Regie: Cordula Dickmeiß
Technik: Christiane Neumann
Redaktion: Carsten Burtke
Sprecher: Philipp Lind und Torsten Föste
Die Illusion, schnell reich zu werden
27:19 Minuten
Kaufe ein Produkt, verkaufe es selbst und gewinne weitere Verkäufer - das ist das Prinzip hinter Netzwerk-Marketing. Unternehmen versprechen fünfstellige Monatseinkünfte. Doch wie seriös ist die Branche? Und wer verdient wirklich darin?
"Wenn du 10.000 Euro im Monat verdienen möchtest, dann gibt es acht Regeln, die du befolgen musst, um das zu erreichen. Die lernst du in diesem Video kennen, viel Spaß dabei."
"Schnell reich werden im Network-Marketing."
"Tue etwas, womit du richtig Geld verdienen kannst. Viele Menschen lesen irgendwelche Schnell-reich-werden-Ratgeber, arbeiten dann aber weiter im Hamsterrad in irgendeinem Büro als Angestellte und können auch noch so viel, so hart arbeiten, sie werden einfach nicht reich werden. Wenn du wirklich wohlhabend werden möchtest, dann musst du dich selbstständig machen."
"Hallo. Ich hoffe, es geht dir gut. Ich möchte heute mal mit dir besprechen, wie wirklich großes Einkommen im Network-Marketing möglich wird. Und damit meine ich wirklich großes Einkommen."
"Ihr habt die Möglichkeit, viel mehr zu verdienen. Unbegrenzt zu skalieren. Ihr seid auf niemanden angewiesen, und ihr müsst auf niemand hören."
Du musst dich nicht anstrengen, um sie auf Facebook, Instagram, Snapchat oder Youtube zu finden: Menschen, die dein Leben verändern wollen. Die dich rausreißen wollen aus deinem 9-to-5-Job, die dich von Deggendorf nach Dubai bringen wollen, die dir fünfstellige Monatseinkünfte versprechen. Alles, was du tun musst: eins ihrer Produkte kaufen, zum Verkäufer des Produktes werden, weitere Verkäufer gewinnen, das Netzwerk vergrößern. Netzwerk-Marketing oder Multi-Level-Marketing, MLM, heißt dieses Geschäftsmodell.
"Schnell reich werden im Network-Marketing."
"Tue etwas, womit du richtig Geld verdienen kannst. Viele Menschen lesen irgendwelche Schnell-reich-werden-Ratgeber, arbeiten dann aber weiter im Hamsterrad in irgendeinem Büro als Angestellte und können auch noch so viel, so hart arbeiten, sie werden einfach nicht reich werden. Wenn du wirklich wohlhabend werden möchtest, dann musst du dich selbstständig machen."
"Hallo. Ich hoffe, es geht dir gut. Ich möchte heute mal mit dir besprechen, wie wirklich großes Einkommen im Network-Marketing möglich wird. Und damit meine ich wirklich großes Einkommen."
"Ihr habt die Möglichkeit, viel mehr zu verdienen. Unbegrenzt zu skalieren. Ihr seid auf niemanden angewiesen, und ihr müsst auf niemand hören."
Du musst dich nicht anstrengen, um sie auf Facebook, Instagram, Snapchat oder Youtube zu finden: Menschen, die dein Leben verändern wollen. Die dich rausreißen wollen aus deinem 9-to-5-Job, die dich von Deggendorf nach Dubai bringen wollen, die dir fünfstellige Monatseinkünfte versprechen. Alles, was du tun musst: eins ihrer Produkte kaufen, zum Verkäufer des Produktes werden, weitere Verkäufer gewinnen, das Netzwerk vergrößern. Netzwerk-Marketing oder Multi-Level-Marketing, MLM, heißt dieses Geschäftsmodell.
Netzwerk-Marketing-Branche angetrieben durch Social Media
Seit den Nullerjahren hat die Branche ihren Umsatz weltweit verdoppelt, angetrieben in den vergangenen Jahren vor allem von Social Media. 2019 versuchten sich fast 700.000 Deutsche am Netzwerk-Marketing. Während der Corona-Pandemie meldeten viele Unternehmen der Branche Umsatzsteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. Doch wie seriös ist Netzwerk-Marketing? Wer sind die Gewinner? Wer die Verlierer?
"Schreib ‚INFO‘, wenn du ein monatliches 4-stelliges Einkommen gebrauchen kannst."
"Ich gehe auf ein Profil von jemandem und schau dann einfach durch. Abonniere die Menschen, like einfach die Bilder."
Das ist Manuel. Er ist 20 Jahre alt, hat kurze Haare, einen Körper, der nach Fitnessstudio aussieht.
"Manchmal schreibt man auch die Person an, die schreibt und ich bin gerade unzufrieden mit meiner Arbeit oder mit meiner jetzigen Situation. Dann weiß man auch: Okay, diese Person sucht was oder will halt was verändern. Und so schreibt man dann auch an: Okay, ich hab‘ was Interessantes für dich, lass uns mal zusammensetzen, telefonieren."
"Schreib ‚INFO‘, wenn du ein monatliches 4-stelliges Einkommen gebrauchen kannst."
"Ich gehe auf ein Profil von jemandem und schau dann einfach durch. Abonniere die Menschen, like einfach die Bilder."
Das ist Manuel. Er ist 20 Jahre alt, hat kurze Haare, einen Körper, der nach Fitnessstudio aussieht.
