"Natürlich sind wir auf Konfrontation gebürstet"
Das Patriarchat stütze sich auf die drei Säulen Diktatur, Kirche und Sexindustrie, sagt die Femen-Aktivistin Karla. Mit der Aktion gegen Russlands Präsidenten Putin in Hannover hätte die Gruppe wieder gezeigt, "dass wir wirklich nur unseren Körper haben und unsere Stimme".
Christine Watty: Es ist eine Art des Protestexports, der sich da gerade in Berlin abspielt: Die aus der Ukraine stammende Frauenbewegung Femen lässt sich dort nun in einer Dependance nieder, Kennzeichen der Bewegung: Proteste mit nacktem beziehungsweise beschriebenem Oberkörper. Als wandelnde Transparente kämpfen die Frauen für – so ein Auszug aus ihrem Selbstverständnis – den Schutz von Frauenrechten. Zitat: "Wir sind Wachhunde der Demokratie, die das Patriarchat in all seinen Formen attackiert: Diktaturen, Kirche und die Sexindustrie."
Beitrag in Informationen am Mittag, Deutschlandfunk (MP3-Audio)
Arkadiusz Luba über die Entstehung der Frauenrechtsorganisation Femen.
Weltweit vertreten heißt jetzt auch in Deutschland, wo sich die Organisation auch niederlässt, wenn man auch noch nach einem Büroraum in Berlin sucht derzeit. Und wie der Protest aussieht, das hat Femen schon mit diversen Aktionen, mit freiem Oberkörper auch bei uns vorgemacht, zum Beispiel vor einer Moschee in Berlin-Wilmersdorf und gestern viel pressewirksamer auf der Hannover Messe, als Femen-Aktivistinnen den Rundgang von Merkel und Putin gestört haben. Die Frauen stürzten sich auf Putin, auf ihren Oberkörpern stand "fuck dictator". Die Berliner Femen-Aktivistin Karla war dabei, danach befand sie sich in Polizeigewahrsam. Inzwischen ist sie wieder frei. Karla, was ist da gestern passiert, wie war das?
Karla: Wir wurden in Polizeigewahrsam genommen und saßen dann vier Stunden auf der Wache, bis alles geklärt war, und wir sind dann abends wieder zurück nach Berlin gefahren.
Watty: Hatten Sie das Gefühl, dass Putin und Merkel irgendwie drauf reagiert haben, oder war das so eine Sekundenaktion?
Karla: In dem Moment sieht man eigentlich recht wenig. Man ist so voll Adrenalin, man merkt gar nicht, wer sieht einen jetzt, wer nicht. Man kämpft gegen die Sicherheitskräfte, um irgendwie Richtung Putin zu kommen. Aber dadurch, dass man am Abend ja dann die Nachrichten gesehen hat, hat man dann auch mitbekommen, dass sie sich dazu ja auch geäußert haben.
Watty: Also Femen würde sagen, das war eine positive, eine gelungene Aktion?
Karla: Ja, auf jeden Fall.
Watty: Wie haben die Leute vor Ort reagiert, die ja noch nicht so an den Femen-Protest hier in Deutschland gewöhnt sind?
Karla: Also hauptsächlich waren ja Sicherheitskräfte vor Ort, und ja, die haben ihre Arbeit gemacht und uns eben in Gewahrsam genommen.
Watty: Die Ursprünge von Femen, die liegen in der Ukraine, und das ist eine aus unserer Sicht eher rückständigere Gesellschaft, was Frauenrechte angeht. In Deutschland steht das Thema Frauenrechte natürlich seit Jahrzehnten auf der öffentlichen Agenda, und vor Kurzem gab’s hier auch eine große Sexismusdebatte, die allerdings wieder verdeutlicht hat, dass Fragen nach einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen längst überhaupt nicht abgehakt sind. Welche Defizite sieht Femen hierzulande noch und wogegen will Femen genau kämpfen?
