Neal Treadwell und Hugh Nini (Hg.): "Loving. Männer, die sich lieben"

Zeugnisse der Liebe

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Buchcover "Loving. Männer, die sich lieben" von Neal Treadwell und Hugh Nini. Es zeigt eine SW-Fotografie von zwei Männern, im Hintergrund orangene Flecken.
Buchcover "Loving. Männer, die sich lieben" von Neal Treadwell und Hugh Nini © Sandmann Verlag / Deutschlandradio
Von Eva Hepper |
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Männer, die Händchen halten, sich zart berühren oder in den Armen liegen: Im Bildband "Loving" finden sich viele solcher Aufnahmen aus den Jahren 1850 bis 1950. Im Begleittext wird erläutert, wie mutig solche Porträts zu dieser Zeit waren.
Diese Schwarz-Weiß-Fotografie vermittelt pures Liebesglück. Sie zeigt zwei Menschen in feinem Zwirn und mit ordentlich gelegtem Haar, die selig Richtung Kamera lächeln. Der eine umarmt den anderen von hinten, und die Blicke strahlen Innigkeit und tiefe Vertrautheit aus. Ein schönes Paar, abgelichtet um 1860 von einem unbekannten Fotografen.

Beziehungen im Bild festhalten

Eigentlich sind solche Aufnahmen Mitte des 19. Jahrhunderts nichts Ungewöhnliches. Die noch relativ junge Technik der Fotografie wurde gerne genutzt, um intime Beziehungen im Bild festhalten und zu dokumentieren. Ungewöhnlich ist allerdings, dass es sich hier um zwei Männer handelt, die ganz selbstverständlich ihre Liebe zeigen. Und das in einer Zeit, zu der Homosexualität gesellschaftlich geächtet und strafrechtlich verfolgt wurde.
Dennoch ist diese Ferrotypie kein Einzelfall zweier mutiger Männer. Das beweist die eindrückliche Sammlung der beiden US-Amerikaner Hugh Nini und Neal Treadwell, die innerhalb von zwei Jahrzehnten annähernd 3000 Fotografien von Männerpaaren zusammengetragen haben. In einem großformatigen, üppigen Bildband präsentieren sie nun 350 dieser Aufnahmen aus den Jahren 1850 bis 1950.

Liebende jeden Alters

"Loving. Männer, die sich lieben" versammelt Bilder aus aller Welt und zeigt Liebende jeden Alters und jeglicher sozialen Schicht. Zu sehen sind junge Burschen und gestandene Männer, Anzug- und Smokingträger, Bohemiens, Intellektuelle, Fabrikarbeiter, Bauern, Handwerker, Soldaten, Matrosen, Badende, Spaziergänger und viele mehr.
Allen Fotografien gemeinsam ist die Intimität der Porträtierten und die große Menschlichkeit, Zuneigung und Fürsorge, die sich unwillkürlich vermitteln. Ob die Männer auf Parkbänken oder am Strand sitzen, ob sie Händchen halten, sich zart berühren oder in den Armen liegen, ob sie ihr Glück diskret lächelnd genießen oder in verschiedenen Posen regelrecht kokettieren: Es sind reine Zeugnisse der Liebe.

"Not married but willing to be"

Besonders berührend sind die Aufnahmen, auf denen Schirme als Symbole der Geborgenheit gehalten werden oder sogar Schilder: "Honeymoon special" oder "Not married but willing to be".
Wie viel Mut es brauchte, sich so zu zeigen, vermittelt der Text des Soziologen Régis Schlagdenhauffen, der die Fotografien zeit- und gendergeschichtlich einordnet. Wie wenig selbstverständlich sie anscheinend noch immer sind, erzählen schließlich die beiden Sammler in einem sehr persönlichen Beitrag.

Mehr als Zufallsfunde

Das erste Bild, das sie zufällig auf einem Flohmarkt entdeckten, hielten sie für einzigartig. 20 Jahre und zahllose Antiquariatsstreifzüge später haben ihre Funde diese Einschätzung widerlegt.
Was für ein gewichtiges und wichtiges Buch! Es zeigt deutlich mehr als variantenreiche Darstellungen von Männerpaaren. Tatsächlich wird hier auf über 300 Seiten unmissverständlich deutlich, dass Liebe ein universelles Gefühl ist, egal ob in homo- oder heterosexueller Ausprägung, und dass sie sich nicht durch gesellschaftliche Zwänge, Restriktionen oder Verfolgung unterdrücken lässt – zu keiner Zeit und mit keinem Recht!

Neal Treadwell und Hugh Nini (Hg.): "Loving. Männer, die sich lieben"
Aus dem Englischen übersetzt von Katja Hald, Michael Pfingstl und Sven Koch
Elisabeth Sandmann Verlag, Berlin 2020
336 Seiten, 49 Euro

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