"Manchmal schreibt man auch die Person an, die schreibt und ich bin gerade unzufrieden mit meiner Arbeit oder mit meiner jetzigen Situation. Dann weiß man auch: Okay, diese Person sucht was oder will halt was verändern. Und so schreibt man dann auch an: Okay, ich hab‘ was Interessantes für dich, lass uns mal zusammensetzen, telefonieren."
Er erzählt, wie er das macht: Partner gewinnen.
"Wenn die Person Interesse zeigt und sagt: ‚Okay, Produkt ist super, würde ich gerne machen, indem ich zum Beispiel zu meinen Freunden oder Familie gehe‘ Oder mich selber verändere. Sehr, sehr viele Menschen haben heutzutage ja auch Erfahrungen im Vertrieb, egal, ob das jetzt auch irgendwie auch eine Hotline z.B. ist, die sind sehr viel am Kommunizieren. Dann kann die Person sehr gut telefonieren, kann auch sehr gut Termine ausmachen. Und schon kann man schauen, okay, ob das für die Person passt."
So ist das, wenn es optimal läuft. Ist meistens nur nicht so.
"Wenn man 100 Personen anschreibt, antworten dir vielleicht 40 Personen zurück. Von diesen 30, 40 wollen mit dir überhaupt nur noch 5 bis 10 Personen in einen Kontakt treten, indem die halt mit dir anfangen zu schreiben. Und von diesen – 5 z.B. nehmen wir jetzt – würde vielleicht eine Person einsteigen."
"Wenn die Person Interesse zeigt und sagt: ‚Okay, Produkt ist super, würde ich gerne machen, indem ich zum Beispiel zu meinen Freunden oder Familie gehe‘ Oder mich selber verändere. Sehr, sehr viele Menschen haben heutzutage ja auch Erfahrungen im Vertrieb, egal, ob das jetzt auch irgendwie auch eine Hotline z.B. ist, die sind sehr viel am Kommunizieren. Dann kann die Person sehr gut telefonieren, kann auch sehr gut Termine ausmachen. Und schon kann man schauen, okay, ob das für die Person passt."
So ist das, wenn es optimal läuft. Ist meistens nur nicht so.
"Wenn man 100 Personen anschreibt, antworten dir vielleicht 40 Personen zurück. Von diesen 30, 40 wollen mit dir überhaupt nur noch 5 bis 10 Personen in einen Kontakt treten, indem die halt mit dir anfangen zu schreiben. Und von diesen – 5 z.B. nehmen wir jetzt – würde vielleicht eine Person einsteigen."
Geschäftsmodell gleicht einer Pyramide
Manuel ist Netzwerk-Marketer. Das Geschäftsmodell, auf das er hofft, kann man sich wie eine Pyramide vorstellen. Auf jeder Stufe dieser Pyramide finden sich Partner – die mitverdienen an den Produkten wie Kosmetika oder Nahrungsergänzungsmitteln, die Partner auf den Stufen unter ihnen verkaufen. So die Theorie.
"Bleib zu Hause und verdiene online Geld! Erhalten Sie 3700 Euro. Alle 5 Tage. Keine Übertragung erforderlich. Keine versteckten Gebühren. Keine Betrügereien. Nachricht einfach ‚INFO‘..."
"Also ich habe schon vorher – als Jugendlicher so mit 13, 14 – mir überlegt, dass in dem Alter … Was man halt eben machen kann. Natürlich ein Traum auch von klein aus war immer, Rennfahrer werden und irgendwie, ja, sage ich mal, so etwas, was eben ganz cool aussieht von außen. Aber man kennt eben nicht die Folgen, was man halt machen muss. Und deswegen hab‘ ich überlegt: Okay, wenn ich meine Ziele erreichen möchte, kann ich eben nicht eine Ausbildung machen und in einem Job arbeiten, wo ich eben mindestens so die 40 Stunden die Woche arbeiten muss."
Manuel wollte etwas anderes. Sein Plan: Schnell reich werden. Dann: Die Freiheit genießen. Auf Snapchat wurde Manuel, damals 18 Jahre alt, von einem Netzwerk-Marketer angeworben, der Luft- und Raumreinigungssysteme vertrieb. Manuel stieg ein, kaufte eines dieser Systeme. Für 2000 Euro.
"Ohne es selber zu kaufen, kann man bei uns auch nicht Vertriebspartner sein. Man muss halt vom Produkt überzeugt sein. Ich denke, das ist auch verständlich. Wenn man z.B. jetzt bei BMW arbeitet, BMW verkauft, fährt man wahrscheinlich nicht irgendwie einen Audi, weil man muss das halt mit seinem ganzen Leben, seinem ganzen Inneren auch leisten können, indem man halt eben sagt: Okay, ich bin davon komplett überzeugt, und ich möchte das halt auch machen."
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"Also ich habe schon vorher – als Jugendlicher so mit 13, 14 – mir überlegt, dass in dem Alter … Was man halt eben machen kann. Natürlich ein Traum auch von klein aus war immer, Rennfahrer werden und irgendwie, ja, sage ich mal, so etwas, was eben ganz cool aussieht von außen. Aber man kennt eben nicht die Folgen, was man halt machen muss. Und deswegen hab‘ ich überlegt: Okay, wenn ich meine Ziele erreichen möchte, kann ich eben nicht eine Ausbildung machen und in einem Job arbeiten, wo ich eben mindestens so die 40 Stunden die Woche arbeiten muss."
