Natur in neuem Gewand
Hansjörg Küster, Pflanzenökologe aus Hannover, hat mit seinem neuen Werk "Schöne Aussichten" eine Art Quintessenz seiner bisherigen Bücher herausgebracht: Es geht um den Wandel von Landschaften über die Jahrhunderte hinweg.
Der Hannoveraner Pflanzenökologe Hansjörg Küster hat sich wiederholt mit Landschaften auseinandergesetzt. Ihn fasziniert vor allem ihr Wandel im Laufe der Jahrhunderte. Ob Ostsee oder Elbe, die Geschichte des Waldes oder die Landschaft in Mitteleuropa - stets waren seine Bücher Erkundungen von Natur und Kultur. Mit seinem kleinen Band "Schöne Aussichten" legt er jetzt eine leichtfüßige, allgemeine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse vor, eine Art Quintessenz.
Der erste, der Landschaft als einen Gegenstand begriff, über den man nachdenken und den man beschreiben konnte, ist für Hansjörg Küster der Dichter Petrarca, der sich nach seiner Besteigung des Mont Ventoux im April 1336 am Bild einer von Mensch und Natur geschaffenen Landschaft erfreute und sie interpretierte. Mit dem, was er über die Landschaft wusste, deutete er sie. Landschaft entsteht im Kopf, wenn der Betrachter ihre einzelnen Elemente in Beziehung zueinander setzt.
Typisch für jede Landschaft ist zudem, dass sie sich stets in neuem Gewand zeigt. Natur ist deshalb nichts Statisches, allein schon die Jahreszeiten ändern ein Landschaftsbild erheblich. Es wandelt sich zudem ununterbrochen durch den Menschen. Seine permanente Veränderung zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.
Hansjörg Küster beginnt seine Geschichte bei den Jägern und Sammlern, die die Landschaft noch relativ unberührt ließen. Sobald sie jedoch sesshaft wurden, Landwirtschaft betrieben, begannen sie je nach den sich ändernden Bedürfnissen ihre Umgebung immer stärker zu gestalten. Allein schon dadurch, dass man jetzt weitaus mehr Menschen als früher ernähren konnte, entstanden überall neue Siedlungen, griff man in die Landschaft ein.
In sehr geraffter Form schreitet Hansjörg Küster durch die Jahrhunderte, zeigt immer wieder, wie die Entstehung von Städten, neue landwirtschaftliche Methoden der Bewirtschaftung, der Raubbau am Holz, die Industrialisierung deutliche Spuren hinterließen.
Jede Landschaft ist ein Ergebnis der Wechselbeziehung zwischen Wildnis und Zivilisation. Das zeigt allein schon die Entstehung des Gartens und später des Parks, die beide ein Stück Natur domestizieren, bewusste Sichtachsen schaffen, eine ganz bestimmte Vorstellung von Landschaftsbild verwirklichen.
In bewusster Abkehr zur Wildnis versucht man, ein Idealbild zu schaffen und richtete sich natürlich nach den ästethisch-kulturellen Vorstellungen der jeweiligen Zeit. Bestimmte Landschaften wurden zu Metaphern für Gemütszustände wie der deutsche Wald oder die Schweizer Berge. Wenn heute in deutschen Städten Sand an Flussufern aufgeschüttet wird, um Strandcafés zu schaffen, dann versucht man damit eine bestimmte Vorstellung von der Landschaft Meer und einer damit verbundenen Stimmung zu wecken.
Der Ökologe räumt zudem mit einigen Vorurteilen auf wie zum Beispiel der irrigen Vorstellung, dass der Naturschutz ursprüngliche oder unverfälschte Natur schütze. Die gibt es in Europa nicht mehr. Der Naturschutz will vielmehr einen bereits vom Menschen geschaffenen Zustand unverändert bewahren und versucht, ihn zu konservieren, ohne zu bedenken, dass Natur selbst nie statisch ist, sondern stetem Wandel unterworfen.
Um zum Beispiel die Lüneburger Heide zu bewahren, ein Ergebnis des radikalen Kahlschlags früherer Jahrhunderte, müssen Schafe alles aufkommende Grün verbeißen. Überließe man sie sich selbst, gäbe es diese Landschaft bald nicht mehr. Es spricht allerdings nichts dagegen, ein bestimmtes Landschaftsbild aus ästhetischen oder kulturellen Gründen erhalten zu wollen. Nur sollte man sich dessen dann auch bewusst sein. Naturschutz ist folgerichtig stets auch Landschaftsschutz.
