Neonazis im Blickpunkt
Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer geben in "In der NPD. Reisen in die national befreite Zone" anhand von Fallbeispielen einen Einblick in das rechtsextreme Milieu. Patrick Gensing warnt in "Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis und was man dagegen tun kann" vor der "rechten Gefahr" und verortet rechtsextremes Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft.
Zwei Jahre lang haben sich die Journalisten Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer in der NPD und dem ihr nahestehenden Milieu umgesehen. Dabei stellten sie nur das fest, was die interessierte Öffentlichkeit schon länger weiß:
"Wir haben eine Partei kennen gelernt, die nicht weniger plant als die radikale Umwälzung der bestehenden Gesellschaftsordnung und der Werteordnung, auf der die parlamentarische Demokratie fußt – eine Partei, deren Aktivisten bereit sind, alles diesen politischen Zielen unterzuordnen. Sie haben sich Geduld verordnet und einen strategischen Plan ausgearbeitet, an dessen Ende in vielen Jahren die Machtübernahme in Deutschland stehen soll."
Es folgen Schilderungen über einen Neonazi, der im Thüringer Wald die ländliche Gemeinschaft unterwandern wollte, über antipolnische Hetztiraden der NPD im Osten Vorpommerns, über die jungen Nationaldemokraten und die autonomen Nationalisten. Die Fallstudien stehen unvermittelt nebeneinander und sollen die NPD als flächendeckend vorhandenes Schreckgespenst aufblähen. Offenbar soll beim Leser der Eindruck entstehen, der Rechtsextremismus sei eine starke gesellschaftliche Kraft.
Zu Recht charakterisieren die Autoren die NPD als eine nationalbolschewistische Kraft, die vor allem in den neuen Ländern auf eine allerdings auch hier begrenzte Zustimmung hoffen kann.
"So sieht sie die Linkspartei als Hauptkonkurrentin im Kampf um Wählerschichten, die sich von dem angeblichen ‚neoliberalen Parteikartell’ aus CDU, SPD, den Grünen und FDP abwenden. Turbulenzen auf den Finanzmärkten, wachsende soziale Unterschiede und die konturlose Politik der Großen Koalition in Berlin nutzen der NPD. Auf ihrem Weg weben die NPD-Ideologen völkische und rassistische Ideologieelemente in ihre sozialpolitische und globalisierungsfeindliche Agitation ein."
Bei genauerem Hinsehen reduziert sich das bürgerliche Image, das der NPD angeblich in einigen Landstrichen zu eigen ist, auf einige Personen wie den berühmten, inzwischen verstorbenen Fahrschullehrer, den Akademiker oder den braven Studenten, die als Beweis für den Einmarsch der NPD in die bürgerliche Mitte angeführt werden. Tatsächlich erfahren rechtsextreme Parteien gerade im bürgerlichen Milieu entschiedene Ablehnung, wie ein Vergleich der Wahlergebnisse zeigt.
Abgesehen von einigen interessanten Einblicken in die Szene der autonomen Nationalisten, die Habitus und auch viele Inhalte linker Autonomer kopieren, und der Einordnung der jungen Nationaldemokraten als Bindeglied zwischen militanten Neonazis und Mutterpartei erfährt der Leser in diesem Buch keine neuen Informationen über die NPD, die seit geraumer Zeit sich selbst zerfleischt.
Ein weiteres Buch über Neonazis wird vom Verlag mit den Worten angekündigt:
"Die NPD ist auf dem Vormarsch. Das Ziel ist der Einzug in den Bundestag. Die Rechtsextremen haben optimale Möglichkeiten zur zielgruppengerechten Verbreitung ihrer Parolen und Musik im World Wide Web. Im Blickfeld stehen vor allem jüngere Menschen. Wie konnte sich eine völkische Bewegung erneut etablieren, wie nutzen Neonazis die modernen Medien, wie funktioniert die rechtsextreme Parallelwelt? Wo sind die NPD und andere Rechtsextremisten besonders verwundbar?"
Der unter anderem für Tagesschau.de und Panorama arbeitende Journalist Patrick Gensing referiert ebenso wie seine beiden Berufskollegen wenig Neues über die NPD und die Neonazis. Ihre Ideologie der Volksgemeinschaft, ihr völkischer Antikapitalismus und ihre ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit als Grundlage ihrer Ideologie sind ebenso bekannt wie ihre Geschichte. Mit lauten Worten warnt der Autor vor einer Verharmlosung der Komplexität und Schlagkraft des Rechtsextremismus in Deutschland.