Manuel wollte etwas anderes. Sein Plan: Schnell reich werden. Dann: Die Freiheit genießen. Auf Snapchat wurde Manuel, damals 18 Jahre alt, von einem Netzwerk-Marketer angeworben, der Luft- und Raumreinigungssysteme vertrieb. Manuel stieg ein, kaufte eines dieser Systeme. Für 2000 Euro.
"Ohne es selber zu kaufen, kann man bei uns auch nicht Vertriebspartner sein. Man muss halt vom Produkt überzeugt sein. Ich denke, das ist auch verständlich. Wenn man z.B. jetzt bei BMW arbeitet, BMW verkauft, fährt man wahrscheinlich nicht irgendwie einen Audi, weil man muss das halt mit seinem ganzen Leben, seinem ganzen Inneren auch leisten können, indem man halt eben sagt: Okay, ich bin davon komplett überzeugt, und ich möchte das halt auch machen."
Ausbildung abgebrochen
2000 Euro - ist das nicht verdammt viel für einen, der gerade erst das Fachabitur geschafft hatte und noch bei seinen Eltern wohnte?
"An dem Moment hab‘ ich gar nicht darüber nachgedacht, weil man kann das Produkt auch finanzieren mit einem Euro pro Tag. Sagen wir es mal so grob gerechnet. Und ich sag mal so, wenn man z.B. jetzt mal auf sein Gehalt schaut, was man bekommt, wenn man Geld bekommen hat, dann kennt jeder: Ach komm, ich muss mir da noch was kaufen, hier noch etwas kaufen. Und dann sind im Monat 30, 35, 40 Euro ja eigentlich kein Geld."
Auch heute betreibt Manuel, der seine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann nach seinem Einstieg abgebrochen hat und keine neue anfangen möchte, ziemlichen Aufwand fürs Netzwerk-Marketing. 50.000 Kilometer fährt er im Jahr. Der Ertrag: eher gering.
"Ich habe nur eine Person, die aktiv dabei ist."
Zahlen möchte Manuel nicht nennen. Aber: Unter diesen Umständen ist es kaum vorstellbar, dass er – vor Abzug der Kosten – überhaupt nur eine niedrige dreistellige Summe im Monat verdient. Auch bei ihm hat sich Ernüchterung breitgemacht. Wegen Corona, sagt er. Das habe ihm schlechte Laune gemacht.
"Und dann hat es auch nicht geklappt im Vertrieb eine Zeit lang, wo ich halt eben auch diese negativ halt hatte, wo ich dachte: Wer braucht mich jetzt sozusagen in der Corona-Zeit. Und dann hab‘ ich das auch runtergefahren und hab‘ dann gesagt: Okay, komm erst mal ein bisschen runter. Und ich hoffe, wenn jetzt wieder Corona ein bisschen besser wird, ein bisschen lockerer, wollen die Menschen wieder raus und dann klappt's auch besser."
"An dem Moment hab‘ ich gar nicht darüber nachgedacht, weil man kann das Produkt auch finanzieren mit einem Euro pro Tag. Sagen wir es mal so grob gerechnet. Und ich sag mal so, wenn man z.B. jetzt mal auf sein Gehalt schaut, was man bekommt, wenn man Geld bekommen hat, dann kennt jeder: Ach komm, ich muss mir da noch was kaufen, hier noch etwas kaufen. Und dann sind im Monat 30, 35, 40 Euro ja eigentlich kein Geld."
Auch heute betreibt Manuel, der seine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann nach seinem Einstieg abgebrochen hat und keine neue anfangen möchte, ziemlichen Aufwand fürs Netzwerk-Marketing. 50.000 Kilometer fährt er im Jahr. Der Ertrag: eher gering.
"Ich habe nur eine Person, die aktiv dabei ist."
Zahlen möchte Manuel nicht nennen. Aber: Unter diesen Umständen ist es kaum vorstellbar, dass er – vor Abzug der Kosten – überhaupt nur eine niedrige dreistellige Summe im Monat verdient. Auch bei ihm hat sich Ernüchterung breitgemacht. Wegen Corona, sagt er. Das habe ihm schlechte Laune gemacht.
"Und dann hat es auch nicht geklappt im Vertrieb eine Zeit lang, wo ich halt eben auch diese negativ halt hatte, wo ich dachte: Wer braucht mich jetzt sozusagen in der Corona-Zeit. Und dann hab‘ ich das auch runtergefahren und hab‘ dann gesagt: Okay, komm erst mal ein bisschen runter. Und ich hoffe, wenn jetzt wieder Corona ein bisschen besser wird, ein bisschen lockerer, wollen die Menschen wieder raus und dann klappt's auch besser."
Große Versprechen
Das ist, Corona oder nicht, immer das Versprechen im Netzwerk-Marketing: Gerade ist es noch wenig, aber das wird sich ändern, in ein paar Monaten, in einem Jahr spätestens. Dann hast du genug Partner, dann verdienst du unendlich viel Geld. Doch für die meisten löst sich dieses Versprechen nie ein.
"Werde jetzt Mitglied in einem jungen, aufstrebenden Start-up-Unternehmen.
Egal, ob als Influencer oder als Partner…
50 Prozent Provision garantiert.
Keine Vorkenntnisse erforderlich.
Attraktive Provisionen.
Kein Startset nötig.
24.95 Euro Jahreslizenz.
Bist du bereit, dein Leben zu verändern?
Schreibe mir für mehr Infos."
