Nicht nur geträumt
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Der Auftritt ihrer Band 1982 im ARD-Musikladen war ein Ereignis - Startschuss einer Karriere, die bis heute andauert. Es gab Einschnitte, aber Nenas Lachen ist geblieben. Damit begeisterte sie nicht nur die Deutschen, sondern auch die Amerikaner.
Nena war ein Märchen. Ein Auftritt im ARD-Musikladen, einen Tag später verkaufte sich die Single "Nur geträumt" gleich 40.000 mal. Beinahe über Nacht war die Weiche gestellt, aus einem tatsächlich bescheidenen Mädchen mit Spaß am Singen den Vorzeigestar der BRD zu machen.
Gabriele Susanne Kerner aus Hagen in Westfalen, die ihrer Provinzkapelle The Stripes weggelaufen und in die Mauerstadt Berlin geflüchtet war, wo die neue Welle schwappte und sie sich beim Szene-Zampano Jim Rakete nützlich machte und erstmal – einfach immer staubsaugte.
Unverstellter Lebensmut
Sie war richtig nett, einfach gestrickt, damals noch unbedarft, unbeschwert und voller Lebensmut: Wie sie halt so sind in Hagen in Westfalen, dem Tor zum Sauerland, wo sie Andreas-Bier tranken und wo Manta Manta spielte. Auch Nena wäre damals ohne Probleme als Friseuse durchgegangen – und das war die Stärke dieser Band!
Nena war eine Band, deren Sängerin auch Nena hieß, und sie war tight und ziemlich lakonisch: versierte und gestandene Musiker. Aber Nena als Frontfrau war ein in Deutschland nie gekannter Wirbelwind. Dieser unverstellte Lebensmut war echt! Hautenge Hose mit Leopardenmuster, eine schwarze Lederjacke, ein rotes, ärmelloses T-Shirt, und sie bewegte sich pausenlos! Und man war sich einig: Mehr ackert ein Fußballer auch nicht.
Die ernsten Pop-Kritiker rümpften natürlich die Nasen über Nena: zu sauber, zu fröhlich, zu erfolgreich: Aber "Nur geträumt" kam auch ohne die Kritiker riesig raus, dann "99 Luftballons" und der "Leuchtturm". Nena wurde Dauergast vorn auf der "Bravo".
Amerika erobert mit "99 Luftballons"
Und dann kam ja auch Amerika. Die zweite Single "99 Luftballons" war auf dem Plattenteller eines DJ in Los Angeles gelandet und verbreitete sich in ganz Nordamerika und schließlich der ganzen Welt. Na klar: Wo doch jeder wußte, dass Deutschland bald von russischen Raketen ausgelöscht würde, da zog dieses Protestlied für den Frieden, wie es verstanden wurde, natürlich ungemein.
Aber nach einer Weile hatten sich die Nenas zerrieben: Das Fröhliche, der kleine überschaubare Spaß, der die Musik tatsächlich ansteckend gemacht hatte, das Unbeschwerte war vorbei.
Als Nena, die Band, sich dann auflöste, sammelte Nena, die Sängerin, einfach die Fetzen der westfälischen Lebenswut ein – besonders, nachdem die Medien sie nochmal ordentlich durch den Wolf gedreht hatten, als ihr erster Sohn mit elf Monaten starb. Wen die Schmierenpresse einmal liebgehabt hat, den lässt sie nicht mehr aus den Klauen – zumindest nicht in einem Stück.
Kinderplatten und Jugendfernsehen
Und Nena fing also an, statt Popalben Kinderplatten zu machen – von Nena und der Bambus-Bären-Bande, von Madou und dem Licht der Fantasie, sogar vom Sams. Immer wieder mal saß sie eine Zeit lang in Casting Shows, initiierte eine alternative Schule, moderierte Jugendsendungen im Fernsehen und später dann auch Kindersendungen. Alle paar Jahre aber kam sie auch mit einem mehr oder weniger überraschenden richtigen Nena-Album.
Mit dem Alter wurden auch ihre Texte mehr und mehr wie beim Friseur: "Wenn alles richtig ist, stimmt was nicht" und "Jamma nich!" – Binsenweisheiten, wie sie das einfache Leben schreibt. Aber genau dafür haben die Fans ihre Nena ja immer geliebt!
Eine flotte Oma
Den Inge-Meysel-Preis als junge Mutter der Nation hat Nena zwar nicht gekriegt, aber so was Ähnliches. Als sie 2009 nämlich den Titel des Otto-Katalogs zierte. Und inzwischen ist Nena ja auch vierfache Oma.
Eine flotte Oma, wie man in Hagen damals gesagt hätte. Und das finden wahrscheinlich auch ihre Fans, wenn Nena, sobald Publikum da ist, ihr fast noch faltenfreies Nena-Lachen einschaltet. Und was will frau mehr?