Leonardo soll im Lande bleiben
Der Louvre will ab September 2019 eine große Schau zum 500. Todesjahr von Leonardo da Vinci zeigen. Die Rechtspopulisten in Italien stellen aber nun einen bereits geschlossenen Vertrag zum Entleihen von Werken da Vincis in Frage.
"Leonardo beschrieb seine Erfindungen so präzise, in Text und Bild, dass man beim Lesen seiner Schriften genau begreift, wie diese Erfindungen funktionieren. Wenn er heute leben würde, dann wäre er sicherlich der fantastischste Erfinder überhaupt".
Paolo Galluzzu ist Wissenschaftshistoriker und Kurator einer Ausstellung, die bis Ende Januar in den Florentiner Uffizien besichtigt werden kann. Vorgestellt wird Leonardo da Vinci als Erfinder. Diese Leonardo-Schau eröffnet offiziell den Reigen von Ausstellungen, die in Italien an den 500. Todestag des Genies am 2. Mai 1519 erinnern sollen.
Größte da Vinci-Schau im Pariser Louvre
Doch die größte Ausstellung zum Schaffen Leonardos wird man nicht in seinem Geburtsland, sondern in dem Land, in dem er seine letzten Lebensjahre verbrachte und auch starb, zu sehen bekommen: in Frankreich, im Pariser Louvre. Ein Unding, meint jetzt Lucia Bergonzini, Staatssekretärin im italienischen Kulturministerium: "Die wollen doch tatsächlich alles haben, was es von Leonardo in Italien zu sehen gibt. Das ist doch absurd!".
Bergonzoni gehört der rechtsradikalen Regierungspartei Lega an. Wie ihr Parteichef Matteo Salvini, er ist auch Italiens Innenminister, ist sie auf Frankreich gar nicht gut zu sprechen. Dass sich die Franzosen erlauben, die Italiener in Sachen Einwanderungs- und Finanzpolitik zu kritisieren, findet sie skandalös und arrogant. Mindestens ebenso arrogant findet Lucia Bergonzoni von der Lega das Auftreten der Franzosen in Sachen Kultur:
"Kulturpolitische Jubiläen liegen in meinem Aufgabenbereich. Und das bedeutet, dass ich angesichts der Ansprüche Frankreichs in Sachen Leonardo da Vinci nein sage!".
Kunstmagazin fürchtet um den Ruf Italiens
Im September 2017 verpflichtete sich der damals noch sozialdemokratische Kulturminister sämtliche in Staatsbesitz befindlichen Werke Leonardos dem Louvre für seine Ausstellung zu entleihen - bis auf die "Anbetung der Heiligen Drei Könige" in den Uffizien: ein Gemälde, das nicht transportiert werden kann. Der Louvre verpflichtete sich im Gegenzug alle in seinem Besitz befindliche Gemälde Raffaels im Jahr 2020 nach Italien zu entleihen, für eine Jubiläums-Schau zum 500. Todesjahr es Malers.
Staatssekretärin Bergonzoni: "Als ich den zu unterzeichnenden Vertrag las, fiel mir auf, dass die Franzosen präzise Forderungen stellen, Bild für Bild, aber nicht bereit sind, uns mitzuteilen, welche Werke des Italieners Raffael in ihrem Besitz sie uns 2020 ausleihen wollen".
Vielleicht kommt es ja doch noch zu einem Vertrag. Vielleicht aber auch nicht. Italien drohe, so das italienische Kunstmagazin "Giornale dell’Arte", zu einem 'in Sachen Kunstleihgaben unsicheren, weil nationalistisch auftretenden Partner' zu werden.
Unsicherheit auf dem Kunstmarkt
Für Unsicherheit sorgt der neue italienische Kurs auch auf dem internationalen Kunstmarkt. So soll zum Beispiel ein im vergangenen Jahr vom damaligen italienischen Kulturminister genehmigter Verkauf eines Gemäldes von Francois Gérard aus dem Jahr 1820 an die New Yorker Frick Collection rückgängig gemacht werden, weil es sich um die Darstellung des römischen Prinzen Camillo Borghese handelt. Ein solches Gemälde, so wird jetzt argumentiert, sei ein nationales Kulturgut und hätte nie außer Landes gehen dürfen.
Auch andere bereits getätigte Verkäufe italienischer Kulturgüter sollen in diesem Sinn angefochten werden, klagt Giuseppe Calabi, Senior Partner der auf Kunsthandel spezialisierten Anwaltskanzlei CBM & Partners:
"Im Fall des Verkaufs von Gemälden von Künstlern, die seit mehr als 70 Jahren verstorben sind, verfügt der italienische Staat über umfassende Kontrollmöglichkeiten. Deshalb wird die Entscheidung des Ministeriums im Fall des Bildes von Gérard als Willkürakt interpretiert, der den Kunsthandel ins nichteuropäische Ausland in eine Krise stürzen könnte".
Salvinis Drohung
Innenminister Salvini würde am liebsten noch einen Schritt weitergehen auf dem nationalistischen Kulturkurs seiner Regierung: Er drohte bereits damit, dass Kunstwerke nicht-italienischer Künstler in italienischen Museen ja verkauft werden könnten, um mit dem Erlös die teuren Wahlversprechen seiner Regierung zu finanzieren. Mit dem Argument, so Salvini, dass in Italiens Museen vor allem italienische Kunst gezeigt werden sollte. Auf die Frage, ob nach seinem Verständnis Leonardos "Mona Lisa", die der Künstler persönlich mit nach Frankreich gebracht hatte, nicht in den Louvre, sondern nach Italien gehöre, gab der bärbeißige Innenminister keine Antwort. Doch sein Lächeln war vielsagend.