"Seit mehr als 35 Jahren glauben wir von LR an mehr. Wir sind davon überzeugt, dass wir gemeinsam, mit jedem Partner, mit jedem Kunden, mit jedem Mitarbeiter mehr erreichen. Aber was genau bedeutet mehr für uns heutzutage. Bedeutet es: immer schneller, höher, weiter? Oder bedeutet ‚mehr‘ auch: mehr Flexibilität, mehr Familie, mehr Sicherheit, mehr Unabhängigkeit, mehr Gesundheit, Schönheit, Freiheit und Möglichkeiten? ‚Mehr‘ kann alles bedeuten. All das, woran du glaubst und wovon du träumst, kann mehr sein."
Eine Werbung von LR Health and Beauty Systems. Die Firma aus dem westfälischen Ahlen ist eines der größten Netzwerk-Marketing-Unternehmen Deutschlands. Die Versprechen, die LR-Partner zum Beispiel auf Facebook machen, sind groß.
"Willst du 2021 was verändern? Oder du bist in Kurzarbeit und hast Zeit, noch nebenbei was zu machen? Ich suche noch Teampartner für mein LR Team.
Freie Zeiteinteilung. Geile Produkte. Genialer Marketingplan.
Autoprogramm. 6-10 Stunden die Woche reichen schon, um durchstarten zu können. Guter Verdienst möglich."
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24.95 Euro Jahreslizenz.
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Freie Zeiteinteilung. Geile Produkte. Genialer Marketingplan.
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Ähnlich klingt das auf der Webseite des Unternehmens.
"Mit unserer Hilfe kannst du finanzielle Stabilität erreichen, neue Freiheit für dich kreieren und deine Träume wahr werden lassen – heute und morgen."
"Mit unserer Hilfe kannst du finanzielle Stabilität erreichen, neue Freiheit für dich kreieren und deine Träume wahr werden lassen – heute und morgen."
99 Prozent der Network-Marketer verlieren Geld
Es sind auch diese Versprechungen, die Menschen wie Manuel zu Netzwerk-Marketern werden lassen. Eine Interview-Anfrage lehnte LR ab – nachdem das Unternehmen wusste, wer noch in diesem Feature spricht. Aber es gibt ja den Geschäftsbericht, den LR für das Jahr 2020 veröffentlichten musste und der sich auf der Webseite finden lässt.
2020 war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte von LR. Das Unternehmen steigerte den Umsatz um rund 27 Prozent auf 285 Millionen Euro. Doch wie viel von diesen 285 Millionen Euro kommt bei den Partnern an? 330.000 aktive Partner, sagt LR, habe das Unternehmen. Eine einfache Rechnung: Im Schnitt macht jeder aktive Partner 863 Euro Umsatz. Im Jahr. Wenn er von diesem Umsatz 40 Prozent – und das wäre ziemlich viel – als Provision kriegt, bleiben 345 Euro. Das sind knapp 29 Euro. Im Monat. Nicht eingerechnet: Kosten, zum Beispiel für Sprit oder Telefongespräche.
"Es gibt Studien, auch eine repräsentative, unabhängige Studie aus den USA, die zeigt, dass drei Viertel ungefähr mehr Geld investieren als jemals zurück verdienen. Da kommt die Zeit noch dazu. Naja, und das von dem Viertel, das dann irgendwas verdient, das im Verhältnis zum Zeitaufwand auch noch sehr wenig ist."
Claudia Gross, Wissenschaftlerin an der Radbout-Universität in Nimwegen, die sich seit Jahren mit Netzwerk-Marketing beschäftigt. In Deutschland fehlt eine große Studie zum Netzwerk-Marketing noch. Dafür hat eine amerikanische Studie festgestellt: 99 Prozent der Network-Marketer verlieren Geld. Und die Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen, ist höher, als im Network-Marketing reich zu werden. Denn: Das Einkommen ist extrem ungleich verteilt.
"Die Einkommenspyramide sieht so aus, dass eigentlich jedem Neuling sofort gesagt wird, wie hoch es geht. Dass ein Provisions-Schema vorgelegt wird, wo wirklich rechts, sagen wir mal eine rechte Spalte, tolle Einkünfte sind von 10.000 Euro pro Monat, 100.000 Euro pro Monat, 150.000 Euro pro Monat. Was nicht gesagt wird, ist eben, wie wenig Leute das jemals erreichen. Also einer aus 30.000, einer aus 40.000. Dieses Werben mit solchen Versprechen, solchen theoretischen Modellen, die beinahe für niemanden gelten, ist sehr unethisch. Es ist eigentlich absurd", sagt Claudia Gross.
2020 war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte von LR. Das Unternehmen steigerte den Umsatz um rund 27 Prozent auf 285 Millionen Euro. Doch wie viel von diesen 285 Millionen Euro kommt bei den Partnern an? 330.000 aktive Partner, sagt LR, habe das Unternehmen. Eine einfache Rechnung: Im Schnitt macht jeder aktive Partner 863 Euro Umsatz. Im Jahr. Wenn er von diesem Umsatz 40 Prozent – und das wäre ziemlich viel – als Provision kriegt, bleiben 345 Euro. Das sind knapp 29 Euro. Im Monat. Nicht eingerechnet: Kosten, zum Beispiel für Sprit oder Telefongespräche.
"Es gibt Studien, auch eine repräsentative, unabhängige Studie aus den USA, die zeigt, dass drei Viertel ungefähr mehr Geld investieren als jemals zurück verdienen. Da kommt die Zeit noch dazu. Naja, und das von dem Viertel, das dann irgendwas verdient, das im Verhältnis zum Zeitaufwand auch noch sehr wenig ist."