Karla: Femen gründet sich vor allem auf einem Ziel, und zwar das Patriarchat zu zerstören, und da sehen wir einfach, dass sich das auf drei Säulen stützt: einmal auf Diktatur, wogegen wir gestern in Hannover demonstriert haben. Dann auf Religionen, die Frauen per se unterdrücken – alle großen Weltregionen werden von Männern gemacht und haben Punkte, die Frauen unterdrücken und Männer über Frauen stellen. Und der dritte Punkt ist eben die Sexindustrie, die Frauen als Ware degradiert und ein Bild in der Gesellschaft schafft, dass Frauen immer käuflich sind.
Watty: In puncto Religion gab’s eben diese Aktion, vor einer Moschee in Berlin-Wilmersdorf zu demonstrieren, was auch viele angegriffen hat und womöglich auch Frauen, die sich gar nicht unterdrückt fühlen in dem Moment. Wie gehen Sie mit dieser Pauschalisierung von Situationen um, gegen die natürlich dann auch Widerspruch kommt, weil sich dann Leute auch persönlich angegriffen fühlen?
Karla: Ja, wir haben ja nicht gegen den Islam an sich demonstriert in Wilmersdorf, sondern vor allem das Hauptziel war ja, um auf Amina aufmerksam zu machen, eine Femen-Aktivistin in Tunesien, die jetzt mittlerweile wieder aufgetaucht ist, die wochenlang verschwunden war, nachdem sie Morddrohungen bekommen hat, obwohl sie nur Nacktfotos von sich gepostet hat. Also sie war nicht öffentlich, hat keine Aktionen gemacht, sie hat nur Oben-ohne-Fotos von sich online gestellt, woraufhin ihr mit Steinigung und Peitschenhieben gedroht wurde.
Auf ihr Schicksal wollten wir aufmerksam machen, und gleichzeitig wollten wir eben darauf aufmerksam machen, dass nach dem Arabischen Frühling in der arabischen Welt generell die Frauenrechte jetzt immer weiter eingeschränkt werden. Das wissen wir von Amina, das wissen wir von anderen Aktivistinnen wie Alia Al-Mahdi, die in Ägypten "Femen Ägypten" gegründet hat. Ja, dagegen wollten wir uns aussprechen, weil es nicht sein kann, dass eine Religion die Rechte, die Frauen schon bereits haben, wieder wegnimmt.
Watty: Noch mal kurz zu der Art des Protestes: Man könnte natürlich sagen, wenn man wieder in die Ukraine guckt, beengtere Zustände, was Rechte und Freiheiten betrifft, erfordern natürlich härtere Protestmaßnahmen. Vertragen wir hier überhaupt so einen radikalen Protest, wie Femen ihn organisiert, oder müsste man den kulturell sozusagen anpassen, also kann Deutschland tatsächlich was mit barbusigen Frauen, die auf Politiker zustürzen, was anfangen?
Karla: Ich glaube, nicht nur Deutschland kann damit was anfangen, die ganze Welt, weil Femen entwickelt sich ja gerade zu einer weltweiten Aktion. Also wir haben Aktivistinnen in Brasilien, in Frankreich haben wir einen großen Standort, in Italien, in Amerika, in Kanada – weltweit haben wir jetzt mittlerweile Aktivistinnen und Gruppen, von daher ist das nicht nur eine ukrainische Sache. Und ich meine, Oben-ohne-Protest gab es schon immer, den gab es auch 68, und warum soll man das nicht wieder aufgreifen?
Watty: Was kann denn der Oben-ohne-Protest vielleicht deutlicher zeigen als große Transparente und große Diskussionen, Podiumsdiskussionen et cetera?
Karla: Also wir sind den Podiumsdiskussionen ja nicht abgeneigt, ich sitze ja jetzt auch hier und rede mit Ihnen. Aber der Oben-ohne-Protest zeigt einfach, dass wir wehrlos sind – wir sind nackt, wir haben keine Waffen –, und das macht es vielleicht auch einfacher oder gefahrloser, auf Putin zuzustürmen, als wenn wir jetzt vermummt wären, dann hätte das gestern vielleicht anders ausgesehen. So zeigen wir, dass wir wirklich nur unseren Körper haben und unsere Stimme und dass wir eben auf Probleme aufmerksam machen wollen, die sonst vielleicht untergehen würden, wofür sich sonst kein Medium interessieren würde.
