Pine Ridge Reconciliation Center

Versöhnungsarbeit mit Native Americans

08:05 Minuten
"Basil Brave Heart" sitzt in einem roten SUV Truck am Steuer.
Basil Brave Heart setzt sich gemeinsam mit Pastor Dan für Versöhnung zwischen Native Americans und der Kirche ein. © Rebecca Hillauer
Von Rebecca Hillauer |
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In der langen, blutigen Unterdrückungsgeschichte der indigenen Bevölkerung Nordamerikas machten die Kirchen auf Seiten der Täter mit. Kann ein christlicher Pastor heute zur Versöhnung beitragen? Pastor Dan versucht es.
Im Reconciliation Center, dem „Versöhnungszentrum“, von Pine Ridge im US-Bundesstaat South Dakota. Pastor Daniel Johnson bietet hier mit seinem Team tagsüber Obdachlosen Unterkunft, warmes Essen und eine heiße Dusche an. Im Fernseher läuft der Actionfilm „Mortal Combat“. Da Monika, die Köchin, heute fehlt, hat der Pastor selbst gekocht: Suppe, Reis und Huhn.

Gute Taten für den Großen Geist

Oben, im ersten Stock, ist Virgil dabei, die Kleidungsstücke einiger Obdachloser zu waschen. Wie alle Mitarbeiter im Zentrum ist Virgil ein Angehöriger des Oglala Lakota-Stammes, der im Pine Ridge Reservat lebt.
„Ich denke, das ist der Weg, dem Großen Geist etwas zurückzugeben, indem ich anderen Menschen helfe. So wie es in der katholischen Kirche Kollekten gibt“, erklärt Virgil sein Engagement. „Unser traditioneller Glaube besagt, dass man, wenn man seinen Lebenszyklus abgeschlossen hat, zu einem Stern am Himmel wird. Was Nicht-Indigene Milchstraße nennen, heißt bei uns ‚die Straße des Lebens‘.“

Corona hat Pine Ridge schwer belastet

„Pastor Dan“, wie Obdachlose und Mitarbeiter ihn nennen, kommt mit dem riesigen Kochtopf die Treppe herauf. Daniel Johnson ist ein hoch gewachsener Mann mit Hornbrille und kurzem Bart, der sich eine gute Portion Humor bewahrt hat. Bis er die Tagesstätte eröffnete, gab es für die Obdachlosen in der Stadt nur einige Zelte mit Behelfstoiletten, die die Stammesverwaltung stellte.
Johnson erinnert sich: Ab Sommer 2021 haben wir das Zentrum zum Duschen geöffnet. Manche Leute hatten seit der Corona-Zeit nicht mehr geduscht, also seit 6, 7 Monaten. Eine Frau ging weinend hinein und kam singend wieder heraus, weil sie sich seit langem wieder sauber fühlte. Corona hat das Reservat auch wirtschaftlich lahmgelegt. Ob die Bewohner es zugeben oder nicht: Das Reservat lebt vom Tourismus. Die Kirchengruppen, die im Sommer hierher kommen, bringen eine Menge Geld ein.“

Gewalt in kirchlichen Internatsschulen

Das Verhältnis zwischen den Lakota und den christlichen Kirchen ist historisch schwer belastet. Denn zur Assimilationspolitik der US-Regierungen gehörten Internatsschulen, in denen die Kinder der Native Americans mit Verachtung und Rohrstock umerzogen werden sollten. Viele der Internate wurden von Kirchen betrieben.

