Neid, Missgunst und zerbrochene Beziehungen
Am Mythos der kalifornischen Singer und Songwriter kratzt Barney Hoskyns in seinem unterhaltsamen Buch "Hotel California". Das Leben an der amerikanischen Sonnenküste war nämlich auch in den 60er und 70er Jahren keineswegs nur sorglos. Die Beziehungen zwischen den Musikern waren von Selbstsucht und Geldgier geprägt.
Kalifornien: Sommer, Sonne, sorgloses Leben - der dazugehörige Soundtrack von Crosby, Stills, Nash & Young, James Taylor, den Byrds, Eagles und vielen anderen ist ein sorgsam gepflegter Mythos, der in einem neuen Buch ins rechte Licht gerückt wird.
Der britische Autor und Musikjournalist Barney Hoskyns hat in Hunderten von Interviews zahlreiche Protagonisten der kalifornischen Szene der siebziger Jahre interviewt. Musiker wie Jackson Browne, David Crosby, Don Henley oder Linda Ronstadt, Fotografen und Szenegänger, Manager und Plattenproduzenten erzählen, wie sich die Dinge aus ihrer Sicht zugetragen haben. Diese Bestandsaufnahme rückt das Hedonisten-Paradies Kalifornien und dessen weltbekannte Begleitmusik in einen anderen, überaus kritischen und teilweise erschreckenden Blickwinkel.
Hoskyns beginnt seinen Rückblick Mitte der sechziger Jahre, als Kalifornien mit seinen Metropolen San Francisco und Los Angeles der bis dahin wichtigsten amerikanischen Musikstadt New York nach und nach den Rang ablief. Parallel zur Beatnik-Bewegung um Schriftsteller wie Allan Ginsberg und Jack Kerouac sammelten sich im sonnigen Kalifornien Folkmusiker, die in kleinen Clubs und Cafés kritische Lieder gegen den Muff der fünfziger Jahre McCarthys und Eisenhowers sangen.
Die aufkeimende Kritik am Vietnam-Krieg und die Politisierung der Jugend bildete den Boden für den neuen Musikertypus des Singer/Songwriters, der seine eigenen Lieder und Texte schrieb und selbst sang. Nachdem 1964 die Beatles Amerika erobert hatten, stöpselten viele dieser Folkmusiker die Stromkabel ein und arbeiteten an einer eigenen Musikvariante, die, neben Folk und Beat, traditionelle amerikanische Musikformen wie Country und Blue Grass mit einbezog.
Nach ersten Erfolgen der Byrds, Beach Boys und Mamas & Papas verlagerte sich das Interesse der amerikanischen Plattenfirmen an die Westküste, in die kalifornische Metropole Los Angeles. Dort hatten sich junge Manager und Agenten der vielversprechenden Künstler angenommen und den neuen Sound im richtigen Augenblick clever vermarktet. Mit Bands und Musikern wie Neil Young, James Taylor, Joni Mitchell und Crosby, Stills & Nash waren die neuen Stars plötzlich in aller Munde und bestimmten die internationalen Charts.
Aus den ehemals politisch und gesellschaftlich engagierten Folk-Musikern wurden quasi über Nacht weltweit umworbene Idole, gleichzeitig aber auch von der Alltagswelt abgehobene Millionäre, denen es hinter den Kulissen nur noch um Geld, Chartsplazierungen und persönliche Vorteile ging. Schnell kamen außerdem Drogen und Alkohol ins Spiel, die die Szene nachhaltig veränderten.
Die Musiker, die sich rund um den Laurel Canyon in Los Angeles angesiedelt hatten, verloren durch den schnellen Erfolg und Reichtum den Boden unter den Füßen und bewegten sich ausschließlich unter ihresgleichen. So ist von der Folk-Ikone Joni Mitchell ein Zitat verbürgt, nach dem die Musikerin auf einer Party einen anderen Rock-Star bat, ihr ein Getränk zu besorgen, weil sie nicht mit gewöhnlichen Menschen in Kontakt kommen wollte.
John Phillips, Chef der Mamas & Papas, äußerte die Ansicht, man müsse einen neuen Menschentypus erschaffen und plädierte dafür, nur noch Inzucht in der eigenen Superstar-Szene zu betreiben. In Wirklichkeit aber sorgten Neid und Missgunst um kommerzielle Vorteile dafür, dass Freundschaften, Liebesbeziehungen und selbst geschäftliche Absprachen in die Brüche gingen. Viele der Bands, wie die Byrds, Eagles, Crosby, Stills, Nash & Young zerbrachen daran.