Watty: Sagt Karla von Femen Deutschland im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton". Als sich Femen mit seinen Ideen am vergangenen Freitag in Berlin vorgestellt hat, da gab’s schon mal einen ziemlichen Aufruhr vor Ort. Man warf der Femen-Gründerin vor, faschistisch zu sein, weil bei einer Aktion in Hamburg an die Tore der Herbertstraße "Arbeit macht frei" gesprüht wurde, es gab eine Oben-ohne-Aktion vor einer Moschee in Wilmersdorf, die von einigen nicht für richtig befunden wurde. Versteht denn Femen die Kritik von anderen feministischen Gruppierungen in Deutschland, die gar nicht einverstanden sind mit vielen der Haltungen von Femen?
Karla: Also grundsätzlich verstehen wir Kritik, und wenn die sachlich rüberkommt, können wir damit auch was anfangen. Wenn die aber unsachlich oder schlecht recherchiert ist, dann müssen wir darauf auch nicht wirklich eingehen.
Watty: Das heißt, wie stellt sich Femen dann diesen Diskussionen, oder gibt es gar keine mit anderen feministischen Gruppierungen oder anderen Haltungen?
Karla: Es gibt schon Diskussionen, wenn die feministischen Gruppierungen an sich offen gegenüber uns eingestellt sind – wir sind ja auch offen gegenüber anderen feministischen Gruppierungen eingestellt. Aber direkt nur auf Konfrontation gebürstet, damit können wir nichts anfangen, weil wir denken, feministische Gruppen haben alle dasselbe Ziel: Wir wollen mehr Frauenrechte. Und da sollte man nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander.
Watty: Aber ist Femen nicht selbst auf Konfrontation gebürstet, gerade zum Beispiel mit dieser Aktion in Hamburg, "Arbeit macht frei" an die Herbertstraße zu sprühen? Das ist ja deutlich konfrontativ.
Karla: Ja, natürlich sind wir auf Konfrontation gebürstet. Wir müssen provozieren, um irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen, weil allein Brüste erregen keine Aufmerksamkeit. Sonst würde jeder die Straße langlaufen und die ganzen Werbeplakate, die da zu sehen sind, würden Unfälle verursachen oder sonst was. Also ich meine, man muss natürlich auch anders provozieren als nur oben ohne.
Watty: Mit der Aktion in der Herbertstraße in Hamburg sind wir jetzt auch dann wieder beim Thema der Prostitution. Es gibt ja in Deutschland Prostituiertenverbände wie zum Beispiel Hydra in Berlin, die lange für die Legalisierung dieses Berufsstandes gekämpft haben und die sich womöglich von der Haltung von Femen auch angegriffen fühlen persönlich, weil dahinter auch Frauen stehen, die sagen, wir möchten das aber als Beruf ausüben und sind eigentlich ganz froh, dass es mittlerweile eine Situation für uns gibt, in der das auch möglich ist.
Karla: Ja, gegen diese Frauen haben wir ja auch gar nichts, sie dürfen gerne ihren Beruf ausüben, wir möchten ja nicht die Prostitution kriminalisieren, wir möchten ja, dass Freier und Zuhälter kriminalisiert werden.
Watty: Aber wenn die kriminalisiert werden, dann ist auch der Job der Prostituierten nicht mehr da.
Karla: Ach, ich denke, der ist trotzdem noch da. In Schweden haben wir ja das Modell auch, und dort gibt es immer noch Prostituierte, nur der Menschenhandel nimmt halt ab, weil es einfach nicht mehr lukrativ ist.
Watty: Gibt es denn schon Erfolge, die Femen sich auf die eigenen Fahnen schreibt, wo sich Zustände geändert haben, vielleicht in der Ukraine zumindest an kleinen Stellen vielleicht nach so einer Aktion?
