Anton Pelinka: Israel. Ausnahme- oder Normalstaat
Braumüller Verlag, Wien 2015
250 Seiten, Hardcover: 21,90 Euro, Ebook: 18,99 Euro
"Israels Zukunft nicht vom Holocaust abhängig machen"
Ist Israel ein Staat wie jeder andere – oder aufgrund seiner Entstehungsgeschichte, des Holocausts und der feindlichen Nachbarländer mit keiner anderen Demokratie vergleichbar? Der Politologe und Buchautor Anton Pelinka gibt eine unmissverständliche Antwort.
Die Umstände des Staates Israel sind alles andere als gewöhnlich: Von der bitteren Erfahrung des Holocausts bis zur geografischen Lage als einzige Demokratie im Nahen Osten. Ist Israel ein Ausnahmestaat oder ein Normalstaat? Diese Frage stellt Anton Pelinka in seinem jüngsten Buch. Der Wiener Sozialwissenschaftler und Politikwissenschaftler ist in Budapest Professor für Nationalismusstudien und zu Gast in der Lesart.
Warum wird Israel immer mit Europa verglichen?
Debatten um Israel und um Israels Politik gerieten oft sehr grundsätzlich, oft schwarzweiß, schreibt Pelinka. Meinungen und Urteile seien oft geprägt von Doppelmoral. Das beginne schon damit, dass Israel stets mit den Demokratien Europas oder mit den USA verglichen würden. Warum eigentlich nicht mit den Nachbarstaaten der Region, fragt Pelinka. So oder so schneide Israel bei sehr vielen Entwicklungsfaktoren und Fragen der Demokratie recht gut ab. Zwar sei die Kritik etwa an Besatzung und Siedlungspolitik gerechtfertigt. Wenn aber die Kritiker gleichzeitig ignorierten, dass die Nachbarstaaten der Region weitaus größere Menschenrechtsverletzungen begingen, dann stelle sich die Frage, ob diese Einseitigkeit womöglich doch antisemitisch motiviert sei.
Israel sehe sich zwar selbst oft als Ausnahmestaat. Das Opfernarrativ diene als gesellschaftlicher Kitt. Pelinka empfiehlt Israel jedoch, sich von der eigenen Sonderrolle zu verabschieden. Israel könne sich nicht von der Erinnerung an den Holocaust verabschieden, aber vom Anspruch, wegen dieser Holocaust-Erfahrung einen besonderen Ausnahmestatus zu haben: "Der Holocaust ist Geschichte, und Israel hat eine Zukunft. Die sollte nicht primär vom Holocaust bestimmt sein."