"Konkurrenz belebt immer das Geschäft"
Der amerikanische Streaming-Anbieter Netflix startet heute in Deutschland. Er werde dazu beitragen, deutsche Filme im Ausland populärer zu machen, hofft Filmproduzentin Regina Ziegler. Netflix habe bereits die Erfolgsserie "Weissensee" bei ihr eingekauft.
Korbinian Frenzel: Netflix geht in Deutschland an den Start. Wenn Sie diesseits der Jahrgangsscheide zum Digital Native geboren sind, wissen Sie das wahrscheinlich; wenn nicht, wenn Sie Fernsehen noch ganz altmodisch schauen, dann werden Sie sich jetzt erstens fragen: Was ist das? Und zweitens: Warum muss mich das interessieren? Die erste Frage beantwortet uns erst mal Wolfgang Stuflesser.
Und jetzt kommt dieser Anbieter Netflex also nach Deutschland. Und die zweite Frage, die ich gerade angedeutet habe, versuchen wir jetzt zu klären, warum nämlich auch diejenigen, die Fernsehen noch in der Glotze schauen, das interessieren dürfte: Weil es nämlich das Fernsehen hierzulande auch inhaltlich verändern könnte. Zum Besseren, zum Schlechteren? Das ist natürlich die Frage. Geografisch weit weg, nämlich in China, aber im Thema mittendrin erreichen wir jetzt die Frau, die mit Produktionen wie "Weissensee" und vielen anderen Filmen als erfolgreichste deutsche Produzentin gilt, Regina Ziegler. Einen schönen guten Morgen!
Regina Ziegler: Ja, hallo! Bei uns ist hier schon Mittag, aber hallo an Sie!
Frenzel: Also einen guten Tag an Sie! Und die Frage, wie Sie es sehen mit Netflix, viele fürchten ja den Start – Sie auch?
"Jeder Neue schafft Ängste und Hoffnungen"
Ziegler: Nein. Ich würde sagen, Netflix kann erst mal prinzipiell beides sein, Konkurrent oder Partner. Konkurrenz belebt immer das Geschäft, das weiß ich seit 41 Jahren. Und wenn Netflix die Serien selbst, nur selbst produziert, kann mir das natürlich nicht gefallen. Aber wenn sie den Typ US-Serien für das deutsche Publikum einführen, soll mir das recht sein. Ob das ein Massenmedium ist, diese Serien, das weiß ich zu bezweifeln. Aber es ist ja erst mal so: Jeder Neue schafft Ängste und Hoffnungen. Und ich halte es erst mal immer mit der Hoffnung, denn ich glaube grundsätzlich, dass das Glas immer halb voll ist.
Frenzel: Die Frage ist ja in der Tat: Man könnte ja zunächst einmal davon ausgehen, das ist nur ein anderer Verbreitungsweg, das wird eben nicht mehr über die Fernsehantenne oder übers Kabel verbreitet, sondern eben übers Internet; aber es verändert ja wohl auch die Sehgewohnheiten, wie Menschen Fernsehen oder vielmehr Filme, muss man da wahrscheinlich sagen, gucken. Verändert das auch die Frage, wie solche Filme, wie Serien produziert werden müssen?
Verbreitungsmöglichkeit auch deutscher Produktionen
Ziegler: Das verändert auf jeden Fall die Inhalte. Aber es ist natürlich für die Produzenten dahingehend interessant, dass zum Beispiel eine Serie wie "Weissensee" jetzt auch von Netflix angekauft wurde. Und jeder Produzent, also ich jedenfalls, habe größtes Interesse, dass die Filme, die wir mit Herzblut und Engagement und auch großem Erfolg wie "Weissensee" herstellen, dass die in der ganzen Welt auch gezeigt und gesehen werden können. Und in dem Sinne, finde ich, sollten wir doch uns erst mal freuen, dass hier eine Verbreitungsmöglichkeit auch der deutschen Produktion, die es ja im Ausland sehr viel schwerer haben, weil die deutsche Sprache ist ja nicht die Weltsprache, sondern eben eine große Sprache von ganz vielen Dichtern und Denkern, aber man unterhält sich doch zum Beispiel auch hier entweder auf Chinesisch oder Englisch. Und es ist so, dass das dazu beiträgt, auch die deutsche Kultur in die Welt zu tragen, das muss man ja auch mal unter diesem Aspekt sehen.
Frenzel: Und Frau Ziegler, jetzt muss ich natürlich vorsichtig sein, denn es ist unsere liebe Schwester, die ARD: Aber man sagt ja auch, sie sein so besonders kreativ mit dem, was sie so von Ihnen als Produzenten und Filmemachern verlangt. Erhoffen Sie sich da auch ein bisschen mehr Kreativität?
