NDR-Schallplattenarchiv
Fertigmachen für die Reise: Ehrenamtliche Helfer des Schallplattenmuseums Nortorf verpacken Platten im NDR-Archiv. © picture alliance/dpa/Christian Charisius
Ein schwarzer Schatz zieht ins Museum
06:23 Minuten
Gewerkschaftslieder, Maia und Robert oder sogar Mike Krüger – Tausende Schallplatten hat das NDR-Schallplattenarchiv in den letzten Jahrzehnten gesammelt. Darunter sind Schätze, die es nur auf Vinyl gibt.
Es gibt Momente, die sind einfach magisch. Wie eine Zeitkapsel, die sich öffnet, das erste Mal seit 53 Jahren. Eine Schallplatte, die zuletzt im April 1969 aus dem Schallarchiv des NDR geholt wurde – so jedenfalls steht es auf der Karteikarte, die dem Album von Cy, Maia und Robert beiliegt. Einem englisch-dänisch-französischem Trio, das Mitte der 60er-Jahre mit Paul Simon in Dänemark aufgetreten ist.
„Es gibt ja auch viele Künstler, die wahrscheinlich nur ein, zwei Platten rausgegeben haben und die man ansonsten überhaupt nicht kennt. Und da wird’s dann auch wieder spannend. Wenn man so was dann findet, auch mit Erklärungen zu den Künstlern, was ja mit den Rundfunkplatten da ist, da sind ja vielfach noch Künstlerinformationen der Plattenfirmen mit drin und das macht die ganze Sache unglaublich lebendig und interessant auch.“
Lutz Bertram ist Chef des Fördervereins des Schallplattenmuseums in Nortorf, einer kleinen Stadt nördlich von Neumünster, dort wo früher die Teldec ihre Schallplatten gepresst hat. Das Album von Cy, Maia und Robert ist eine von mehr als 100-tausend Schallplatten, die jetzt in dem Museum eine neue Heimat finden.
„Da ist vieles bei, was ich nie gehört habe oder nie gesehen habe, ziemlich spannend. Wir wollen ja die gesamte Bandbreite der Musik oder des Rundfunks dann auch darstellen und das beschränkt sich ja nicht nur auf Jazz oder klassische Musik, sondern durchaus auf andere Geschichten nachher. Da soll sich jeder der Gäste auch wiederfinden in den Schallplatten.“
Von Mike Krüger bis Gewerkschaftslieder
Und es ist tatsächlich alles dabei: Ein Album mit polnischen Gewerkschaftsliedern, Klamauk von Mike Krüger, ein Cover mit barbusigen Frauen im Stroh, seltene Jazz-Aufnahmen aus Hamburger Clubs oder Shellack-Platten, die fast 100 Jahre alt sind.
Der NDR konnte mit all diesen Kostbarkeiten, Skurrilitäten und Raritäten nicht mehr viel anfangen – auch, weil viele der Bestände längst digitalisiert sind. Und der Sender Platz schaffen wollte, sagt Maria Godsch, die Leiterin der Archive.
„Wir wussten, dass wir die Keller räumen müssen, und hatten natürlich keine richtige Idee, wo wir das gut hingeben können, und dann sind wir durch das Landesfunkhaus Kiel, was zuerst den Kontakt zu den Kollegen im Museum gefunden hatte, auch darauf aufmerksam geworden und dann haben wir uns direkt angehängt und die waren auch total begeistert und das war super, supertoll.“
Ein Verkauf sei rechtlich übrigens nicht möglich gewesen, sagt die Archivleiterin. Denn die allermeisten Schallplatten sind sogenannte Industriemuster – der NDR hat sie also nicht gekauft, sondern sie kostenlos von den Plattenfirmen bekommen. Jetzt verschenkt er sie also weiter an das Schallplattenmuseum. Mit einer Bedingung:
„Die Platten gehen in den Besitz des Museums über, aber wir als NDR haben weiter Zugriff darauf. Wenn wir als Archiv dann doch noch mal eine Platte brauchen, oder Musik von Platten brauchen, dann können wir an den Bestand ran und das von dort aus nutzen. Das haben wir ganz klar in einem Schenkungsvertrag miteinander verabredet.“
Vieles ist nicht bei Spotify und Co.
Denn viele, aber längst nicht alle Schellack- und Vinylplatten sind tatsächlich nicht digitalisiert worden – weder von den Rundfunkanstalten, noch von den großen Musik-Streaming-Diensten, sagt Andreas Gaertner. Der NDR-Redakteur kennt das Schallarchiv gut – und weiß um dessen kulturhistorische Bedeutung.
„Das ist ein Irrglaube, dass alles oder dass meiste bei Spotify ist. Ich bin selbst Plattensammler und ich mache mir manchmal nicht die Mühe, die Platte aus dem Regal zu holen, sondern gucke nach den Platten, die ich da gerade hören will, bei Spotify und finde vieles nicht. Vieles ist auch nur eine Zeit lang drin und verschwindet dann tatsächlich wieder – war meine Beobachtung. Es ist ein Irrglaube, Spotify könnte einen solchen Schatz ersetzen.“
In Nortorf wird dieser Schatz dann allen zugänglich sein – und nicht nur den Redakteurinnen und Redakteuren des NDR. Anfang Oktober soll das Schallplattenmuseum wieder öffnen – nach einem großen Umbau für die Schallplatten aus Hamburg.
„Wir machen ja im Museum auch Abhörstationen, wo man auch Platten aus dem Regal ziehen kann und hören kann, wenn man möchte. Und da haben wir nachher um die 100-tausend Schallplatten, also Langspielplatten und Singles dürften auch so um die 50-tausend sein, also 150-tausend Platten, also eine Tagesproduktion einer Schallplatten-Fabrik, die sieben bis acht Prozent Marktanteil in der Bundesrepublik Deutschland hatte.“
Die Schallplatte soll lebendig bleiben
Auch wenn die Teldec seit vielen Jahren schon Geschichte ist: In Nortorf soll sie lebendig bleiben. Nicht nur durch die Originalschallplatten Pressen oder das große NDR-Archiv. Sondern auch durch Menschen wie Eggert Kohn, der mehr als sein halbes Leben bei der Teldec war:
„Ich bin 1970 da angefangen als Maschinenschlosserlehrling. Hab dann da meine Gesellenprüfung gemacht. War dann anschließend noch im Schichtdienst tätig, Reparaturbetrieb für die Schallplattenfertigung und Verpackung und so weiter. So und später habe ich dann Meisterprüfung gemacht und bin dann in der Betriebswerkstatt als Meister gewesen. Und war dann im Endeffekt 39 Jahre da. Und dann ging das ja leider den Bach runter.“
Jetzt hilft er gelegentlich im Museum mit – er hat einen Lkw-Führerschein und bringt den schwarzen Schatz von Hamburg nach Nortorf.