Karla: Also ich denke, wir sind keine Gruppe, die Zustände ändert – das sind Gruppen, die wirklich sich auf ein Thema konzentrieren und da wirklich gute Arbeit leisten. Wir sind eher eine Gruppe, die vielleicht auf Probleme aufmerksam macht.
Watty: Die Femen-Aktivistin Karla war das im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton". Die aus der Ukraine stammende Bewegung ist jetzt auch in Deutschland aktiv.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Weltweit vertreten heißt jetzt auch in Deutschland, wo sich die Organisation auch niederlässt, wenn man auch noch nach einem Büroraum in Berlin sucht derzeit. Und wie der Protest aussieht, das hat Femen schon mit diversen Aktionen, mit freiem Oberkörper auch bei uns vorgemacht, zum Beispiel vor einer Moschee in Berlin-Wilmersdorf und gestern viel pressewirksamer auf der Hannover Messe, als Femen-Aktivistinnen den Rundgang von Merkel und Putin gestört haben. Die Frauen stürzten sich auf Putin, auf ihren Oberkörpern stand "fuck dictator". Die Berliner Femen-Aktivistin Karla war dabei, danach befand sie sich in Polizeigewahrsam. Inzwischen ist sie wieder frei. Karla, was ist da gestern passiert, wie war das?
Karla: Wir wurden in Polizeigewahrsam genommen und saßen dann vier Stunden auf der Wache, bis alles geklärt war, und wir sind dann abends wieder zurück nach Berlin gefahren.
Watty: Hatten Sie das Gefühl, dass Putin und Merkel irgendwie drauf reagiert haben, oder war das so eine Sekundenaktion?
Karla: In dem Moment sieht man eigentlich recht wenig. Man ist so voll Adrenalin, man merkt gar nicht, wer sieht einen jetzt, wer nicht. Man kämpft gegen die Sicherheitskräfte, um irgendwie Richtung Putin zu kommen. Aber dadurch, dass man am Abend ja dann die Nachrichten gesehen hat, hat man dann auch mitbekommen, dass sie sich dazu ja auch geäußert haben.
Watty: Also Femen würde sagen, das war eine positive, eine gelungene Aktion?
Karla: Ja, auf jeden Fall.
Watty: Wie haben die Leute vor Ort reagiert, die ja noch nicht so an den Femen-Protest hier in Deutschland gewöhnt sind?
Karla: Also hauptsächlich waren ja Sicherheitskräfte vor Ort, und ja, die haben ihre Arbeit gemacht und uns eben in Gewahrsam genommen.
Watty: Die Ursprünge von Femen, die liegen in der Ukraine, und das ist eine aus unserer Sicht eher rückständigere Gesellschaft, was Frauenrechte angeht. In Deutschland steht das Thema Frauenrechte natürlich seit Jahrzehnten auf der öffentlichen Agenda, und vor Kurzem gab’s hier auch eine große Sexismusdebatte, die allerdings wieder verdeutlicht hat, dass Fragen nach einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen längst überhaupt nicht abgehakt sind. Welche Defizite sieht Femen hierzulande noch und wogegen will Femen genau kämpfen?
Karla: Femen gründet sich vor allem auf einem Ziel, und zwar das Patriarchat zu zerstören, und da sehen wir einfach, dass sich das auf drei Säulen stützt: einmal auf Diktatur, wogegen wir gestern in Hannover demonstriert haben. Dann auf Religionen, die Frauen per se unterdrücken – alle großen Weltregionen werden von Männern gemacht und haben Punkte, die Frauen unterdrücken und Männer über Frauen stellen. Und der dritte Punkt ist eben die Sexindustrie, die Frauen als Ware degradiert und ein Bild in der Gesellschaft schafft, dass Frauen immer käuflich sind.
