Nationalstadion in Luxemburg

Gebaut zwischen Bedarf und Notwendigkeit

07:12 Minuten
Im Stade de Luxembourg gibt es nur Sitzplätze.
Im Stade de Luxembourg gibt es nur Sitzplätze. © dpa / picture alliance / Dursun Aydemir
Von Heinz Schindler |
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Mehr als 9000 Sitzplätze, mindestens 100 VIP-Plätze, mehr als 170 Medien-Sitzplätze: Das Stade de Luxembourg erfüllt die Kriterien der vierten UEFA-Kategorie. Aber warum braucht es selbst in dem Großherzogtum ein Stadion, das diese Kriterien erfüllt?
Da denkt man immer, in einem kleineren Nachbarland seien sämtliche Wege selbstredend kürzer. Doch auch in Luxemburg brauchte es bis zur Eröffnung des Nationalstadions 2021 einen dann doch längeren Vorlauf, erzählt Romy Hutmacher bei einer Stadionführung.

„Eigentlich war das 2007, wo man dann zum ersten Mal wirklich eine Entscheidung getroffen hat, dass es wirklich notwendig sei, ein neues Stadion zu bauen. Damals war dann ein Projekt eines privaten Promoteurs auf dem Tisch. Dieses Projekt wurde aber in Luxemburg kontrovers diskutiert - und war dann vom Tisch.“

Die Renovierung des alten Stadions war zu teuer

Die Renovierung des altehrwürdigen Stadions Josy Barthel mitten in der Hauptstadt, das heute eher dem Anspruch von Fußballpuristen entspricht, war zu teuer. Es brauchte aber erst den Druck der UEFA, bis die Planung eines Stadions dann an Dynamik gewann.

„Als dann 2014 ein Brief von Platini kam, in dem er schrieb, dass es jetzt mit der Ausnahmeregelung der Luxemburger vorbei sei und in naher Zukunft keine Spiele mehr im Stade Josy Barthel gestattet werden würden, da ging es auf einmal schnell. Die Abgeordnetenkammer verabschiedete ein Package zum Bau dieses Stadions.“

Auftrag für Hamburger Architekturbüro

Die Ausschreibung ging an ein Architektenbüro aus Hamburg. Doch erst einmal stand die Frage im Mittelpunkt: Für wen baut man überhaupt? Denn die spontane Antwort „für die Luxemburger“ greift nicht tief genug, wie Tom Bellion anmerkt, der Direktor des Tourismusbüros der Stadt Luxemburg.

„Da muss man sich einfach bewusst sein, dass fürs Land Luxemburg etwa die Hälfte der Einwohner keine Luxemburger sind, sondern andere Nationalitäten, die in Luxemburg wohnen. Und für die Hauptstadt sind das 70 Prozent Nicht-Luxemburger und 30 Prozent Luxemburger. Das heißt, wenn man die Terminologie ‚Luxemburger‘ benutzt, muss man das etwas differenziert anschauen. Zum Beispiel die Portugiesen sind ein Sechstel unserer Bevölkerung.“
Führungen durch das Stadion sind in der Regel schnell ausverkauft, an Sport und an Architektur Interessierte halten sich da die Waage.

„Ob wir jetzt Stadiontourismus im großen Stil hier machen, glaube ich nicht. Aber wir sind sehr froh darüber, dass wir dieses Produkt anbieten können, was eigentlich sich auch sehr differenziert von unseren klassischen touristischen Angeboten wie Stadtführungen und so weiter. Es ist ein sehr komplementäres Angebot.“

Das Stadion hat nur Sitzplätze

Luxemburgs Nationalstadion erlebt aufgrund der Bevölkerungsstruktur schon mal Auswärtsspiele, wenn es gegen Italien, Frankreich oder Portugal geht. Ausverkauft war es gegen die Portugiesen, nur 5300 kamen etwa gegen Litauen in der Nations League. Wichtiger aber ist: Das Stadion ist eines der UEFA-Kategorie 4.
Das bedeutet in Zahlen, so Romy Hutmacher:

„Dieses Stadion hat nur Sitzplätze. Im Ganzen sind das 9471 Sitzplätze, davon sind 8708 reguläre Tribünenplätze. 512 sind VIP-Plätze. Dann gibt es noch 27 Plätze für die sehr bedeutenden Gäste. Und dann gibt es 174 Plätze für die Journalisten. Das Stadion hat auch 50 Plätze für behinderte Zuschauer, die im Rollstuhl ins Stadion kommen.“

Zum Vergleich: In Dortmund ist es bei 80000 Zuschauern lediglich 72 Rollifahrerinnen und -fahrern möglich, dabei zu sein. 

Das Stadion hilft erfolgreichen Vereinen

Das Stadion in Luxemburg nimmt auch Druck von erfolgreichen Vereinen. Denn der höherklassige Fußball des Landes ist auf Amateurniveau angesiedelt - und die kleinen Stadien überdimensioniert auszubauen, ergäbe keinen Sinn.
In der dritten Runde der Qualifikation für die Conference League musste der amtierende Luxemburger Meister Swift Hesperingen ins Nationalstadion umziehen.
Spieler von Swift Hesperingen bejubeln ein Tor im Luxemburger Nationalstadion.
Spieler von Swift Hesperingen bejubeln ein Tor im Luxemburger Nationalstadion.© Imago / Ben Majerus
Alex Goergen, der Direktor des Sportamtes der Stadt Luxemburg:

„Ab einer gewissen Runde müssen die Vereine in ein Kategorie-4-Stadion kommen, wegen der Sicherheit. Die Luxemburger Vereine ziehen natürlich nicht so viele Fans an wie das vielleicht im Ausland der Fall ist. Dann ist das Stadion natürlich nicht gefüllt. Aber man hat die Regularien der UEFA. Man muss sich dran halten - und wir haben nur dieses Stadion. Das heißt, wenn jetzt vier luxemburgische Vereine in der Conference League in die nächsten Runden kommen. Gut, dann muss man schauen, wenn dann die Spiele einmal aufeinander fallen, was wir machen.“

Auch die Rugby-Nationalmannschaft spielt hier

Das aber ist noch Zukunftsmusik, vielleicht aber weniger entfernt als man denkt. Neben den Fußballern ist 2021 übrigens auch die Rugby- Nationalmannschaft ins neue Stadion umgezogen.

„Das ist nicht so einfach. Denn zum Beispiel Spielfeldabmessungen sind beim Rugby anders. Was man aber sagen muss: Das UEFA-Reglement ist sehr viel anspruchsvoller und strenger als das beim Rugby der Fall ist. Man kann also davon ausgehen, dass wenn man die Größe des Spielfeldes hat, dass die UEFA-Regularien bei Weitem – was die Sicherheit angeht, die Technik angeht – überwiegen. Wenn man dann ein UEFA-konformes Stadion hat, ist das automatisch auch für Rugby zugelassen."

Straßenbahnlinie bis zum Stadion ausgebaut

Mit dem Nationalstadion ist es in Luxemburg gelungen, einerseits die Richtlinien der internationalen Verbände zu erfüllen, gleichzeitig aber sich so weit wie möglich am Bedarf zu orientieren und so wenig überdimensioniert wie nötig zu bauen.
Trotz der guten Erreichbarkeit über die Autobahnen hat man eine Straßenbahnlinie aus dem Stadtzentrum bis vor das Stadion verlängert. Bei kostenlosem öffentlichen Nahverkehr in Luxemburg ein maximaler Anreiz, es umweltschonend zu besuchen.
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