Ein weiterer roter Faden, der das Buch durchzieht, ist die Geschichte des jungen Agenten und späteren Schallplattenbosses David Geffen, der mit der Gründung und dem Erfolg seines Plattenlabels Asylum zum Tycoon der amerikanischen Musikbranche wurde. Sämtliche von ihm verpflichteten Bands und Musiker der Laurel Canyon-Szene, wie Jackson Browne, The Eagles, Joni Mitchell, Tom Waits und Linda Ronstadt, gehörten zu den umsatzstärksten Musikern der siebziger Jahre.
Barney Hoskyns gelang mit "Hotel California - Singer-Songwriters und Kokain-Cowboys in den Canyons von L.A." ein faktenreiches und höchst informatives Buch, das eine wichtige Phase der amerikanischen Pop-Musikgeschichte aufrollt, die Entstehung eines neuen Musikstils beschreibt und den Blick hinter die Kulissen der geschäftlichen Vermarktung dieses Trends und seiner Macher erlaubt.
Hoskyns entlarvt mit seinem Buch einen sorgsam gepflegten Mythos, der weit über die Musik hinausgeht und bis in die touristische Vermarktung Kaliforniens hineinreicht. Gleichzeitig werden dessen Protagonisten als selbstsüchtige und geldgierige Personen dargestellt, denen es ab einem bestimmten Zeitpunkt ausschließlich um ihren persönlichen Interessen ging.
Dem Autor gelingt es dabei immer, den richtigen Ton zu treffen und den schmalen Grad zwischen Boulevard-Voyerismus und Enthüllungs-Journalismus zu finden. Ein spannendes und gleichzeitig unterhaltsames Buch über eine Szene, die in den Siebzigern und bis weit in die achtziger Jahre den Soundtrack für eine ganze Generation lieferte.
Barney Hoskyns, der lange selbst in Los Angeles wohnte, arbeitete für britische Musikmagazine wie New Musical Express, Melody Maker, Harper's Bazaar. Daneben schrieb er unter anderem Bücher über Country-Soul und Glam-Rock. Heute ist Hoskyns für die BBC als Autor tätig.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Barney Hoskyns: Hotel California.
Singer-Songwriter und Kokain-Cowboys in den Canyons von L.A.
Aus dem Englischen von Jörg Gülden
Hannibal Verlag
360 Seiten, 24,90 Euro
Der britische Autor und Musikjournalist Barney Hoskyns hat in Hunderten von Interviews zahlreiche Protagonisten der kalifornischen Szene der siebziger Jahre interviewt. Musiker wie Jackson Browne, David Crosby, Don Henley oder Linda Ronstadt, Fotografen und Szenegänger, Manager und Plattenproduzenten erzählen, wie sich die Dinge aus ihrer Sicht zugetragen haben. Diese Bestandsaufnahme rückt das Hedonisten-Paradies Kalifornien und dessen weltbekannte Begleitmusik in einen anderen, überaus kritischen und teilweise erschreckenden Blickwinkel.
Hoskyns beginnt seinen Rückblick Mitte der sechziger Jahre, als Kalifornien mit seinen Metropolen San Francisco und Los Angeles der bis dahin wichtigsten amerikanischen Musikstadt New York nach und nach den Rang ablief. Parallel zur Beatnik-Bewegung um Schriftsteller wie Allan Ginsberg und Jack Kerouac sammelten sich im sonnigen Kalifornien Folkmusiker, die in kleinen Clubs und Cafés kritische Lieder gegen den Muff der fünfziger Jahre McCarthys und Eisenhowers sangen.
Die aufkeimende Kritik am Vietnam-Krieg und die Politisierung der Jugend bildete den Boden für den neuen Musikertypus des Singer/Songwriters, der seine eigenen Lieder und Texte schrieb und selbst sang. Nachdem 1964 die Beatles Amerika erobert hatten, stöpselten viele dieser Folkmusiker die Stromkabel ein und arbeiteten an einer eigenen Musikvariante, die, neben Folk und Beat, traditionelle amerikanische Musikformen wie Country und Blue Grass mit einbezog.
