtaschen und Ihre Rucksäcke zuhause lassen, erleichtern Sie uns die Arbeit. Es wird viele Absperrungen geben und die Besucher werden zu den wenigen Eingängen mit Leibesvisitationen kanalisiert."
An diesem Tag ist das zerstrittene Land eins
In Brüssel wird der 21. Juli begangen mit Gottesdienst, Militär-Parade, Schauflügen der Luftwaffe, zahllosen Konzerten, kulinarischen Meilen, Kunst und Kultur zwischen Königspalast und Justizpalast. Immer lassen sich Mitglieder der königlichen Familie überall sehen. Aber der 21. Juli ist traditionell mehr als nur ein großes Fest in Belgien: Selten ist der Belgier belgischer als am Nationalfeiertag. Außer wenn die belgische Fußballmannschaft spielt natürlich. Sonst meist sauber entlang der Sprachgrenzen geteilt, manchmal zerstritten, feiern Wallonen, Flamen, deutschsprachige Belgier diesen Tag in einem Meer von Schwarz, Gelb, Rot: Hüte in den Nationalfarben, Schals, Schirme, T-Shirts, Fähnchen. Vor allem in der belgischen Hauptstadt. Man ist am 21. Juli stolz, Belgier zu sein, so wie Manuel.
"Je suis fier être belge. Vive la Belgique. »
Das sagte der belgische Familienvater im vergangenen Jahr, Juli 2015, ins Mikrofon. Schon damals waren die Sicherheitsmaßnahmen im Umfeld der zahllosen Aktivitäten für Groß und Klein in der Brüsseler Innenstadt hoch. Alarmstufe 2 von 4; mit Scharfschützen auf manchen Dächern, zahllosen Soldaten und Polizisten im Einsatz. Und da hatte es noch nicht die tödlichen Terroranschläge auf das Nachtleben von Paris im November, die Terrorattacken von Brüssel im März und jetzt in Nizza gegeben. Aber die Brüsseler wollen feiern. Auch jetzt, vielleicht jetzt erst recht.
Der "Death Ride" fällt aus
Nur auf wenige Aktivitäten wird heute verzichtet, sagt Carine Verstraeten, eine der Organisatoren der Festivitäten in Brüssel. Der beliebte sogenannte "Death Ride", ein Trip am Drahtseil vom Dach des Arbeitsgerichts hinunter auf den Platz vor dem Justizpalast, der musste abgesagt werden, weil er zu viele Polizisten gebunden hätte, die anderswo gebraucht werden. Die Zahl von 1400 Soldaten in der Hauptstadt ist auf rund 1800 noch einmal erhöht worden. Die aktuelle Alarmstufe 3 von 4 bleibt. Bis auf weiteres. Denn, so Justizminister Jambon, es bestünde zwar weiter eine hohe Anschlagsgefahr, aber es liegen keine Erkenntnisse über eine konkrete Bedrohung vor.
"Die jüngsten Anschläge richteten sich alle gegen 'weiche Ziele'. Wir haben die Sicherheitsrisiken für den Feiertag genau analysiert. Die Brüsseler Polizei hat um Verstärkung gebeten und die haben wir ihr zugestanden."
Der Anschlag von Nizza hat den Blick auf mögliche Gefahren noch einmal verändert.
"Wir haben Übungen zu allen möglichen Szenarien gemacht. Ja, auch ein Anschlag mit einem Auto oder einem Lastwagen, die in eine Menschenmasse rasen, gehört dazu."
Für die eigenen Werte geradestehen
Tagelang hatten sich alle belgischen Medien ausführlich mit dem Nationalfeiertag befasst – natürlich immer wieder mit Sicherheitsfragen. Aber, wie gesagt, Belgien will sich seinen Feiertag nicht verderben lassen, hatte auch noch mal der belgische Premier Michel betont.
"Wir kämpfen für die Sicherheit, aber wir müssen ebenso für die Werte gerade stehen, die uns zusammenbringen und vereinen."
Vielleicht sollte auch ich tatsächlich doch, wie all die Jahre zuvor, demonstrativ zum Feuerwerk heute Abend gehen.