"Wir waren frei und wir hatten Informationen"
Die größte politische Tageszeitung Ungarns, "Nepszabadsag", hat ihr Erscheinen eingestellt. Ist das das Ende der kritischen Berichterstattung über Viktor Orbán und seine rechtsnationale Regierung? Wir haben den bisherigen stellvertretenden Chefredakteur Márton Gergely gefragt.
Wer sich über Skandale und Affären der rechtsnationalen Regierung Ungarns informieren wollte, griff bislang zur "Nepszabadsag". Das ist nun nicht mehr möglich.
Am Rande einer Demonstration in Budapest schilderte der stellvertretende Chefredakteur der Tageszeitung, Márton Gergely, warum es zum aprupten Ende des Erscheinens seiner Zeitung gekommen ist. Im Deutschlandradio Kultur sagte er am Samstagabend:
"Das war für uns alle ein Schock. Wir haben gestern wie normal die Ausgabe bis zur Druckerei begleitet. Es gab ein Länderspiel. Wir mussten bis 23 Uhr drin bleiben und eigentlich war vorgesehen, dass die Redaktion umzieht. Wir hätten am Sonntag die Arbeit wieder in einem anderen Gebäude aufnehmen sollen."
Suspendierung kam per Kurier
Am Morgen danach habe eine Mitarbeiterin fesgestellt, dass die E-Mail-Konten gesperrt worden seien. Es habe sich herausgestellt, dass die Webseite der Zeitung offline gegangen sei. Ein Kurier habe den Redaktionsmitgliedern ein Suspendierungsschreiben geliefert. Dem Brief zufolge, so Márton Gergely, bekomme er zunächst weiterhin sein Gehalt, er dürfe aber nicht darüber berichten.
Die offzielle Begründung für das Ende des Erscheinens der Zeitung ist dessen finanzielle Situation. Gergely vermutet aber, dass es auch etwas mit dem kritischen Geist der Redaktion zu tun habe:
"Wir waren frei, wir waren nicht unterzukriegen und wir hatten Informationen."
Für die Zukunft fürchtet der ungarische Journalist, dass sein Medium nie wieder in der Form erscheinen könnte wie bislang. "Wenn diese Zeitung wieder öffnet", sagt Gergely, "dann wird es eine regierungstreue und zensierte Zeitung sein."