"Rechtsextremisten bemühen sich um Anschluss an die Mitte der Gesellschaft, agieren bundesweit – sogar international –, und es gibt diverse Organisationsformen: Parteien, freie Kameradschaften, kriminelle Banden, Musikgruppen, mittelständische Unternehmen, einzelne Aktivisten. Daher sollte bezüglich des Rechtsextremismus in der Bundesreplik von einer sozialen Bewegung gesprochen werden."
Die NPD als soziale Bewegung erfahre auf dem Land in Ostdeutschland besondere Unterstützung, da hier das demokratische Bewusstsein unterentwickelt sei. Dies wird nicht etwa als Erbe der DDR, sondern als Folge der Wiedervereinigung gesehen. Als Beleg hierfür dient die vielfach widerlegte Legende von den Modernisierungsverlierern, die ein schier unerschöpfliches Reservoir für rechtsextreme Parteien darstellten.
"Gleichzeitig sind ihre Lieblingsthemen längst im öffentlichen Bewusstsein vorhanden. Der Wahlkampfschlager ‚Kriminelle Ausländer’ wird beispielsweise gelegentlich von Unionspolitikern zur Stimmungsmache aufgegriffen, um ‚den Stammtisch’ zu bedienen, wie es dann verniedlichend heißt. Aber auch die rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung bringen die rechtsextremen Akteure nicht weiter – sie kommen an diese Leute nicht heran, um sie für ihre politische Arbeit zu begeistern."
Das Volk sei also ideologisch vorbereitet und warte bereits auf die neonazistische Machtergreifung. Der Bewegung fehle es allerdings an charismatischen Führern und unterwanderten gesellschaftlichen Institutionen. Auch schade der Bewegung die Auseinandersetzung um Gewalttaten rechtsextremer Schläger sowie die NS-Nostalgie.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Bisher erzielen rechtsextreme Parteien Wahlerfolge nur im Osten, im Westen bleiben sie mit mageren Ergebnissen um ein Prozent außen vor. Damit aber dieser Tatbestand kein allzu positives Bild auf den Westen wirft, erwähnt Gensing die Aktivitäten kleiner neonazistischer Gruppen, die angeblich allerorten Angst und Schrecken verbreiten.
Wie lässt sich nun der Vormarsch der Neonazis stoppen? Ganz einfach, meint der Autor: Der Blick müsse auf die Mitte der Gesellschaft gelenkt werden, die inzwischen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sowie menschenfeindliche Einstellungen allgemein zulasse. Daher gelte es, effektive Konzepte gegen Rechtsextremismus und menschenfeindliche Einstellungen weiterzuentwickeln und die Gesellschaft so zu verändern, wie es die selbsternannten antifaschistischen Akteure sich vorstellen.
"Es gilt viel zu kritisieren an der gesellschaftlichen Realität in der Bundesrepublik, die ungerechte Verteilung von Reichtum beispielsweise oder die teilweise misslungene Integration von Zuwanderern."
Beide Bücher erwähnen nicht, dass rechtsextremistische Ideologien und Parteien in Deutschland insgesamt weniger stark ausgeprägt sind als in vergleichbaren Ländern und Regionen, weil eine breite Mehrheit der Bevölkerung die rassistischen und menschenverachtenden Parolen rechtsextremer Rattenfänger entschieden ablehnt. Nur bei schlichten Gemütern hat der Rechtsextremismus in Deutschland bisher eine nennenswerte Verbreitung gefunden. Bücher wie die hier vorgestellten übertreiben mehr oder weniger bewusst die "rechte Gefahr", um eigene Vorstellungen zur Veränderung der Gesellschaft besser rechtfertigen zu können. Die NPD und ihr neonazistisches Umfeld sollten als das dargestellt werden, was sie sind: eine kleine, mitunter gewaltbereite Gruppe von nationalistischen und rassistischen Sozialisten, die – abgesehen von einigen ostdeutschen Regionen – wenig Unterstützung finden.