Wiederbelebung der Mini-Serien
Ziegler: Na ja, ich denke, dass zum Beispiel "Weissensee" der Anfang war und dass "Weissensee" dazu beigetragen hat, zum Beispiel wieder die Mini-Serie zu beleben und nicht eben auf 39, 50 oder 80 Folgen immer der gleichen Serie zu gehen, sondern für diese Mini-Serien werden ja auch Themen ausgesucht. Wir bereiten gerade eine Arbeiterserie vor, das hat es früher auch nicht in der Denkweise der Öffentlich-Rechtlichen gegeben. Das ist ein Zeichen dafür, dass man sich doch auch sehr mit Qualität und Inhalten beschäftigt. Und in dem Sinne können wir das natürlich begrüßen. Klar ist, dass die öffentlich-rechtlichen Veranstalter und auch die privaten ... Ich meine, bei den Privaten ist es ja so, dass die teilweise Serien zeigen, die bei Netflix schon gelaufen sind, die also dann schon gar nicht mehr so aktuell sind, was ja bei den Öffentlich-Rechtlichen nicht der Fall ist. Und ich weiß, dass die deutschen Produktionen, die Netflix gekauft hat, dass die schon ihre Erstausstrahlung bei uns in Deutschland hatten.
Frenzel: Nun gibt es ja die Sorge, dass, wenn so ein großer amerikanischer Anbieter die Dinge in die Hand nimmt, die Dinge auch alle irgendwie amerikanischer werden, selbst wenn sie anderswo produziert werden, aber von der Denkweise, von der Logik, wie man Sachen macht. In unserem Nachbarland, in Frankreich hat das jetzt schon zu einem Aufschrei geführt, da haben sich Filmschaffende zusammengetan, haben gegen Netflix protestiert. Können Sie das nachvollziehen, diese Sorgen, die es da gibt?
Deutsche sind verwöhnt durch Bildqualität
Ziegler: Na ja, das mit den Sorgen ... Man macht sich immer sehr schnell Sorgen. Ich finde, man kann nicht immer sagen "Wehret den Anfängen", sondern man muss auch mal dabei sein und sagen: Wenn wir einbezogen sind in die Produktion – und es sieht ja so aus, dass Netflix deutsche Produktionen ins Programm einbezieht, dass wir mit Netflix über gemeinsame Produktionen, über Koproduktionen reden können –, dann ist es immer noch der deutsche Geist oder die deutsche Kultur und die Dramaturgen sind sicherlich die, die wir ja auch für unsere Serien entwickeln, die mit dabei sind, die Autoren genauso. Es wird ja kein rein amerikanisches Produkt sein, daran kann ja Netflix gar nicht interessiert sein, weil die Kultur, die das jeweilige Land hat, ja sehr unterschiedlich ist. Also, ich glaube, die Mischung ist ganz wesentlich und ganz wichtig. Und da bin ich sehr optimistisch, dass diese Mischung auch in den nächsten Jahren eine Rolle spielt, zumal wir ja auch jetzt am Anfang sind. Und wir müssen ja auch sehen, dass das Internetfernsehen längst nicht diese Bildqualität hat, wie zum Beispiel jetzt auf der Funkausstellung wieder auch deutlich gemacht wurde. Das ist ja auch noch ein Weg, der gegangen werden muss, denn der deutsche Zuschauer ist sehr verwöhnt durch die Bildqualität, die er in unserem Land empfängt.
Frenzel: Frau Ziegler, eine Frage zum Abschluss: Ich habe gelesen, Nico Hofmann hat schon die Anfrage bekommen von Netflix, ob er nicht mal produzieren möchte. Haben Sie auch schon einen Anruf bekommen der Amerikaner?
Ziegler: Ich bin da nicht so offen wie Nico, ich rede über diese Dinge erst, wenn sie passiert sind. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass Netflix "Weissensee" gekauft hat und dass "Weissensee" bei Netflix laufen wird. Und ich glaube, das ist ein guter Anfang, und aufgrund solcher Anfänge ist das immer der Beginn einer Zusammenarbeit.
Frenzel: Regina Ziegler sagt das, sie ist Deutschlands erfolgreichste Produzentin, hat jetzt, wie wir gerade gehört haben, "Weissensee" auch schon an Netflix verkauft, den amerikanischen Anbieter, der heute auf den deutschen Markt kommt. Frau Ziegler, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Ziegler: Ja, und ich wünsche Netflix einen guten Start!
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