Flatrate für Filme und Serien
In den USA hat schon jeder dritte Haushalt einen Netflix-Zugang. Jetzt geht der Online-Video-Anbieter auch hierzulande an den Start. Steht die TV-Branche vor dem digitalen Umbruch, den die Musikindustrie bereits erlebt hat?
Experten sprechen schon von einem Goldenen Zeitalter für das amerikanische Fernsehen. Serien wie "Breaking Bad" oder "Game of Thrones" überzeugen die Kritiker und haben gleichzeitig eine begeisterte Fangemeinde. Die Netflix-Produktion "House of Cards" aber geht noch einen Schritt weiter und steht für ein neues Fernsehmodell.
Oscar-Preisträger Kevin Spacey spielt darin einen US-Politiker in der zweiten Reihe, der mit fiesen Ränkespielen das gesamte Weiße Haus zum "House of Cards", also zum "Kartenhaus" macht, in dem alle nach seiner Pfeife tanzen.
Kevin Spacey, der auch Produzent der Serie ist, hatte das Konzept zunächst auch mehreren Fernsehsendern angeboten:
"Jeder einzelne Sender hatte Interesse, aber jeder verlangte, dass wir eine Pilotfolge produzieren. Doch wir wollten eine komplexe Geschichte erzählen, mit Figuren, die sich langsam entwickeln - während man in einer Pilotfolge erstmal beweisen muss, dass das Ganze funktioniert. Netflix waren die Einzigen, die sagten: Wir glauben an euch."
Mehr als 50 Millionen Abonnenten weltweit
Netflix habe die Daten analysiert und festgestellt, dass sein Publikum die Serie anschauen werde. 100 Millionen Dollar, umgerechnet an die 80 Millionen Euro, soll die Firma in die ersten beiden Staffeln gesteckt haben - Netflix kann es sich leisten, mit seinen weltweit mehr als 50 Millionen Abonnenten nimmt das Unternehmen pro Quartal eine Milliarde Dollar ein.
In den USA gibt es rechnerisch in jedem dritten US-Haushalt einen Netflix-Zugang. Im Gegensatz zu Konkurrenten wie Apples iTunes-Store, die Filme einzeln verkaufen oder verleihen, gilt bei Netflix das Flatrate-Prinzip: Für acht Dollar, umgerechnet rund sechs Euro, im Monat kann der Kunde sehen, so viel er will. Der Onlinehändler Amazon bietet ein ähnliches Flatrate-Modell.
Das hat auch die Art des Fernsehkonsums in den USA beeinflusst. Neu ist das Binge Watching, übersetzt vielleicht: Fernsehen, wie beim Komasaufen. Immer noch eine Folge, noch ein Film mehr. Selbst vom Netflix-Chef kommt dazu eine nicht ganz ernst gemeinte Warnung:
"Wenn Sie erst einmal alles auf Klick abrufen können, werden Sie süchtig. Starten Sie eine Serie wie 'Breaking Bad' nicht ohne ein paar freie Tage. Wenn Sie mal angefangen haben, schauen Sie immer weiter. Das wird Ihre Produktivität ruinieren."
Das TV-Modell der Zukunft?
Manche Experten sehen in Netflix das Modell für das Fernsehen der Zukunft: Zum Beispiel stellt die Firma jeweils alle neuen Folgen einer Staffel auf einmal ein, während klassische Sender eine Staffel oft über ein ganzes Jahr strecken. Und weil es kein Programmschema gibt, können Folgen ganz unterschiedliche Längen haben - ähnlich wie die Kapitel eines Romans.
In einer viel beachteten Rede beim Fernsehfestival in Edinburgh erklärte Kevin Spacey, wenn die Fernsehsender sich richtig anstellten, könnten sie das Publikum so begeistern, wie es kein Blockbuster schaffe:
"Das Publikum hat gesprochen: Sie wollen Geschichten, sie lechzen danach. Und sie werden darüber sprechen, sich Folge für Folge reinziehen, sie mitnehmen in den Bus oder zum Frisör - und ihren Freunden empfehlen, darüber twittern, bloggen, facebooken, Fanseiten und wer weiß was noch machen. Alles was wir tun müssen, ist ihnen die Geschichten zu geben."
Die Fernsehbranche ist damit in genau dem Digitalisierungsumbruch, der die Musikindustrie schon vor Jahren kräftig durchgeschüttelt hat. Dem Publikum kann das eigentlich nur recht sein: Es bekommt endlich mehr Macht, als nur ein Knöpfchen auf der Fernbedienung zu drücken.