"Natürliche Umweltgifte": Mykotoxine
Schon seit Jahrhunderten ist bekannt, dass Schimmelpilze giftig sein können. In der Vergangenheit spielten sie die gleiche dominierende Rolle wie die großen Seuchen. Noch Ende des vorletzten Jahrhunderts führte das Mutterkorn (ein von einem speziellen Pilz befallenes Korn) in Deutschland zu massenhaftem Auftreten der "Kribbelkrankheit" beziehungsweise des "Antoniusfeuers".
Erstere Erscheinungsform führt zu epilepsieartigen Anfällen, bis die Gliedmaßen in unnormaler Stellung verkrampft bleiben. Das Antoniusfeuer, auch "kalter Brand" genannt, endet mit dem Absterben einzelner Körperteile und Verblödung.
Noch im Zweiten Weltkrieg kam es in der Sowjetunion durch verpilztes Getreide zu größeren Vergiftungen, die sich in Knochenmarkschädigungen und kaum stillbaren Blutungen äußerten. Doch nicht die bedauernswerten Opfer solcher Massenerkrankungen veranlassten ein intensives Suchen nach weiteren Pilzgiften. Das geschah, wie so oft, erst dann, als es zu wirtschaftlichen Verlusten in der Viehmast kam. 1960 krepierten in britischen Putenfarmen 100.000 Tiere binnen weniger Wochen.
Derartige Vorkommnisse häuften sich auch in anderen Mastbereichen, ja sogar Zuchtbetriebe von Labormeerschweinchen klagten über ernste Verluste. So war die Todesursache auch schnell gefunden: Die Tiere hatten aflatoxinhaltiges Erdnussfutter erhalten. Nach dieser Entdeckung konnte es nicht ausbleiben, dass auch beim Menschen so manch geheimnisvolle Todesursache geklärt wurde: In Münster verstarb ein 45-jähriger Leberkranker ohne erkennbare Ursache innerhalb kurzer Zeit. Die Ärzte standen vor einem Rätsel. Die Ehefrau erzählte, ihr Mann habe "kurz vor Auftreten der ersten Beschwerden ungewöhnlich große Mengen verschiedener Nüsse gegessen". Eine Obduktion schaffte Klarheit: "Die Extrakte der Leber des Verstorbenen enthielten … verdächtig blaufluoreszierende Substanzen", die als Aflatoxine identifiziert werden konnten.
Tierversuche bestätigten inzwischen ihre Lebergiftigkeit. Bei geringeren Dosen muss mit Leberkrebs gerechnet werden. Bei der jungen Ratte genügt hierzu ein halbes Milligramm, bei der empfindlichen Regenbogenforelle die tägliche Gabe eines Tausendstel dieser Dosis pro Kilo.
Es überrascht nicht, dass gerade jener Staat, dessen Bevölkerung die meisten Aflatoxine verzehrt, gleichfalls die höchste Leberkrebsrate der Welt hat (Mosambik). Ähnliche Zusammenhänge werden aus bestimmten Regionen Südafrikas, Kenias und Thailands gemeldet. Dass gerade Erdnüsse besonders giftig werden können, wenn sie verschimmeln, ist den Eingeborenen der Erzeugerländer durchaus bekannt. In British-Guinea benutzten sie sie, um "für den Stamm schädliche Personen" zu beseitigen. Das musste auch ein Missionar erfahren, dem ein Getränk, zubereitet mit vergammeltem Erdnussbruch, kredenzt wurde. Er starb an Vitaminmangel und einem "Leberleiden", den klassischen Symptomen einer Überdosis Aflatoxin.
Prinzipiell ist jeder Schimmel in der Lage, Mykotoxine zu erzeugen. In verdorbenen Lebensmitteln muss immer damit gerechnet werden. Hingegen lassen sich bei Camembert, Roquefort oder ungarischer Salami, die allesamt mit Schimmelpilzkulturen reifen, fast nie Mykotoxine nachweisen. Versuche, diese Gifte auf Käse zu erzeugen, gelangen nur unter extremen Bedingungen. Selbst bei direktem Zusatz einzelner Toxine zu Käse oder Rohwurst wurden sie binnen weniger Tage abgebaut. Dies zeigt, dass traditionelle Methoden der Lebensmittelveredelung bei sachgemäßer Anwendung keinerlei Gefahren mit sich bringen.
