Hitler, mein bester Freund
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Für sechs Oscars ist die Satire "Jojo Rabbit" nominiert: die Geschichte eines Hitlerjungen, der sich Adolf Hitler als imaginären Freund herbeiträumt. Eine etwas didaktische Allegorie auf die heutige Hater-Kultur, meint Filmkritiker Patrick Wellinski.
Die Liste der Hitler-Satiren ist lang. Nun kann sie um einen weiteren Film ergänzt werden: die Romanverfilmung "Jojo Rabbit" des neuseeländischen Filmemachers Taika Waititi. Der Film ist bereits für sechs Oscars nominiert und kommt nun in die deutschen Kinos.
"Jojo Rabbit" handelt vom fanatischen Hitlerjungen Jojo, dem der Mut fehlt, um wirklich kämpferisch für die Sache der Nazis einzutreten. Als Angsthase von den anderen Kindern gebrandmarkt, imaginiert er sich einen prominenten Freund herbei: Adolf Hitler motiviert Jojo, mutiger zu werden, bis dieser entdeckt, dass seine Mutter ein jüdisches Mädchen versteckt hält.
Eine Allegorie auf die heutige Hater-Kultur
Regisseur Waititi selbst bezeichnet seinen Film nicht als Hitler-, sondern als Anti-Hater-Satire. Die Nazis werden hier allegorisch als höchste Form des Hasses, als "Funktionsträger des Bösen" genutzt, um über die heutige Hater-Kultur nachzudenken, meint Filmkritiker Patrick Wellinski.
Das Weltbild, das Jojo vertrete, sei also letztendlich austauschbar, der Gegenwartsbezug ziemlich didaktisch. "Problematisch wird es, wenn der Film anfängt zu psychologisieren. Denn wir erfahren: Ach, Jojo will ja nur Nazi werden, weil sein Vater nicht da ist, weil seine Schwester in frühen Jahren gestorben ist."
Menschen, die sich verlassen und einsam fühlen, können sich zu Ideologien hingezogen fühlen. Das wissen wir. Aber dazu die Maske des Nationalsozialismus zu verwenden, sei "problematisch", so Wellinski.
Die lange Liste der Hitler Satiren
Die Liste der Hitler-Satiren ist lang: Noch während des Zweiten Weltkriegs entstanden die Filme "Sein oder Nichtsein" von Ernst Lubitsch und "Der große Diktator" von Charlie Chaplin, die Hitler beleidigen und diskreditieren sollten.
Nach dem Krieg waren Nazi-Parodien im Kino erst einmal kein großes Thema. Erst in den 60er-Jahren kam ein "absurdistischer Turn" ins Thema, wie es Filmkritiker Patrick Wellinski beschreibt; beginnend mit einigen Monty-Python-Sketchen und Mel Brooks "The Producers", in dem zwei Produzenten sich vornehmen, das schlechteste Broadwaystück der Geschichte zu produzieren. Fündig werden sie bei einem Altnazi, mit dem Titel "Springtime for Hitler". Der Film sei "bis heute der Goldstandard der Hitler-Satiren", meint Wellinski: Nehme er das gute Geschäft, das mit Hitler-Satiren gemacht werden kann, doch schon vorweg.
Wie weit darf Hitler-Satire gehen?
Egal, welche der vielen Satiren, fast alle müssen und mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, das Thema Nationalsozialismus zu verharmlosen. Bei den großen Werken wie Mel Brooks "The Producers" sei dies sicher nicht der Fall, meint Wellinski. Schließlich gehe der Lacher "ja immer auf Hitlers Kosten". Allerdings sei die Gefahr der Trivialisierung gegeben.
In Deutschland herrsche dem Thema generell gegenüber eine große Vorsicht und Sensibilität. Ein amerikanischer Feuilletonist schrieb dazu: "Die Deutschen werden Hitler nicht los. Nicht weil sie ihn vermissen oder ihn noch unterstützen, sondern weil sie sich als Opposition zu ihm definieren. Jedes Mal, wenn er als trotteliger Versager gezeigt wird, wird sich die Gesellschaft ihrer eigenen Ablehnung Hitlers und seiner Gräueltaten bewusst." Im Optimalfall sei dies so, meint Wellinski. "Im schlimmsten Fall lässt uns das Lachen die Taten vergessen."
(lkn)