Claudia Gross, Wissenschaftlerin an der Radbout-Universität in Nimwegen, die sich seit Jahren mit Netzwerk-Marketing beschäftigt. In Deutschland fehlt eine große Studie zum Netzwerk-Marketing noch. Dafür hat eine amerikanische Studie festgestellt: 99 Prozent der Network-Marketer verlieren Geld. Und die Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen, ist höher, als im Network-Marketing reich zu werden. Denn: Das Einkommen ist extrem ungleich verteilt.
"Die Einkommenspyramide sieht so aus, dass eigentlich jedem Neuling sofort gesagt wird, wie hoch es geht. Dass ein Provisions-Schema vorgelegt wird, wo wirklich rechts, sagen wir mal eine rechte Spalte, tolle Einkünfte sind von 10.000 Euro pro Monat, 100.000 Euro pro Monat, 150.000 Euro pro Monat. Was nicht gesagt wird, ist eben, wie wenig Leute das jemals erreichen. Also einer aus 30.000, einer aus 40.000. Dieses Werben mit solchen Versprechen, solchen theoretischen Modellen, die beinahe für niemanden gelten, ist sehr unethisch. Es ist eigentlich absurd", sagt Claudia Gross.
"Es ist so, als ob man einem Schlosser-Lehrling in der Fabrik, der anfängt am ersten Tag mit seiner Lehre, mit 800 Euro Lehrgehalt sagt: Wenn du hier eifrig alles kaufst, was diese Fabrik herstellt, dann bist du in zwei Jahren CEO. Du bist ganz oben und verdienst zwei Millionen im Jahr. Das stimmt einfach nicht. Und der Begriff Network-Marketing wird ja von vielen Unternehmen bevorzugt, weil Netzwerk - das klingt so gleichwertig. Ist es aber gar nicht. Das ganze System ist darauf angelegt, dass man sehr, sehr viele Leute unter sich braucht, um hoch kommen zu können und um mitzuverdienen. An anderen."
"Wir wachsen schnell. Profitier auch du davon. Alles fängt klein an, aber sobald der Anfang gemacht ist und das Rad sich dreht, ist es definitiv nicht aufzuhalten. Ich biete dir eine neue Chance: Entweder du erkennst sie oder nicht. Schau sie dir in Ruhe an."
Einer der erfolgreichsten Netzwerk-Marketer Deutschlands
"Meine schönste Bestie, die es gibt: McLaren P1. Ja, den hab‘ ich mir vor sechs Jahren geordert. Hab ihn dann zwei Jahre später bekommen."
Fernando Fasini führt durch sein Hotel in Emsdetten. An der Rezeption vorbei, durch den Frühstücksraum. Und dann steht da plötzlich - zwischen Stühlen und Fitnessgeräten - ein McLaren P1. Preis des Geräts: eine Million Euro. Aber das ist nichts, was Fasini aus den Socken hauen würde. So drei Millionen, schätzt er, hat er in seinem Leben mindestens schon für Autos ausgegeben.
"Ich bin eigentlich jemand gewesen, der immer schon gesagt: ‚Fernando Fasini, Ferrari, das wäre natürlich richtig geil.‘ Und wenn ich so ein rotes Auto irgendwo auf der Straße flach von Weiten sah, dann hab‘ ich schon Herzschrittmacher gebraucht, das heißt, mein Herz ist stehen geblieben. Dann hab‘ ich mir das Schienbein gebrochen. Dann musste ich leider mir einen SL kaufen. Hört sich jetzt komisch an, aber ist so wegen der Automatik. Und danach hab‘ ich mir dann gesagt: Okay, Ferrari, Porsche und verschiedene andere Autos und zum Schluss nochmal Lamborghini Diablo, einen letzten. Und dann hab‘ ich den gesehen, habe gesagt, den will ich haben, hab gesagt, den hol ich mir."
Wir verlassen den McLaren und fahren hoch in Fasinis Penthouse auf dem Dach seines Hotels. Draußen, im Regen: ein Pool und ein riesiger Grill. Drinnen: Möbel, die nach Geld aussehen. Fasini ist einer der erfolgreichsten Netzwerk-Marketer Deutschlands. Seine Geschichte: vom Tellerwäscher zum Millionär. Es ist die Geschichte, die viele Einsteiger ins Netzwerk-Marketing gerne hören: Oft, das zeigen Studien, sind sie in ihrem Leben ganz unten angekommen, bevor sie mit dem Netzwerk-Marketing anfangen.
"Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich zur Grundschule ging, dort meine ersten Anpassungsprobleme hatte, weil ich angeblich nicht genug oder nicht ausreichend Deutsch sprechen konnte. Wurde dann sogar zurückgesetzt."
Nach der siebten Klasse verließ Fasini die Schule. Nach einem Jahr in einem Berufsfortbildungszentrum, in dem Fasini den Hauptschulabschluss nachholte, machte er eine Ausbildung zum Schlosser. Doch nach dem Abschluss fand er keinen Job, ihm blieb nur das Saubermachen in einer Weberei.