Christoph Ruf,Olaf Sundermeyer: In der NPD. Reisen in die national befreite Zone
Verlag C. H. Beck, München 2009
229 Seiten, 12,95 Euro
Patrick Gensing: Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis und was man dagegen tun kann
dtv, München 2009
288 Seiten, 12,90 Euro
"Wir haben eine Partei kennen gelernt, die nicht weniger plant als die radikale Umwälzung der bestehenden Gesellschaftsordnung und der Werteordnung, auf der die parlamentarische Demokratie fußt – eine Partei, deren Aktivisten bereit sind, alles diesen politischen Zielen unterzuordnen. Sie haben sich Geduld verordnet und einen strategischen Plan ausgearbeitet, an dessen Ende in vielen Jahren die Machtübernahme in Deutschland stehen soll."
Es folgen Schilderungen über einen Neonazi, der im Thüringer Wald die ländliche Gemeinschaft unterwandern wollte, über antipolnische Hetztiraden der NPD im Osten Vorpommerns, über die jungen Nationaldemokraten und die autonomen Nationalisten. Die Fallstudien stehen unvermittelt nebeneinander und sollen die NPD als flächendeckend vorhandenes Schreckgespenst aufblähen. Offenbar soll beim Leser der Eindruck entstehen, der Rechtsextremismus sei eine starke gesellschaftliche Kraft.
Zu Recht charakterisieren die Autoren die NPD als eine nationalbolschewistische Kraft, die vor allem in den neuen Ländern auf eine allerdings auch hier begrenzte Zustimmung hoffen kann.
"So sieht sie die Linkspartei als Hauptkonkurrentin im Kampf um Wählerschichten, die sich von dem angeblichen ‚neoliberalen Parteikartell’ aus CDU, SPD, den Grünen und FDP abwenden. Turbulenzen auf den Finanzmärkten, wachsende soziale Unterschiede und die konturlose Politik der Großen Koalition in Berlin nutzen der NPD. Auf ihrem Weg weben die NPD-Ideologen völkische und rassistische Ideologieelemente in ihre sozialpolitische und globalisierungsfeindliche Agitation ein."
Bei genauerem Hinsehen reduziert sich das bürgerliche Image, das der NPD angeblich in einigen Landstrichen zu eigen ist, auf einige Personen wie den berühmten, inzwischen verstorbenen Fahrschullehrer, den Akademiker oder den braven Studenten, die als Beweis für den Einmarsch der NPD in die bürgerliche Mitte angeführt werden. Tatsächlich erfahren rechtsextreme Parteien gerade im bürgerlichen Milieu entschiedene Ablehnung, wie ein Vergleich der Wahlergebnisse zeigt.
Abgesehen von einigen interessanten Einblicken in die Szene der autonomen Nationalisten, die Habitus und auch viele Inhalte linker Autonomer kopieren, und der Einordnung der jungen Nationaldemokraten als Bindeglied zwischen militanten Neonazis und Mutterpartei erfährt der Leser in diesem Buch keine neuen Informationen über die NPD, die seit geraumer Zeit sich selbst zerfleischt.
Ein weiteres Buch über Neonazis wird vom Verlag mit den Worten angekündigt:
"Die NPD ist auf dem Vormarsch. Das Ziel ist der Einzug in den Bundestag. Die Rechtsextremen haben optimale Möglichkeiten zur zielgruppengerechten Verbreitung ihrer Parolen und Musik im World Wide Web. Im Blickfeld stehen vor allem jüngere Menschen. Wie konnte sich eine völkische Bewegung erneut etablieren, wie nutzen Neonazis die modernen Medien, wie funktioniert die rechtsextreme Parallelwelt? Wo sind die NPD und andere Rechtsextremisten besonders verwundbar?"
Der unter anderem für Tagesschau.de und Panorama arbeitende Journalist Patrick Gensing referiert ebenso wie seine beiden Berufskollegen wenig Neues über die NPD und die Neonazis. Ihre Ideologie der Volksgemeinschaft, ihr völkischer Antikapitalismus und ihre ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit als Grundlage ihrer Ideologie sind ebenso bekannt wie ihre Geschichte. Mit lauten Worten warnt der Autor vor einer Verharmlosung der Komplexität und Schlagkraft des Rechtsextremismus in Deutschland.