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Der 89-jährige Basil Brave Heart wohnt außerhalb der Stadt und hat noch selbst eine katholische Internatsschule besucht: „Sie haben uns geschlagen, wenn sie uns dabei erwischt haben, wie wir unsere Sprache sprachen. Viele Leute fragen mich, warum ich noch in die Kirche gehe, nach dem, was sie mir alles angetan haben – körperlich, geistig, emotional und sexuell. Aber meine Großmutter hat mir gesagt, dass einer der wichtigsten Werte, die wir vorleben können, Vergebung sei.“

Spagat zwischen Westen und Stammeskultur

Brave Heart ist ein spiritueller Stammesältester und ein guter Freund von Pastor Daniel Johnson. Die beiden haben gemeinsam schon Ehen geschlossen. Im Internat hätten sie ihn einst zwar in einen Anzug gesteckt und sein langes Haar abgeschnitten, sagt Brave Heart. Er hätte aber auch eine ausgezeichnete Bildung genossen. Sie hätte es ihm ermöglicht, den Spagat zwischen der westlichen und seiner Stammeskultur zu meistern – zwischen linearem logischen Denken und dem Glauben an den Kreislauf der Natur.
"Himmel und Hölle. Das Prinzip von Belohnung und Bestrafung: Wenn man gut ist, wird man belohnt. Wenn man böse ist, wird man bestraft. Das kennen wir nicht. Wir glauben an das göttliche Prinzip der bedingungslosen Liebe."

Für Generationen traumatisiert

Der Alltag ist dagegen überschattet von Alkoholismus und Drogen, häuslicher Gewalt und zerrütteten Familien. Arbeitslosigkeit und Geburtenrate sind hoch. Als bei bitterer Kälte im November 2022 ein Obdachloser erfror, öffnete die Stammesverwaltung die Basketball-Halle als Nachtquartier für Obdachlose.
"Mir haben viele Leute hier gesagt, dass wir in der Gemeinschaft einen wirklich guten Ruf haben“, sagt Johnson. „Was aber nicht bedeutet, dass alle mich mögen. Manche mögen mich nicht, nur weil ich ein Weißer und ein Mann der Kirche bin. Das liegt daran, was wir diesen Menschen früher angetan haben. Es ist ein generationenübergreifendes Trauma. Wir sehen die Auswirkungen jeden Tag."

Sozialarbeit als Beitrag zur Wiedergutmachung

Pastor Daniel Johnson versteht seine tägliche praktische Sozialarbeit als seinen Beitrag zur Wiedergutmachung und zur Versöhnung der beiden Völker:
"Wenn wir Gruppen zu Gast haben, ist das eines unserer Themen. Wir sprechen über die Probleme, die insbesondere von den Kirchen verursacht wurden. Viele kennen die Geschichte der Schulinternate überhaupt nicht. Ich bin dankbar für Menschen wie Basil. Er sieht nicht übermäßig beeindruckend aus, ist ein schmächtiger Kerl mit zerzaustem Haar. Aber er ist einer der beliebtesten Redner, wenn wir Gruppen haben. Die Leute hören ihm einfach gern zu."

Was Amerika den Ureinwohnern angetan hat, steckt noch immer in der Erde, nur ein Bruchteil davon ist bekannt. Sie haben unsere Frauen vergewaltigt. Unsere Kinder getötet, verbrannten unsere Häuser, unsere Schafe und Büffel, unsere Apfel- und Pflaumenbäume.

Basil Brave Heart, Stammesältester der Oglala Lakota

Die Nachkommen der Täter bitten um Vergebung

Vor einigen Jahren nahm Basil Brave Heart an einem internationalen „Treffen der Vergebung“ im Bundesstaat New Mexico teil. Auch die Urenkel zweier US-Generäle, die Massaker an Native Americans befohlen hatten, seien gekommen und hätten um Verzeihung gebeten. Und zwei Priester in ihren Talaren, erinnert sich Basil Brave Heart:
"Das war die Vergebung, von der meine Großmutter mir erzählt hatte. Wenn du spazieren gehst, sagte sie, versuche, denselben Weg zurückzugehen. Vielleicht   bist du versehentlich auf eine wilde Blume getreten. Wenn du an ihr riechst – und sie verströmt noch immer ihren göttlichen Duft, dann lehrt diese Blume dich: Auch wenn du sie zertreten hast, hat sie dir vergeben."
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