"Da kam ich zum Meister, der gab mir eine neue Zahnbürste. Ich hab‘ gedacht, was will der jetzt von mir? ‚Die brauchst du.‘ ‚Wofür?‘ ‚Für den neuen Job.‘ Dann er: ‚Komm mal mit. Das ist ein Staubsauger. Den kannst du hin und her bewegen. Und dann die ganze Web-Maschine. Die hat beim Schuss die Flusen. Und die saugst du erst mal ab, die nächsten Monate. Und dann werden wir schon was richtig Geiles für dich finden.‘ So und nach drei Monaten war ich immer noch da. Nach fünf Monaten immer noch. Nach sechs Monaten. Immer noch. Nach sieben Monaten immer noch. Und ich sage mir: Das kann doch nicht wahr sein."
Fernando Fasini führt durch sein Hotel in Emsdetten. An der Rezeption vorbei, durch den Frühstücksraum. Und dann steht da plötzlich - zwischen Stühlen und Fitnessgeräten - ein McLaren P1. Preis des Geräts: eine Million Euro. Aber das ist nichts, was Fasini aus den Socken hauen würde. So drei Millionen, schätzt er, hat er in seinem Leben mindestens schon für Autos ausgegeben.
"Ich bin eigentlich jemand gewesen, der immer schon gesagt: ‚Fernando Fasini, Ferrari, das wäre natürlich richtig geil.‘ Und wenn ich so ein rotes Auto irgendwo auf der Straße flach von Weiten sah, dann hab‘ ich schon Herzschrittmacher gebraucht, das heißt, mein Herz ist stehen geblieben. Dann hab‘ ich mir das Schienbein gebrochen. Dann musste ich leider mir einen SL kaufen. Hört sich jetzt komisch an, aber ist so wegen der Automatik. Und danach hab‘ ich mir dann gesagt: Okay, Ferrari, Porsche und verschiedene andere Autos und zum Schluss nochmal Lamborghini Diablo, einen letzten. Und dann hab‘ ich den gesehen, habe gesagt, den will ich haben, hab gesagt, den hol ich mir."
Wir verlassen den McLaren und fahren hoch in Fasinis Penthouse auf dem Dach seines Hotels. Draußen, im Regen: ein Pool und ein riesiger Grill. Drinnen: Möbel, die nach Geld aussehen. Fasini ist einer der erfolgreichsten Netzwerk-Marketer Deutschlands. Seine Geschichte: vom Tellerwäscher zum Millionär. Es ist die Geschichte, die viele Einsteiger ins Netzwerk-Marketing gerne hören: Oft, das zeigen Studien, sind sie in ihrem Leben ganz unten angekommen, bevor sie mit dem Netzwerk-Marketing anfangen.
"Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich zur Grundschule ging, dort meine ersten Anpassungsprobleme hatte, weil ich angeblich nicht genug oder nicht ausreichend Deutsch sprechen konnte. Wurde dann sogar zurückgesetzt."
Nach der siebten Klasse verließ Fasini die Schule. Nach einem Jahr in einem Berufsfortbildungszentrum, in dem Fasini den Hauptschulabschluss nachholte, machte er eine Ausbildung zum Schlosser. Doch nach dem Abschluss fand er keinen Job, ihm blieb nur das Saubermachen in einer Weberei.
"Da kam ich zum Meister, der gab mir eine neue Zahnbürste. Ich hab‘ gedacht, was will der jetzt von mir? ‚Die brauchst du.‘ ‚Wofür?‘ ‚Für den neuen Job.‘ Dann er: ‚Komm mal mit. Das ist ein Staubsauger. Den kannst du hin und her bewegen. Und dann die ganze Web-Maschine. Die hat beim Schuss die Flusen. Und die saugst du erst mal ab, die nächsten Monate. Und dann werden wir schon was richtig Geiles für dich finden.‘ So und nach drei Monaten war ich immer noch da. Nach fünf Monaten immer noch. Nach sechs Monaten. Immer noch. Nach sieben Monaten immer noch. Und ich sage mir: Das kann doch nicht wahr sein."
Fasini: "Es kann einfach nicht jeder schaffen"
Über Bekannte hörte Fasini vom Vertrieb. Erst versuchte er sich anderthalb Jahre am Verkauf von Versicherungen. Dann stieß er auf LR. Er wurde zum Netzwerk-Marketer – und hatte schnell Erfolg.
"Ich hatte innerhalb von drei Monaten 78 Leute ins Geschäft gebracht. 33 haben Umsatz gemacht. Das heißt, die haben dann auch gesagt: ‚Komm mal her, ich hab‘ da zwei Leute, die wollen das Geschäft kennenlernen. Hilfst du mir?‘ Und daraus hab‘ ich dann insgesamt von knapp über einem Jahr 18 Führungskräfte aufgebaut und hab da auch schon 25, 30.000 Mark im Monat verdient."
Bald machte Fasini eine Million Umsatz im Monat, dann zwei, dann drei Millionen. In seinen Jahren bei LR, behauptet er, habe er insgesamt eine Milliarde Umsatz gemacht, 220.000 Partner gewonnen.
Fasinis Leben ist eine Erfolgsgeschichte. Was erfolgreiche Netzwerker wie er nie sagen würden: Jeder kann es im Netzwerk-Marketing schaffen. Was sie sagen, wofür sie stehen: Du kannst es schaffen. Wenn du nur hart und schlau genug arbeitest, wirst du im Network-Marketing reich werden, genau so reich, wie ich es geworden bin. Doch diese Geschichte stimmt nicht.
"Das finde ich einfach gelogen. Es kann einfach nicht jeder schaffen. Also erstmal ist die Struktur der Unternehmen nicht so, dass jeder eben oben sein kann. Nicht jeder kann CEO werden. Das ist einfach so. Und was das sozial bedeutet, ist, dass eigentlich ganz vielen Leuten, wenn sie es nicht schaffen, die Schuld in die eigenen Schuhe geschoben wird. Das finde ich sehr unethisch und sehr bedenklich."