Angesichts ausgeräumter agrarindustrieller Landschaften heißt Landschaft schützen für Hansjörg Küster heute vor allem, die Spuren traditioneller nachhaltiger Landnutzung zu bewahren. Das, was wir heute sehen und schätzen, ist eben eine gewachsene Mischung aus Natur und menschlichem Einfluss.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Hansjörg Küster: Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft
C.H.Beck Verlag, München 2009
127 Seiten, 12 Euro
Der erste, der Landschaft als einen Gegenstand begriff, über den man nachdenken und den man beschreiben konnte, ist für Hansjörg Küster der Dichter Petrarca, der sich nach seiner Besteigung des Mont Ventoux im April 1336 am Bild einer von Mensch und Natur geschaffenen Landschaft erfreute und sie interpretierte. Mit dem, was er über die Landschaft wusste, deutete er sie. Landschaft entsteht im Kopf, wenn der Betrachter ihre einzelnen Elemente in Beziehung zueinander setzt.
Typisch für jede Landschaft ist zudem, dass sie sich stets in neuem Gewand zeigt. Natur ist deshalb nichts Statisches, allein schon die Jahreszeiten ändern ein Landschaftsbild erheblich. Es wandelt sich zudem ununterbrochen durch den Menschen. Seine permanente Veränderung zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.
Hansjörg Küster beginnt seine Geschichte bei den Jägern und Sammlern, die die Landschaft noch relativ unberührt ließen. Sobald sie jedoch sesshaft wurden, Landwirtschaft betrieben, begannen sie je nach den sich ändernden Bedürfnissen ihre Umgebung immer stärker zu gestalten. Allein schon dadurch, dass man jetzt weitaus mehr Menschen als früher ernähren konnte, entstanden überall neue Siedlungen, griff man in die Landschaft ein.
In sehr geraffter Form schreitet Hansjörg Küster durch die Jahrhunderte, zeigt immer wieder, wie die Entstehung von Städten, neue landwirtschaftliche Methoden der Bewirtschaftung, der Raubbau am Holz, die Industrialisierung deutliche Spuren hinterließen.
Jede Landschaft ist ein Ergebnis der Wechselbeziehung zwischen Wildnis und Zivilisation. Das zeigt allein schon die Entstehung des Gartens und später des Parks, die beide ein Stück Natur domestizieren, bewusste Sichtachsen schaffen, eine ganz bestimmte Vorstellung von Landschaftsbild verwirklichen.
In bewusster Abkehr zur Wildnis versucht man, ein Idealbild zu schaffen und richtete sich natürlich nach den ästethisch-kulturellen Vorstellungen der jeweiligen Zeit. Bestimmte Landschaften wurden zu Metaphern für Gemütszustände wie der deutsche Wald oder die Schweizer Berge. Wenn heute in deutschen Städten Sand an Flussufern aufgeschüttet wird, um Strandcafés zu schaffen, dann versucht man damit eine bestimmte Vorstellung von der Landschaft Meer und einer damit verbundenen Stimmung zu wecken.
Der Ökologe räumt zudem mit einigen Vorurteilen auf wie zum Beispiel der irrigen Vorstellung, dass der Naturschutz ursprüngliche oder unverfälschte Natur schütze. Die gibt es in Europa nicht mehr. Der Naturschutz will vielmehr einen bereits vom Menschen geschaffenen Zustand unverändert bewahren und versucht, ihn zu konservieren, ohne zu bedenken, dass Natur selbst nie statisch ist, sondern stetem Wandel unterworfen.
Um zum Beispiel die Lüneburger Heide zu bewahren, ein Ergebnis des radikalen Kahlschlags früherer Jahrhunderte, müssen Schafe alles aufkommende Grün verbeißen. Überließe man sie sich selbst, gäbe es diese Landschaft bald nicht mehr. Es spricht allerdings nichts dagegen, ein bestimmtes Landschaftsbild aus ästhetischen oder kulturellen Gründen erhalten zu wollen. Nur sollte man sich dessen dann auch bewusst sein. Naturschutz ist folgerichtig stets auch Landschaftsschutz.
Angesichts ausgeräumter agrarindustrieller Landschaften heißt Landschaft schützen für Hansjörg Küster heute vor allem, die Spuren traditioneller nachhaltiger Landnutzung zu bewahren. Das, was wir heute sehen und schätzen, ist eben eine gewachsene Mischung aus Natur und menschlichem Einfluss.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Hansjörg Küster: Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft
C.H.Beck Verlag, München 2009
127 Seiten, 12 Euro