Navid Kermani über die Proteste im Iran

"Es geht um Nahrung, es geht um Sicherheit“

06:51 Minuten
Iranische Studenten demonstrieren in Teheran. Es ist dunkel, Frauen und Männer halten ihre Hände in die Höhe und rufen, ein Plakat ist zu sehen.
Iranische Studenten bei einer Demonstration in Teheran am 11. Januar: Noch sei nicht abzusehen, wie sich die Proteste im Iran entwickeln werden, sagt der Friedenspreisträger Navid Kermani. © Imago Images/ Zuma Press/ Rouzbeh Fouladi
Navid Kermani im Gespräch mit Gabi Wuttke |
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Die Proteste im Iran gegen die politische und religiöse Führung dauern an. Bei diesen geht es nicht nur um Unfreiheit, sondern auch um "die elementaren Dienstleistungen", die dieser Staat nicht biete, berichtet Friedenspreisträger Navid Kermani.
Im Iran gab es erneut Proteste gegen die politische und religiöse Führung. Anlass ist der versehentliche Abschuss eines ukrainischen Passagierflugzeugs durch das Militär, der zunächst nicht zugegeben, dann aber eingestanden wurde - inklusive Entschuldigung.
Bereits am Samstag hatten Tausende gegen das Regime demonstriert, die Polizei setzte Tränengas ein. Nun titelte sogar eine iranische Sonntagszeitung: "Entschuldigen und zurücktreten" und US-Präsident Donald Trump solidarisierte sich mit den Demonstrierenden via Twitter - und mahnte: "Die Welt schaut zu."

Die Unverschämtheit hat einen Gipfelpunkt erreicht

Auch der deutsch-iranische Publizist und Friedenspreisträger Navid Kermani beobachtet die Situation im Iran und berichtet von einem Gefühl von Unfassbarkeit, das sich im Land breit mache.
Seit 40 Jahren lüge dieses Regime den Menschen ins Gesicht, nun sei es auf frischer Tat ertappt worden: "Es ist dieses Gefühl, dass die Unverschämtheit einen Gipfelpunkt erreicht hat." Angesichts der Dreistigkeit der Geschehnisse der letzten Tage fragten sich die Menschen im Iran: Wie weit will das Regime noch gehen?
Navid Kermani, Schriftsteller, blickt lächelnd in die Kamera, im Hintergrund ist ein Bücherregal.
Navid Kermani beobachtet die Entwicklung im Iran mit Sorge.© picture alliance/Oliver Berg/dpa
Außerdem herrschten Gefühle der Sorge, des Verrats und des Verlorenseins vor: "Man weiß, niemand auf der Welt hilft einem. Man ist nicht einmal in den eigenen Passagierflugzeugen sicher. Wenn das ein iranisches Flugzeug gewesen wäre, dann hätte der Iran das nie zugegeben."

Das iranische Volk in Unmut vereint

Bei den aktuellen Protesten geht es nach Kermanis Ansicht nicht nur um Unfreiheit, sondern auch um elementare Dienstleistungen, die dieser Staat nicht biete:
"Es geht um Wasser, es geht um Nahrung, es geht um Sicherheit. Das Einzige, was man ihnen noch zugebilligt hat, ist, dass zumindest die Sicherheitslage nicht so ist wie in Syrien, wie im Irak. Aber dann sieht man dieses Desaster der eigenen Armee, der eigenen Revolutionswächter und denkt sich: In deren Händen liegt die Sicherheit des Landes? Na dann, gute Nacht!"
Das ganze Land bis weit ins Regime hinein sei im Protest und Unmut vereint, sagt Kermani. Doch die Führung werde jede Art von Demonstration mit Gewalt niederschlagen und versuchen, diese im Keim zu ersticken. "Und es ist nun einmal auch bereit - das haben wir vor einigen Monaten gesehen - Menschen zu töten." Noch sei nicht abzusehen, wie sich die Proteste entwickeln werden.
(ckr)
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