Watty: In puncto Religion gab’s eben diese Aktion, vor einer Moschee in Berlin-Wilmersdorf zu demonstrieren, was auch viele angegriffen hat und womöglich auch Frauen, die sich gar nicht unterdrückt fühlen in dem Moment. Wie gehen Sie mit dieser Pauschalisierung von Situationen um, gegen die natürlich dann auch Widerspruch kommt, weil sich dann Leute auch persönlich angegriffen fühlen?
Karla: Ja, wir haben ja nicht gegen den Islam an sich demonstriert in Wilmersdorf, sondern vor allem das Hauptziel war ja, um auf Amina aufmerksam zu machen, eine Femen-Aktivistin in Tunesien, die jetzt mittlerweile wieder aufgetaucht ist, die wochenlang verschwunden war, nachdem sie Morddrohungen bekommen hat, obwohl sie nur Nacktfotos von sich gepostet hat. Also sie war nicht öffentlich, hat keine Aktionen gemacht, sie hat nur Oben-ohne-Fotos von sich online gestellt, woraufhin ihr mit Steinigung und Peitschenhieben gedroht wurde.
Auf ihr Schicksal wollten wir aufmerksam machen, und gleichzeitig wollten wir eben darauf aufmerksam machen, dass nach dem Arabischen Frühling in der arabischen Welt generell die Frauenrechte jetzt immer weiter eingeschränkt werden. Das wissen wir von Amina, das wissen wir von anderen Aktivistinnen wie Alia Al-Mahdi, die in Ägypten "Femen Ägypten" gegründet hat. Ja, dagegen wollten wir uns aussprechen, weil es nicht sein kann, dass eine Religion die Rechte, die Frauen schon bereits haben, wieder wegnimmt.
Watty: Noch mal kurz zu der Art des Protestes: Man könnte natürlich sagen, wenn man wieder in die Ukraine guckt, beengtere Zustände, was Rechte und Freiheiten betrifft, erfordern natürlich härtere Protestmaßnahmen. Vertragen wir hier überhaupt so einen radikalen Protest, wie Femen ihn organisiert, oder müsste man den kulturell sozusagen anpassen, also kann Deutschland tatsächlich was mit barbusigen Frauen, die auf Politiker zustürzen, was anfangen?
Karla: Ich glaube, nicht nur Deutschland kann damit was anfangen, die ganze Welt, weil Femen entwickelt sich ja gerade zu einer weltweiten Aktion. Also wir haben Aktivistinnen in Brasilien, in Frankreich haben wir einen großen Standort, in Italien, in Amerika, in Kanada – weltweit haben wir jetzt mittlerweile Aktivistinnen und Gruppen, von daher ist das nicht nur eine ukrainische Sache. Und ich meine, Oben-ohne-Protest gab es schon immer, den gab es auch 68, und warum soll man das nicht wieder aufgreifen?
Watty: Was kann denn der Oben-ohne-Protest vielleicht deutlicher zeigen als große Transparente und große Diskussionen, Podiumsdiskussionen et cetera?
Karla: Also wir sind den Podiumsdiskussionen ja nicht abgeneigt, ich sitze ja jetzt auch hier und rede mit Ihnen. Aber der Oben-ohne-Protest zeigt einfach, dass wir wehrlos sind – wir sind nackt, wir haben keine Waffen –, und das macht es vielleicht auch einfacher oder gefahrloser, auf Putin zuzustürmen, als wenn wir jetzt vermummt wären, dann hätte das gestern vielleicht anders ausgesehen. So zeigen wir, dass wir wirklich nur unseren Körper haben und unsere Stimme und dass wir eben auf Probleme aufmerksam machen wollen, die sonst vielleicht untergehen würden, wofür sich sonst kein Medium interessieren würde.
Watty: Sagt Karla von Femen Deutschland im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton". Als sich Femen mit seinen Ideen am vergangenen Freitag in Berlin vorgestellt hat, da gab’s schon mal einen ziemlichen Aufruhr vor Ort. Man warf der Femen-Gründerin vor, faschistisch zu sein, weil bei einer Aktion in Hamburg an die Tore der Herbertstraße "Arbeit macht frei" gesprüht wurde, es gab eine Oben-ohne-Aktion vor einer Moschee in Wilmersdorf, die von einigen nicht für richtig befunden wurde. Versteht denn Femen die Kritik von anderen feministischen Gruppierungen in Deutschland, die gar nicht einverstanden sind mit vielen der Haltungen von Femen?