"Rechtsextremisten bemühen sich um Anschluss an die Mitte der Gesellschaft, agieren bundesweit – sogar international –, und es gibt diverse Organisationsformen: Parteien, freie Kameradschaften, kriminelle Banden, Musikgruppen, mittelständische Unternehmen, einzelne Aktivisten. Daher sollte bezüglich des Rechtsextremismus in der Bundesreplik von einer sozialen Bewegung gesprochen werden."
Die NPD als soziale Bewegung erfahre auf dem Land in Ostdeutschland besondere Unterstützung, da hier das demokratische Bewusstsein unterentwickelt sei. Dies wird nicht etwa als Erbe der DDR, sondern als Folge der Wiedervereinigung gesehen. Als Beleg hierfür dient die vielfach widerlegte Legende von den Modernisierungsverlierern, die ein schier unerschöpfliches Reservoir für rechtsextreme Parteien darstellten.
"Gleichzeitig sind ihre Lieblingsthemen längst im öffentlichen Bewusstsein vorhanden. Der Wahlkampfschlager ‚Kriminelle Ausländer’ wird beispielsweise gelegentlich von Unionspolitikern zur Stimmungsmache aufgegriffen, um ‚den Stammtisch’ zu bedienen, wie es dann verniedlichend heißt. Aber auch die rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung bringen die rechtsextremen Akteure nicht weiter – sie kommen an diese Leute nicht heran, um sie für ihre politische Arbeit zu begeistern."
Das Volk sei also ideologisch vorbereitet und warte bereits auf die neonazistische Machtergreifung. Der Bewegung fehle es allerdings an charismatischen Führern und unterwanderten gesellschaftlichen Institutionen. Auch schade der Bewegung die Auseinandersetzung um Gewalttaten rechtsextremer Schläger sowie die NS-Nostalgie.
Die Realität sieht allerdings anders aus. Bisher erzielen rechtsextreme Parteien Wahlerfolge nur im Osten, im Westen bleiben sie mit mageren Ergebnissen um ein Prozent außen vor. Damit aber dieser Tatbestand kein allzu positives Bild auf den Westen wirft, erwähnt Gensing die Aktivitäten kleiner neonazistischer Gruppen, die angeblich allerorten Angst und Schrecken verbreiten.
Wie lässt sich nun der Vormarsch der Neonazis stoppen? Ganz einfach, meint der Autor: Der Blick müsse auf die Mitte der Gesellschaft gelenkt werden, die inzwischen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sowie menschenfeindliche Einstellungen allgemein zulasse. Daher gelte es, effektive Konzepte gegen Rechtsextremismus und menschenfeindliche Einstellungen weiterzuentwickeln und die Gesellschaft so zu verändern, wie es die selbsternannten antifaschistischen Akteure sich vorstellen.
"Es gilt viel zu kritisieren an der gesellschaftlichen Realität in der Bundesrepublik, die ungerechte Verteilung von Reichtum beispielsweise oder die teilweise misslungene Integration von Zuwanderern."
Beide Bücher erwähnen nicht, dass rechtsextremistische Ideologien und Parteien in Deutschland insgesamt weniger stark ausgeprägt sind als in vergleichbaren Ländern und Regionen, weil eine breite Mehrheit der Bevölkerung die rassistischen und menschenverachtenden Parolen rechtsextremer Rattenfänger entschieden ablehnt. Nur bei schlichten Gemütern hat der Rechtsextremismus in Deutschland bisher eine nennenswerte Verbreitung gefunden. Bücher wie die hier vorgestellten übertreiben mehr oder weniger bewusst die "rechte Gefahr", um eigene Vorstellungen zur Veränderung der Gesellschaft besser rechtfertigen zu können. Die NPD und ihr neonazistisches Umfeld sollten als das dargestellt werden, was sie sind: eine kleine, mitunter gewaltbereite Gruppe von nationalistischen und rassistischen Sozialisten, die – abgesehen von einigen ostdeutschen Regionen – wenig Unterstützung finden.
Christoph Ruf,Olaf Sundermeyer: In der NPD. Reisen in die national befreite Zone
Verlag C. H. Beck, München 2009
229 Seiten, 12,95 Euro
Patrick Gensing: Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis und was man dagegen tun kann
dtv, München 2009
288 Seiten, 12,90 Euro

Christoph Ruf, Olaf Sundermeyer: "In der NPD. Reisen in die national befreite Zone"© C. H. Beck

Patrick Gensing: "Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis und was man dagegen tun kann"© dtv