Naturschützer Kai Frobel

Ein Grünes Band für ganz Europa

34:15 Minuten
Kai Frobel
Aus dem Todesstreifen ist ein Naturschutzgebiet geworden - auch dank Kai Frobel. © imago images / BildFunkMV
Moderation: Ulrike Timm |
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Als Kind beobachtete Kai Frobel gern Vögel im innerdeutschen Grenzbereich. Dass sich im ehemaligen Todesstreifen heute das Naturschutzgebiet "Grünes Band" befindet, ist auch ihm zu verdanken. Jetzt möchte er es am liebsten auf Europa ausweiten.
"Das ist der Sohn vom Doktor, der guckt da nach seltenen Vogelarten", das war dem Bundesgrenzschutz recht schnell klar. Kai Frobel, der Junge aus Oberfranken, der regelmäßig morgens um halb fünf mit Fernglas, Fotoapparat und Vogelbestimmungsbuch in Richtung Todesstreifen loszog, wurde nur am Anfang skeptisch beäugt. Bald wusste man, dass für ihn Braunkehlchen, Raubwürger oder Neuntöter interessanter waren als die Grenzanlagen selbst. Den Naturfreund faszinierten der Rückzugsraum bedrohter Tierarten und die ungestörte Entwicklung der Natur.

Westbürger mit Stasi-Akte

Mit einem Vogelbeobachter auf der anderen Seite der Grenze tauschte er per Brief Informationen über die Tiere aus – Briefe, die die Stasi minutiös kopiert und archiviert hat: "Das ist für einen Westbürger eine relativ umfangreiche Akte, 120 Seiten. Ich war schon immer für den BUND ehrenamtlich sehr aktiv, in den Diskussionen damals in den 80ern um Waldsterben oder Atomkraft, und die Stasi wollte nicht, dass dieses alternative Ideengut in die DDR schwappt. Durchaus zurecht, wenn Sie sich überlegen, wer die friedliche Revolution auf die Straße getragen hat – das waren kirchliche Gruppen und Umweltgruppen."
Bereits vier Wochen nach der Grenzöffnung gab es das erste Treffen von Naturschützern beider deutscher Staaten. "Man hat sich gleich verstanden, weil Naturschützer in Ost und West offenbar dieselben Probleme hatten." Gemeinsam entwickelten sie die Idee des "Grünen Bandes", einer geschützten Zone im Bereich des ehemaligen Todesstreifens. "Durch ornithologische Kartierungen in den 70er- und 80er-Jahren wussten wir, dass eine Fülle von Rote-Listen-Arten ausgerechnet dort vorkommt." Hinter diesem Vorhaben stand der BUND mit seinen 560.000 Mitgliedern. "Das sind ja Hunderte von engagierten Menschen, auch in Naturschutzbehörden. Eine richtige grüne Bande, die da aktiv ist, für diese Vision." Heute ist diese Vision wahr geworden, mit einem 1.400 Kilometer langen Naturstreifen quer durch Deutschland.

Lebendiges ökologisches Denkmal

Der Geo-Ökologe und Initiator dieses einmaligen Schutzgebietes, Kai Frobel, hätte nach Wunsch seines Vaters eigentlich mal dessen Landarztpraxis übernehmen sollen, aber sein Herz schlug und schlägt für die Natur: Heute hat er einen Lehrstuhl an der Universität Bayreuth, arbeitet als Referatsleiter für Arten- und Biotopschutz beim BUND Naturschutz und setzt sich auch für eine Ausweitung des Grünen Bandes auf ganz Europa ein. "Der Eiserne Vorhang ging ja nicht nur durch Deutschland." Sogar mit koreanischen Naturschützern pflegen Frobel und seine Kollegen regen Kontakt: "Sie haben fertige Pläne, falls es dort auch hoffentlich mal zu einer Wiedervereinigung kommt, dort auch ein 'Grünes Band Korea', einen Nationalpark einzurichten."
Auch politisch habe dieser besondere Streifen also eine wichtige Bedeutung: "Es ist einmal ein unersetzlicher Lebensraum für die Natur, aber die zweite Funktion ist genauso wichtig: Einfach ein lebendiges ökologisches Denkmal, dass auch heutige Generationen an diesem Band erkennen können, in welcher unglaublichen Dimension, Breite und Länge hier mal ein Riss durch dieses Land ging."
(mah)
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