Claudia Gross.
Die vielen Einsteiger, die mit großen Versprechen ins Netzwerk-Marketing gelockt werden und dann nichts verdienen, sind notwendig für das System. Ohne sie könnte es gar nicht bestehen: Das Geld, das sie für Jahreslizenzen oder die ersten Produkte ausgeben, fließt gleich an die Marketer auf den oberen Stufen der Pyramide. Die Rechnung ist einfach: Damit einer ein einigermaßen auskömmliches Gehalt im Netzwerk-Marketing verdienen kann, braucht er 4000 andere unter sich. Und jeder dieser 4000, der ein auskömmliches Gehalt verdienen will, bräuchte wiederum 4000 unter sich – das wären dann insgesamt 16 Millionen Netzwerk-Marketer. Eher unwahrscheinlich in Deutschland.
"Ich hatte innerhalb von drei Monaten 78 Leute ins Geschäft gebracht. 33 haben Umsatz gemacht. Das heißt, die haben dann auch gesagt: ‚Komm mal her, ich hab‘ da zwei Leute, die wollen das Geschäft kennenlernen. Hilfst du mir?‘ Und daraus hab‘ ich dann insgesamt von knapp über einem Jahr 18 Führungskräfte aufgebaut und hab da auch schon 25, 30.000 Mark im Monat verdient."
Bald machte Fasini eine Million Umsatz im Monat, dann zwei, dann drei Millionen. In seinen Jahren bei LR, behauptet er, habe er insgesamt eine Milliarde Umsatz gemacht, 220.000 Partner gewonnen.
Fasinis Leben ist eine Erfolgsgeschichte. Was erfolgreiche Netzwerker wie er nie sagen würden: Jeder kann es im Netzwerk-Marketing schaffen. Was sie sagen, wofür sie stehen: Du kannst es schaffen. Wenn du nur hart und schlau genug arbeitest, wirst du im Network-Marketing reich werden, genau so reich, wie ich es geworden bin. Doch diese Geschichte stimmt nicht.
"Das finde ich einfach gelogen. Es kann einfach nicht jeder schaffen. Also erstmal ist die Struktur der Unternehmen nicht so, dass jeder eben oben sein kann. Nicht jeder kann CEO werden. Das ist einfach so. Und was das sozial bedeutet, ist, dass eigentlich ganz vielen Leuten, wenn sie es nicht schaffen, die Schuld in die eigenen Schuhe geschoben wird. Das finde ich sehr unethisch und sehr bedenklich."
Claudia Gross.
Die vielen Einsteiger, die mit großen Versprechen ins Netzwerk-Marketing gelockt werden und dann nichts verdienen, sind notwendig für das System. Ohne sie könnte es gar nicht bestehen: Das Geld, das sie für Jahreslizenzen oder die ersten Produkte ausgeben, fließt gleich an die Marketer auf den oberen Stufen der Pyramide. Die Rechnung ist einfach: Damit einer ein einigermaßen auskömmliches Gehalt im Netzwerk-Marketing verdienen kann, braucht er 4000 andere unter sich. Und jeder dieser 4000, der ein auskömmliches Gehalt verdienen will, bräuchte wiederum 4000 unter sich – das wären dann insgesamt 16 Millionen Netzwerk-Marketer. Eher unwahrscheinlich in Deutschland.
Sich selbst die Schuld geben
"Vor allem, wenn es um jüngere Menschen geht, die die Hoffnung haben, hier wirklich was erreichen zu können. Die vielleicht die Schule schleifen lassen, vielleicht keine Ausbildung machen, vielleicht mit ihrem Studium nicht vorwärtskommen, weil sie denken: ‚Wow! Im MLM da kann ich viel leichter viel mehr Geld verdienen.‘ Und dann merken, es funktioniert nicht. Und dann denken: ‚Ich bin selber schuld.‘ Die eigentlich diese Ideale des positiven Denkens verinnerlichen, obwohl das System schuld ist, also nicht sie selbst, sondern das System ist schuld. Und das finde ich wirklich gesellschaftlich bedenklich."
Selbst Fasini, der bis heute Netzwerk-Marketing betreibt, erkennt das. Man könne im Netzwerk-Marketing Geld verdienen, ja, dabei bleibt er. Aber bei den meisten Unternehmen, die derzeit auf dem Markt unterwegs sind, sei das nicht möglich.
"Wenn man diese Leute kennenlernt, wird man sehr schnell merken, die haben keine Ahnung von den Produkten, die reden viel drumrum. Ich habe gestern noch eine Schulung von der Firma angeguckt, wo der Typ, der das alles entwickelt hat, nur Superlative verwendet hat. Wo ich sage, kannst du nochmal auf gewisse Wirkstoffe eingehen, was wichtig ist. Aber das macht er nicht, weil – ich weiß es, er weiß es auch, aber die Leute vom Monitor auf der anderen Seite wissen es nicht: Der hat ganz normale Produkte in seinem System, die man im Supermarkt zum Bruchteil des Geldes bekommt. Aber er versucht das als High-End-Produkte zu verkaufen. Es wird leider draußen extrem viel verarscht."
"In den letzten zehn Jahren wurde ich zum Multimillionär, und ich weiß genau, wie auch Du das wirst! Lass uns gemeinsam abheben."
