Dürre auf Gran Canaria

Wasser aus Nebel gewinnen

06:28 Minuten
Berge im Nebel bei Sonnenaufgang
Wolkenverhangener Sonnenaufgang am Pico de las Nieves auf Gran Canaria: gutes Wetter für die Nebelfänger. © picture alliance / blickwinkel / McPhoto / S. Wolf-Feix
Von Lukas Grasberger |
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Mit sogenannten Nebelfängern gewinnt der Biologe Paco González auf Gran Canaria Wasser. Das Prinzip ist von der Natur abgeschaut – und soll bei der Wiederaufforstung helfen.
Es nieselt in den Bergen von Gran Canaria. Der leichte Regen mischt sich in Nebelschwaden, die über Hänge von üppigem Grün ziehen. Eine Momentaufnahme, die trügt, sagt Paco González. Der Biologe arbeitet für Gesplan, das Umwelt- und Planungsbüro der Inselregierung.
Trockenheit und Dürre sind auch hier oben ein Problem, rund 1200 Meter über dem Atlantik „Über 90 Prozent der Fläche Gran Canarias ist bedroht, zur Wüste zu werden“, sagt González. Die Besiedlung habe den ursprünglichen Bergregenwald vernichtet, die Landwirtschaft die Böden ausgelaugt. „Dazu kommt die Erosion bei Starkregen. Der tritt immer häufiger auf und schwemmt fruchtbares Erdreich einfach weg. Würde es hier noch den ursprünglichen Lorbeerwald geben, hätten wir all diese Probleme nicht“, und so ist auch das Zusammenspiel von Wetter und Vegetation auf Gran Canaria bedroht.
Seit Tausenden von Jahren funktioniert der Kreislauf: Pflanzen wie Gagelbaum, Baumheide oder kanarische Kiefer kämmen Feuchtigkeit aus Passatwinden, die über die Inseln ziehen. Das Wasser kondensiert an den Blättern und Nadeln, tropft ab, versickert im Boden. Kontinuierlich füllen sich so immer wieder die Grundwasserspeicher der Insel, die auf geografischer Höhe der Sahara liegt – ohne Passatwinde würde auch Gran Canaria zur Wüstenlandschaft.

Wassergewinnung wie in der Natur

Es ist ein Prinzip der Wassergewinnung, das findige Forscher wie González nun mit technischen Mitteln nachzuahmen versuchen. Nebelfänger heißt das Prinzip. „Unsere Nebelfänger funktionieren im Prinzip wie Lorbeer- oder Pinienwald, was die Umwandlung von Nebel in Wasser anbelangt“, sagt González.
Dafür brauche es regelmäßigen Nebel und Wind, der den Nebel durch die netzartige Struktur der Kollektoren treibt, sodass nach und nach kleine Tropfen hängen bleiben, die sich dann vermengen, und schließlich nach unten in einen Sammelbehälter fallen. „Über Leitungen fließt das Wasser dann bergab in große Tanks. In dem einem Jahr seit Start des Projekts haben wir so rund 53.000 Liter Wasser aufgefangen.“

Wo Wasser zum Überleben benötigt wird

Die gut vier Meter hohen Gestelle sind mit Kunststoff überzogen – und ragen wie riesige grüne Dominosteine aus dem Bergrücken. 15 Stück sind es, die das Wasser zur Wiederaufforstung mit derzeit 7000 Bäumen liefern. In den kommenden zwei Jahren soll nochmal die doppelte Menge hinzukommen.
Mann in einer gelben Jacke steht neben hohen kastenförmigen Netzkonstruktionen: Biologe Paco González neben seinen Nebelfängern.
Nebel und Wind benötigen die Nebelfänger von Paco González.© Lukas Grasberger
Auch in Katalonien und Portugal wird so Wasser aus Nebel und Wind gewonnen. Das Prinzip ist vor allem für Regionen interessant, in denen nicht nur punktuell Trockenheit herrscht: Regionen des globalen Südens etwa, in denen Wasser zum Überleben benötigt wird, sagt der Münsteraner Klimatologie Professor Otto Klemm. „Es gibt einzelne Projekte, wo das richtig gut funktioniert, Nebel zu sammeln.“ Im Hochgebirge von Guatemala zum Beispiel, an der Westküste von Südamerika oder in Peru.

Keine nachhaltigen Materialien

Aber es gebe verschiedenste Probleme, die dazu führen, dass so etwas nicht nachhaltig sei, sagt Klemm. „Wir haben Situationen, wo das Netzmaterial nicht so hochwertig ist, wo das dann reißt, und das müsste dann repariert werden. Und wo kommt dann neues Material her? Wie wird das repariert? Wer macht das? Aber jetzt gibt es jüngere Entwicklungen, wo vernünftige Materialien – also vernünftig im Sinne von Stabilität – entwickelt, getestet und angewendet werden.“
An einem praktisch unverwüstlichen Nebelfänger, der kaum Wartung benötigt, tüfteln Wissenschaftler auf den Kanaren. Paco González bahnt sich den Weg durch dichtes Efeu, ein paar Schritte hinab, deutet auf einen eineinhalb Meter hohen Metallkasten. Diese Struktur hier sei viel widerstandsfähiger. „Hier haben wir kleine Nadeln aus Metall, an denen sich die Nebeltropfen sammeln. Dieses Modell ist eine Eigenentwicklung, ein Prototyp, der einfacher und günstiger herzustellen, einfacher zu transportieren und aufzustellen ist – und er kann praktisch nicht kaputtgehen, egal wie stark Wind und Regen daran rütteln.“

Autarke Systeme schaffen

In Sichtweite zu den neuartigen Nebelfängern ragen ein paar Gagelbaum-Setzlinge aus dem Boden, umgeben von kleinen Nebelfänger-Gittern: Sie bewässern die Pflanzen selbstständig – und schützen sie gleichzeitig vor Schädlingen. Weiter unten hat González` Team Wassersammeltanks installiert, die sich bei ausreichendem Füllstand selber entladen und darunterliegende Bäume gießen.
Autarke Systeme sollen den ökologischen Fußabdruck der Insel verringern: Zum einen, weil der wiederaufgeforstete Wald CO2 speichert. Zum anderen wird keine externe Energie verbraucht – etwa zum Transport des Wassers durch Pumpen oder Tank-Lastwagen.
Nebelfänger können zumindest einen kleinen Beitrag leisten, um eine besonders emissionsreiche Form der Trinkwasser-Produktion zurückzufahren, so Klimaforscher Otto Klemm. Sie kommt vor allem in südlichen Ländern zum Einsatz. „Man behilft sich da mit Seewasserentsalzung, was im Moment ganz schick aussieht. Aber wenn man ein Stück weiterdenkt, dann sieht man, dass da Unmengen an CO2 in die Luft geblasen werden.“

Unterschätzte Zukunftstechnologie

Doch nicht nur im Kampf gegen die Erderwärmung sind Nebelfänger – in den Augen des Forschers – eine bislang unterschätzte Zukunftstechnologie. „Ich glaub schon, dass man das Nebelsammeln noch sehr stark weiterentwickeln kann. Es gibt bestimmt noch viele Regionen, wo man das sehr sinnvoll und sehr erfolgreich einsetzen kann.“

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