Die interessantesten Blogs übers Jüdischsein
Was unterscheidet einen jüdischen Alltag von einem nicht-jüdischen? Wie fühlt sich antisemitische Hetze im Netz an? Wie ist das Leben als lesbische Jüdin? Diese deutschsprachigen Blogs geben ganz persönliche Antworten darauf.
Wenn der Hass der Anderen droht, das eigene Gemüt zu verwüsten, tippt Juna Grossmann los. Die in Berlin geborene jüdische Bloggerin erzählt von anderen Deutschen, die ihr sagen, sie solle abhauen und nach Hause ziehen. In ihren Blog-Einträgen benennt sie die Kommentare von Usern, die prophezeien, Juden wie sie würden sich später den Hitler zurückwünschen, weil der noch sanft mit ihnen umgegangen sei. Immer wieder werde ihr aber vor allem eines geraten – sie solle sich mal entspannen, in den Urlaub fahren, den Antisemitismus und den Hass bilde sie sich doch nur ein.
Juna Grossmann teilt ihre Sorgen in einer Art Netztagebuch mit, statt in die Erholung zu fliehen. Dabei erholt sie sich ausgerechnet beim Schreiben. Seit acht Jahren betreibt die liberale Jüdin den Blog irgendwiejuedisch.com und ist damit eine der dienstältesten Bloggerinnen, die über das Jüdischsein in Deutschland schreibt.
Sie dokumentiert den alltäglichen Antisemitismus, gibt Ausstellungstipps und erklärt religiöse Rituale. Mittlerweile gibt es neben irgendwiejuedisch.com auch eine Vielfalt anderer Blogs, die übers Jüdischsein schreiben. Hier ein paar Empfehlungen.
"Chajms Sicht" und talmud.de
Chajm Guski schreibt seit fast 20 Jahren im Internet über das Judentum. Einer seiner beiden Blogs ist eher persönlich, der andere, talmud.de, informiert detailliert über jüdische Rituale, Feste und Schriften. Wenn eine neue Siddur, ein jüdisches Gebetsbuch, mit deutschen Übersetzungen erschienen ist, ist das sofort bei Chajm zu lesen. Nebenbei lernt der User allerlei Alltagskniffe kennen, die praktizierenden Juden das Leben leichter machen. Zum Beispiel ist zu erfahren, wie bei iPhones und iPads der jüdische Kalender nachzulesen ist. Religionsinteressierte sind bei Chajm bestens aufgehoben.
"52 schabbatot - das jüdischste Jahr meines Lebens"
Lana Chudnovska lebt ein Jahr lang nach (einigen) Regeln des Judentums und hält Schabbat. In dem Blog "52 schabbatot" dokumentiert sie ihre Erkenntnisse dabei. Die 1986 in der Ukraine geborene Schauspielerin erzählt zum Beispiel, wie es ihr dabei geht, wenn sie Telefone und Computer ausgeschaltet hat und aufs Einkaufen verzichtet, obwohl alle Geschäfte offen sind. Das Besondere: Das Internetprojekt soll in einem Theaterstück münden. Im Herbst 2017 soll es Premiere feiern.
"Don't degrade Debs, Darling!"
Der Blog mit dem Untertitel "Being mad is beautiful!" behandelt Sexualität, Körpernormen und jüdische Identität. Betrieben wird das mal analytische, mal poetische Textsammelsurium von Debs. Sie stellt sich vor als "weiße, lesbische, jüdische, analytische Queer_Feministin, Bloggerin und Körperkünstlerin". Leserinnen und Leser der Einträge lernen sie aber auch als seriensüchtige, High-Heels-liebende Provokateurin mit einer klaren Sichtweise und lustiger Schreibe kennen. Einer der unterhaltsamsten Blogs.
"TLV - Sabine Brandes schreibt aus Tel Aviv"
Streng genommen gehört die Textsammlung der Israel-Korrespondentin der Jüdischen Allgemeine nicht in die Liste der Blogs übers Jüdischsein in Deutschland. Allerdings konfrontiert Sabine Brandes die User auch mit aus Deutschland nach Israel mitgenommenen Gewohnheiten - und gerade das macht das Blog lesenswert. Und nebenbei bekommt man einen Einblick, wie sich Weltpolitik und religiöse Konflikte in den Alltag fräsen.