Entnommen aus: Kapfelsperger E, Pollmer U: "Iß und stirb – Chemie in unserer Nahrung", Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982.
Noch im Zweiten Weltkrieg kam es in der Sowjetunion durch verpilztes Getreide zu größeren Vergiftungen, die sich in Knochenmarkschädigungen und kaum stillbaren Blutungen äußerten. Doch nicht die bedauernswerten Opfer solcher Massenerkrankungen veranlassten ein intensives Suchen nach weiteren Pilzgiften. Das geschah, wie so oft, erst dann, als es zu wirtschaftlichen Verlusten in der Viehmast kam. 1960 krepierten in britischen Putenfarmen 100.000 Tiere binnen weniger Wochen.
Derartige Vorkommnisse häuften sich auch in anderen Mastbereichen, ja sogar Zuchtbetriebe von Labormeerschweinchen klagten über ernste Verluste. So war die Todesursache auch schnell gefunden: Die Tiere hatten aflatoxinhaltiges Erdnussfutter erhalten. Nach dieser Entdeckung konnte es nicht ausbleiben, dass auch beim Menschen so manch geheimnisvolle Todesursache geklärt wurde: In Münster verstarb ein 45-jähriger Leberkranker ohne erkennbare Ursache innerhalb kurzer Zeit. Die Ärzte standen vor einem Rätsel. Die Ehefrau erzählte, ihr Mann habe "kurz vor Auftreten der ersten Beschwerden ungewöhnlich große Mengen verschiedener Nüsse gegessen". Eine Obduktion schaffte Klarheit: "Die Extrakte der Leber des Verstorbenen enthielten … verdächtig blaufluoreszierende Substanzen", die als Aflatoxine identifiziert werden konnten.
Tierversuche bestätigten inzwischen ihre Lebergiftigkeit. Bei geringeren Dosen muss mit Leberkrebs gerechnet werden. Bei der jungen Ratte genügt hierzu ein halbes Milligramm, bei der empfindlichen Regenbogenforelle die tägliche Gabe eines Tausendstel dieser Dosis pro Kilo.
Es überrascht nicht, dass gerade jener Staat, dessen Bevölkerung die meisten Aflatoxine verzehrt, gleichfalls die höchste Leberkrebsrate der Welt hat (Mosambik). Ähnliche Zusammenhänge werden aus bestimmten Regionen Südafrikas, Kenias und Thailands gemeldet. Dass gerade Erdnüsse besonders giftig werden können, wenn sie verschimmeln, ist den Eingeborenen der Erzeugerländer durchaus bekannt. In British-Guinea benutzten sie sie, um "für den Stamm schädliche Personen" zu beseitigen. Das musste auch ein Missionar erfahren, dem ein Getränk, zubereitet mit vergammeltem Erdnussbruch, kredenzt wurde. Er starb an Vitaminmangel und einem "Leberleiden", den klassischen Symptomen einer Überdosis Aflatoxin.
Prinzipiell ist jeder Schimmel in der Lage, Mykotoxine zu erzeugen. In verdorbenen Lebensmitteln muss immer damit gerechnet werden. Hingegen lassen sich bei Camembert, Roquefort oder ungarischer Salami, die allesamt mit Schimmelpilzkulturen reifen, fast nie Mykotoxine nachweisen. Versuche, diese Gifte auf Käse zu erzeugen, gelangen nur unter extremen Bedingungen. Selbst bei direktem Zusatz einzelner Toxine zu Käse oder Rohwurst wurden sie binnen weniger Tage abgebaut. Dies zeigt, dass traditionelle Methoden der Lebensmittelveredelung bei sachgemäßer Anwendung keinerlei Gefahren mit sich bringen.
Entnommen aus: Kapfelsperger E, Pollmer U: "Iß und stirb – Chemie in unserer Nahrung", Kiepenheuer & Witsch, Köln 1982.