Pathetischer Meilenstein einer neuen Museumspolitik
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Norwegen hat sich das teuerste und größte Museumsprojekt der nordischen Länder geleistet: das neue Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design in Oslo. Ein für Norwegen ungewöhnlicher Hingucker, wie unser Kritiker Nikolaus Bernau findet.
„Es ist für norwegische Verhältnisse wirklich ungewöhnlich pathetisch“, sagt Architektur- und Museumskritiker Nikolaus Bernau über das neu eröffnete Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design in Oslo.
Der von den deutschen Architekten Kleihues und Schuhwerk entworfene Bau ist ein 52.000 Quadratmeter großer, lang gestreckter, flacher Klotz aus Marmor und Gneis am Hafen von Oslo – in unmittelbarer Nachbarschaft zum ebenfalls klotzhaften Rathaus aus rotem Ziegelstein.
Das Sockelgebäude, das tief in die Erde gebaut werden musste, ist für die museale Nutzung vorgesehen, wie Bernau berichtet. Und obendrauf „gibt es eine große Lichthalle, die nachts von innen angestrahlt wird und wirklich wie so ein Leuchtfeuer in die Stadt reinwirken soll. Das ist sehr, sehr eindrucksvoll.“
"Gar nicht mal so teuer"
Auch innen sei alles sehr monumental: sehr breite Treppen, sehr lang gestreckte flache Foyers, riesige Garderoben und Kunstlicht. „Eine tolle Raumkomposition“, so Bernau, „aber eben auch eine sehr unnorwegische Architektur, weil sie so pathetisch ist.“
Dabei habe Norwegen in den vergangenen 200 Jahren seiner Architekturgeschichte wirklich darauf geachtet, sehr bescheiden und zurückhaltend zu wirken. „Deswegen fällt dieses Rathaus in Oslo auch immer wieder so auf. Deswegen fällt jetzt auch dieses Nationalmuseum so auf.“
Chronologische Ausstellung
Die Kosten für den Bau belaufen sich auf 600 Millionen Euro, was aus deutscher Perspektive, vergleicht man den Quadratmeterpreis mit den Kosten für das derzeit in Berlin im Bau befindliche Museum der Moderne gar nicht mal so teuer sei, findet Bernau.
Das neue Nationalmuseum gilt als Meilenstein einer neuen Museumspolitik. Dazu gehört auch das neue Konzept, wie Kunst präsentiert werden soll – und zwar chronologisch durch alle Epochen und Gattungen hindurch.
Ein Ansatz, der in US-Museen ganz normal, in Ansätzen im Centre Pompidou bereits probiert worden sei, in Deutschland aber noch undenkbar sei, erklärt Bernau. So hängen im Saal für mittelalterliche Kunst des Osloer Nationalmuseums Gipsabgüsse neben originaler Kunst.
(ckr)