Karla: Also grundsätzlich verstehen wir Kritik, und wenn die sachlich rüberkommt, können wir damit auch was anfangen. Wenn die aber unsachlich oder schlecht recherchiert ist, dann müssen wir darauf auch nicht wirklich eingehen.
Watty: Das heißt, wie stellt sich Femen dann diesen Diskussionen, oder gibt es gar keine mit anderen feministischen Gruppierungen oder anderen Haltungen?
Karla: Es gibt schon Diskussionen, wenn die feministischen Gruppierungen an sich offen gegenüber uns eingestellt sind – wir sind ja auch offen gegenüber anderen feministischen Gruppierungen eingestellt. Aber direkt nur auf Konfrontation gebürstet, damit können wir nichts anfangen, weil wir denken, feministische Gruppen haben alle dasselbe Ziel: Wir wollen mehr Frauenrechte. Und da sollte man nicht gegeneinander arbeiten, sondern miteinander.
Watty: Aber ist Femen nicht selbst auf Konfrontation gebürstet, gerade zum Beispiel mit dieser Aktion in Hamburg, "Arbeit macht frei" an die Herbertstraße zu sprühen? Das ist ja deutlich konfrontativ.
Karla: Ja, natürlich sind wir auf Konfrontation gebürstet. Wir müssen provozieren, um irgendwie Aufmerksamkeit zu erregen, weil allein Brüste erregen keine Aufmerksamkeit. Sonst würde jeder die Straße langlaufen und die ganzen Werbeplakate, die da zu sehen sind, würden Unfälle verursachen oder sonst was. Also ich meine, man muss natürlich auch anders provozieren als nur oben ohne.
Watty: Mit der Aktion in der Herbertstraße in Hamburg sind wir jetzt auch dann wieder beim Thema der Prostitution. Es gibt ja in Deutschland Prostituiertenverbände wie zum Beispiel Hydra in Berlin, die lange für die Legalisierung dieses Berufsstandes gekämpft haben und die sich womöglich von der Haltung von Femen auch angegriffen fühlen persönlich, weil dahinter auch Frauen stehen, die sagen, wir möchten das aber als Beruf ausüben und sind eigentlich ganz froh, dass es mittlerweile eine Situation für uns gibt, in der das auch möglich ist.
Karla: Ja, gegen diese Frauen haben wir ja auch gar nichts, sie dürfen gerne ihren Beruf ausüben, wir möchten ja nicht die Prostitution kriminalisieren, wir möchten ja, dass Freier und Zuhälter kriminalisiert werden.
Watty: Aber wenn die kriminalisiert werden, dann ist auch der Job der Prostituierten nicht mehr da.
Karla: Ach, ich denke, der ist trotzdem noch da. In Schweden haben wir ja das Modell auch, und dort gibt es immer noch Prostituierte, nur der Menschenhandel nimmt halt ab, weil es einfach nicht mehr lukrativ ist.
Watty: Gibt es denn schon Erfolge, die Femen sich auf die eigenen Fahnen schreibt, wo sich Zustände geändert haben, vielleicht in der Ukraine zumindest an kleinen Stellen vielleicht nach so einer Aktion?
Karla: Also ich denke, wir sind keine Gruppe, die Zustände ändert – das sind Gruppen, die wirklich sich auf ein Thema konzentrieren und da wirklich gute Arbeit leisten. Wir sind eher eine Gruppe, die vielleicht auf Probleme aufmerksam macht.
Watty: Die Femen-Aktivistin Karla war das im Deutschlandradio Kultur im "Radiofeuilleton". Die aus der Ukraine stammende Bewegung ist jetzt auch in Deutschland aktiv.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.