Nach ersten Erfolgen der Byrds, Beach Boys und Mamas & Papas verlagerte sich das Interesse der amerikanischen Plattenfirmen an die Westküste, in die kalifornische Metropole Los Angeles. Dort hatten sich junge Manager und Agenten der vielversprechenden Künstler angenommen und den neuen Sound im richtigen Augenblick clever vermarktet. Mit Bands und Musikern wie Neil Young, James Taylor, Joni Mitchell und Crosby, Stills & Nash waren die neuen Stars plötzlich in aller Munde und bestimmten die internationalen Charts.
Aus den ehemals politisch und gesellschaftlich engagierten Folk-Musikern wurden quasi über Nacht weltweit umworbene Idole, gleichzeitig aber auch von der Alltagswelt abgehobene Millionäre, denen es hinter den Kulissen nur noch um Geld, Chartsplazierungen und persönliche Vorteile ging. Schnell kamen außerdem Drogen und Alkohol ins Spiel, die die Szene nachhaltig veränderten.
Die Musiker, die sich rund um den Laurel Canyon in Los Angeles angesiedelt hatten, verloren durch den schnellen Erfolg und Reichtum den Boden unter den Füßen und bewegten sich ausschließlich unter ihresgleichen. So ist von der Folk-Ikone Joni Mitchell ein Zitat verbürgt, nach dem die Musikerin auf einer Party einen anderen Rock-Star bat, ihr ein Getränk zu besorgen, weil sie nicht mit gewöhnlichen Menschen in Kontakt kommen wollte.
John Phillips, Chef der Mamas & Papas, äußerte die Ansicht, man müsse einen neuen Menschentypus erschaffen und plädierte dafür, nur noch Inzucht in der eigenen Superstar-Szene zu betreiben. In Wirklichkeit aber sorgten Neid und Missgunst um kommerzielle Vorteile dafür, dass Freundschaften, Liebesbeziehungen und selbst geschäftliche Absprachen in die Brüche gingen. Viele der Bands, wie die Byrds, Eagles, Crosby, Stills, Nash & Young zerbrachen daran.
Ein weiterer roter Faden, der das Buch durchzieht, ist die Geschichte des jungen Agenten und späteren Schallplattenbosses David Geffen, der mit der Gründung und dem Erfolg seines Plattenlabels Asylum zum Tycoon der amerikanischen Musikbranche wurde. Sämtliche von ihm verpflichteten Bands und Musiker der Laurel Canyon-Szene, wie Jackson Browne, The Eagles, Joni Mitchell, Tom Waits und Linda Ronstadt, gehörten zu den umsatzstärksten Musikern der siebziger Jahre.
Barney Hoskyns gelang mit "Hotel California - Singer-Songwriters und Kokain-Cowboys in den Canyons von L.A." ein faktenreiches und höchst informatives Buch, das eine wichtige Phase der amerikanischen Pop-Musikgeschichte aufrollt, die Entstehung eines neuen Musikstils beschreibt und den Blick hinter die Kulissen der geschäftlichen Vermarktung dieses Trends und seiner Macher erlaubt.
Hoskyns entlarvt mit seinem Buch einen sorgsam gepflegten Mythos, der weit über die Musik hinausgeht und bis in die touristische Vermarktung Kaliforniens hineinreicht. Gleichzeitig werden dessen Protagonisten als selbstsüchtige und geldgierige Personen dargestellt, denen es ab einem bestimmten Zeitpunkt ausschließlich um ihren persönlichen Interessen ging.
Dem Autor gelingt es dabei immer, den richtigen Ton zu treffen und den schmalen Grad zwischen Boulevard-Voyerismus und Enthüllungs-Journalismus zu finden. Ein spannendes und gleichzeitig unterhaltsames Buch über eine Szene, die in den Siebzigern und bis weit in die achtziger Jahre den Soundtrack für eine ganze Generation lieferte.
Barney Hoskyns, der lange selbst in Los Angeles wohnte, arbeitete für britische Musikmagazine wie New Musical Express, Melody Maker, Harper's Bazaar. Daneben schrieb er unter anderem Bücher über Country-Soul und Glam-Rock. Heute ist Hoskyns für die BBC als Autor tätig.
Rezensiert von Uwe Wohlmacher
Barney Hoskyns: Hotel California.
Singer-Songwriter und Kokain-Cowboys in den Canyons von L.A.
Aus dem Englischen von Jörg Gülden
Hannibal Verlag
360 Seiten, 24,90 Euro