Nationalmannschaft

Kicken ohne Obdach

Zwei Jugendliche in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs an einem kalten Tag auf der Straße
Zwei Jugendliche in der Nähe des Hamburger Hauptbahnhofs an einem kalten Tag auf der Straße © picture-alliance/ dpa
Von Katrin Albinus |
Knapp zwölf Millionen Menschen leben in Deutschland abseits der Gesellschaft, weil ihnen das Geld fehlt. Auch Dennis Laws. Er ist einer der Spieler der deutschen Nationalmannschaft der Obdachlosen.
"Wie man sieht, schlafe ich noch auf der Couch. Ich hab noch keine richtig gemütliche Schlafecke. So wie es gewesen ist, hab ich die Wohnung ansatzlos übernommen, weil ich froh gewesen bin, ein eigenes Reich zu haben."
Seit drei Monaten hat Dennis Laws wieder eine Wohnung - zwei Zimmer, Küche, Bad. An den Wänden vergilbte Tapeten der Vormieterin, im Wohnzimmer die Couch mit einem Glastisch davor, ein Sideboard, ein Fernseher; Wäsche liegt herum. Der Einrichtung nach muss die Vormieterin eine ältere Dame gewesen sein.
"So gut wie alles, was hier steht, durfte ich übernehmen – war ich auch sehr froh drüber."
Zuvor lebt der 33-jährige einige Monate in einer Notunterkunft für Obdachlose, wegen Mietschulden musste er seine Wohnung räumen, erzählt er. Dennis Laws dreht sich eine Zigarette, während er durch die Wohnung führt. Er sieht aus wie viele junge Männer: kurzgeschorene schwarze Haare, Jeans, grau-weiß gestreiftes Polohemd - sportlich, gepflegt. Seit zwei Jahren ist er arbeitslos, lebt von Hartz 4.
"Wie man sieht ist die Küchenzeile demoliert undich hätte schon gerne ne schöne neue Arbeitsplatte. Oder ich streiche es einfach über. Ich weiß es noch nicht."
260 Euro im Monat
Doch auch für die Farbe fehlt das Geld, nur rund 260 Euro hat Dennis Laws im Monat für Strom, Telefon, Kleidung, Essen. Die Regelleistung von 392 Euro wurden ihm um 30 % gekürzt, da das Amt eine Zeitlang zu viel Geld ausgezahlt hatte, als er kurzfristig in Arbeit war.
"Und ein alter Vermieter hat auch noch Kosten geltend gemacht gegen michbeim Amt und somit sind die Probleme zustande gekommen."
Die Probleme beginnen für Dennis Laws allerdings eigentlich schon viel früher in seinem Leben, die ersten Lebensjahre in seiner Familie sind geprägt von Gewalt und Alkoholismus. Das Jugendamt schaltet sich ein und bringt ihn in einer Pflegefamilie unter.
"Was mir auf jeden Fall gut getan hat – das war so ein Reiterhof gewesen. Ich hatte dann auch ein eigenes Pony bekommen, hab dann viel in der Naturverbracht mit Pflegegeschwistern – ja und hab da ne schöne Jugend und Kindheit gehabt auf jeden Fall."
Mit 18 drängt es ihn aus den geordneten Verhältnissen, er lebt in verschiedenen Städten, fängt eine Lehre an, die er abbricht, macht erste Drogenerfahrungen mit Cannabis und Partydrogen. Mit 24 dann der zweite Anlauf zu einer Ausbildung, diesmal mit Erfolg – drei Jahre später schließt er seine Lehre zum Feinwerkmechaniker ab. Doch eine feste Anstellung gelingt anschließend nicht, er schlägt sich mit Zeitarbeit durch, ist schließlich arbeitslos.
Ein neuer Job
Eine Konstante aber gibt es in seinem Leben und die heißt: Fußball. Schon als Kind kickt er bei jeder Gelegenheit, das Fußball-Spielen hilft ihm auch nach einer Drogentherapie, wieder fit zu werden und Stabilität in sein Leben zu bringen.
Zurzeit geht es bergauf, heute fängt Dennis Laws einen neuen Job an – als Reinigungskraft in einer Grundschule. Auf dem Weg zum Bus kommt er auch an der Notunterkunft vorbei, wo er kürzlich noch lebte, sie liegt fast idyllisch in einem Park. Negative Gefühle kommen beim Anblick der Einrichtung aber nicht auf.
"Ich hab halt meine alte Wohnung verloren auf Grund von Mietrückständen und bevor ich nachher noch ne Räumungsklage am Hals hab, hab ich mir gedacht, versuche ich den Schaden so gering wie möglich zu halten, hab die Wohnung geräumt und hab das Glück gehabt, dass ich hier untergekommen bin. Dass man ein Bett hat und ein Dach überm Kopf und dass man nicht irgendwie auf der Straße rumlungern muss."
Mit seinem Zimmergenossen versteht er sich gut, oft kochen sie zusammen. Dennis Laws nutzt die Monate in der Unterkunft, um wieder aus der Misere herauszukommen, macht ein dreiwöchiges Praktikum bei einem U-Boote-Hersteller, wird danach aber nicht übernommen.
Im Oktober ist der World Cup in Chile
Bevor es zum neuen Job geht, hat er noch ein paar Minuten Zeit, setzt sich im Park auf den Rasen und erzählt von dem Highlight in seinem Leben: bei der deutschen Meisterschaft der Straßenfußballer wurde er vor ein paar Wochen ausgewählt im "Team Germany" mitzuspielen: der deutschen Nationalmannschaft der Wohnungslosen, in der auch mitspielen darf, wer kürzlich noch wohnungslos war.
Im Oktober fliegt das Team zum Homeless World Cup nach Chile - eine große Ehre, aber auch eine Herausforderung.
"In der Vergangenheit halt – sind mir so'n paar Fehler unterlaufen, dass ich so impulsiv bin, sowohl verbal, als auch körperlich und ich denke, das ist auch für mich auf jeden Fall eine gute Übungsplattform, loyal miteinander umzugehen. Und auch umgänglich zu sein."
Dass er das sein kann, scheint er aber schon bewiesen zu haben, sonst wäre er gar nicht ins Team aufgenommen worden - Voraussetzungen sind auch Fairness und Teamfähigkeit. Einmal darf man nur teilnehmen an so einer Weltmeisterschaft, Dennis Laws hofft, das Beste daraus machen zu können.
"Die Hoffnung hab ich schon, dass mir daraus Perspektiven entstehen dass ich z.B. die Möglichkeit bekomme, vielleicht den Trainerschein zu machen und das ist schon seit langem ein Wunsch von mir, vielleicht irgendwann mal in den nächsten Jahren, wenn ich gefestigt bin, und auch so in die Gesellschaft integriertbin, vielleicht irgendwann mal ne eigene Mannschaft zu betreuen."
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