"Jüdische Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland - Eine Spurensuche"
Von Lorenz Peiffer und Henry Wahlig
Werkstattverlag, 573 Seiten
Suche nach den Spuren jüdischer Vereine
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen Vereine mit dem Ausschluss jüdischer Mitglieder. Juden waren nun gezwungen, sich in eigenen Sportgruppen zu organisieren. Die Autoren Lorenz Peiffer und Henry Wahlig haben in ihrem Buch "Jüdische Fußballvereine im nationalsozialistischen Deutschland" nach Spuren gesucht.
Sechs Jahre haben sie an dem Buch gearbeitet. 200 Vereinsporträts sind es am Ende geworden - aus allen Ecken Deutschlands. Jüdische Fußballvereine. Warum gerade Fußball und nicht Handball oder Tennis?
Autor Henry Wahlig mit einer möglichen Erklärung:
"Fußball war anfänglich in einer ähnlichen Rolle wie die Juden selbst. Weil es als ausländisch galt als fremdländisch und das gab Handlungsspielräume, dass Juden in diesen Bereich vordringen konnten. Deshalb gab es unter anderem vor 1933 so viele jüdische Präsidenten, Spieler, Funktionäre im allgemeinen deutschen Fußball."
Bis 1933 war die Sportwelt in Deutschland noch halbwegs in Ordnung, waren jüdische Spieler ein selbstverständlicher Teil der Fußballkultur – wie Peiffer und Wahlig schreiben. Das änderte sich mit den Nationalsozialisten an der Macht. Auch ohne generelle Anordnung des DFB wurden die jüdischen Mitglieder aus den Vereinen gedrängt.
Nationalspieler Julius Hirsch vom Karlsruher FV und damals einer der Stars im deutschen Fußball kam seinem Rauswurf zuvor:
"Leider muss ich nun bewegten Herzens meinem geliebten KFV, dem ich seit 1902 angehöre, meinen Austritt anzeigen. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass es in dem heute so gehassten Prügelkinde der deutschen Nation auch anständige und vielleicht noch viel mehr national denkende und auch durch die Tat bewiesene und durch das Herzblut vergossene Juden gibt,"
Woher aber rührte der vorauseilende Gehorsam der bürgerlichen Sportvereine gegenüber den braunen Machthabern? Warum die eilfertige Trennung von den jüdischen Sportskameraden. Historiker Lorenz Peiffer
"Diejenigen, die Opposition hätten sein können, die waren in den Arbeiter- Turn und Sportvereinen. Und wenn wir uns die Geschichte anschauen, gerade die der deutschen Turnerschaft und teilweise auch des DFB's dann hat es einen unterschwelligen, teilweise um die Jahrhundertwende auch schon einen sehr offenen Antisemitismus gegeben und der ist dann eben nach 33 als es staatskonform gewesen ist, ist der dann aufgebrochen und hat dazu geführt, dass die Vereine ihre jüdischen Mitglieder rausgeschmissen haben."
Reger Spielverkehr, mit Meisterschaften
Betroffen waren viele Tausende. Genaue Zahlen gibt es nicht. Von 1933 an boten die wenigen bereits bekannten und die vielen neu gegründeten rein jüdischen Sportvereine, den Ausgeschlossenen die Gelegenheit ihrem Sport nachzugehen. Geduldet von den Nationalsozialisten, die vor den Olympischen Spielen 1936 in Berlin den Schein wahren wollten. Es gab einen regen Spielverkehr, sogar mit Meisterschaften. Oft unter erschwerten Bedingungen. In Bamberg spielte man gezwungenermaßen im Biergarten des von der jüdischen Gemeinde erworbenen Gasthauses "Weiße Traube". In Leipzig auf einem Sportplatz hinter einer blickdichten Mauer, damit die arischen Nachbarn nicht gestört wurden. Auch in Twistringen, südlich von Bremen, wollte die jüdische Jugend auf Sport und Gemeinschaft nicht verzichten.
"Wo dann ein Zeitzeuge später berichtet, wie er die Jugendlichen aus einem Einzugsbereich in der Nord-Südroute von 60 Kilometer und Ost-Westroute von 40 Kilometer alle 14 Tage Sonntags mit dem Fahrrad zusammengezogen hat. Eine völlig neue Dimension, welche Rolle Sport plötzlich in dem Leben dieser jungen Menschen gehabt hat."
1938 schließlich, nach den Pogromen vom 9. November, war an Fußball, überhaupt an Sporttreiben für Juden in Deutschland, nicht mehr zu denken. Viele Spieler und Funktionäre kamen in den Vernichtungslagern der Nazis ums Leben. Peiffer und Wahlig standen für ihre Arbeit als Quellen jüdische Sportzeitschriften und die Nachrichtenblätter der jüdischen Gemeinden zur Verfügung. 5000 Seiten insgesamt. Es darf dann auch nicht das letzte Erinnern an eine Zeit und an Sportler sein, die viel zu lange vergessen waren. Findet Henry Wahlig.
"Es sind bisher eine Handvoll, vielleicht zwei Handvoll Vereine, die ihre eigene NS-Geschichte aufgearbeitet haben; das ist also wirklich weiter eine Aufgabe, wir sehen da ist noch so viel hervorzuholen, und wir müssen diese Leute wenigstens posthum wieder in die deutsche Sportgeschichte zurückholen."