Eine der ersten Regeln des Network-Marketings ist: Fang in deinem Umfeld an. Sprich deine Mutter an, deinen Vater, deine Geschwister, deine besten Freunde. Da kannst du üben, die können dir kaum was abschlagen. Mit allen Problemen, die das so mit sich bringt.
"Dass Beziehungen kaputtgehen, dass Freundschaften kaputtgehen und auch, dass auf Social Media Leute einfach genervt sind, wie oft sie angesprochen werden mit verschiedenen Produkten, mit allen Sorten Post von vorher und nachher: Das ist wirklich anstrengend. Und was MLM und Network Unternehmen hier tun, ist, dass sie die eigene Chance anpreisen, als etwas sehr, sehr Wertvolles. Die sagen: ‚Du musst es deinen Freunden empfehlen, wenn sie diese Chance verpassen, sie werden ewig auf dich böse sein‘. Ja, aber das stimmt wirklich nicht. Die Zahlen und zig Studien und hunderttausend Erfahrungsberichte zeigen: Die wenigsten Leute sind böse, wenn sie nicht angesprochen werden."
Ich treffe Isabel Krämer in einem Park. Erst ist es sonnig, später wird es regnen. Isabel, 24 Jahre alt, studiert in Köln Journalismus und Unternehmenskommunikation. Früher war sie Network-Marketerin. Es begann für sie im Jahr 2016.
"Da hat mein damaliger Freund mich ein bisschen darauf gebracht. Er wurde nämlich angeschrieben von jemandem und wurde gefragt: ‚Ja, ich hab‘ gesehen, du bist sportlich unterwegs. Hättest du nicht Lust, bei uns mitzumachen, in unserem Team einfach ein paar Bilder zu posten von dir beim Sport oder vom gesunden Essen, und damit nebenbei Geld zu verdienen?‘ Und das hat sich natürlich erst mal mega-gut angehört."
Selbst Fasini, der bis heute Netzwerk-Marketing betreibt, erkennt das. Man könne im Netzwerk-Marketing Geld verdienen, ja, dabei bleibt er. Aber bei den meisten Unternehmen, die derzeit auf dem Markt unterwegs sind, sei das nicht möglich.
"Wenn man diese Leute kennenlernt, wird man sehr schnell merken, die haben keine Ahnung von den Produkten, die reden viel drumrum. Ich habe gestern noch eine Schulung von der Firma angeguckt, wo der Typ, der das alles entwickelt hat, nur Superlative verwendet hat. Wo ich sage, kannst du nochmal auf gewisse Wirkstoffe eingehen, was wichtig ist. Aber das macht er nicht, weil – ich weiß es, er weiß es auch, aber die Leute vom Monitor auf der anderen Seite wissen es nicht: Der hat ganz normale Produkte in seinem System, die man im Supermarkt zum Bruchteil des Geldes bekommt. Aber er versucht das als High-End-Produkte zu verkaufen. Es wird leider draußen extrem viel verarscht."
"In den letzten zehn Jahren wurde ich zum Multimillionär, und ich weiß genau, wie auch Du das wirst! Lass uns gemeinsam abheben."
Eine der ersten Regeln des Network-Marketings ist: Fang in deinem Umfeld an. Sprich deine Mutter an, deinen Vater, deine Geschwister, deine besten Freunde. Da kannst du üben, die können dir kaum was abschlagen. Mit allen Problemen, die das so mit sich bringt.
"Dass Beziehungen kaputtgehen, dass Freundschaften kaputtgehen und auch, dass auf Social Media Leute einfach genervt sind, wie oft sie angesprochen werden mit verschiedenen Produkten, mit allen Sorten Post von vorher und nachher: Das ist wirklich anstrengend. Und was MLM und Network Unternehmen hier tun, ist, dass sie die eigene Chance anpreisen, als etwas sehr, sehr Wertvolles. Die sagen: ‚Du musst es deinen Freunden empfehlen, wenn sie diese Chance verpassen, sie werden ewig auf dich böse sein‘. Ja, aber das stimmt wirklich nicht. Die Zahlen und zig Studien und hunderttausend Erfahrungsberichte zeigen: Die wenigsten Leute sind böse, wenn sie nicht angesprochen werden."
Ich treffe Isabel Krämer in einem Park. Erst ist es sonnig, später wird es regnen. Isabel, 24 Jahre alt, studiert in Köln Journalismus und Unternehmenskommunikation. Früher war sie Network-Marketerin. Es begann für sie im Jahr 2016.
"Da hat mein damaliger Freund mich ein bisschen darauf gebracht. Er wurde nämlich angeschrieben von jemandem und wurde gefragt: ‚Ja, ich hab‘ gesehen, du bist sportlich unterwegs. Hättest du nicht Lust, bei uns mitzumachen, in unserem Team einfach ein paar Bilder zu posten von dir beim Sport oder vom gesunden Essen, und damit nebenbei Geld zu verdienen?‘ Und das hat sich natürlich erst mal mega-gut angehört."
Kontaktabbrüche und Verlust von Freunden
"Juice Plus" heißt die Firma, für die Isabel arbeitete. Sie hat Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, die bei der Gewichtsabnahme oder beim Muskelaufbau helfen sollen. Isabel registrierte sich online bei "Juice Plus", mit einem Klick – für 100 Euro. Dann schrieb sie ihre Facebook-Bekannten an. Rückmeldungen kriegte sie kaum.
"Viele Freunde haben sich dann aber auch von mir abgewandt, muss ich sagen, und haben dann auch den Kontakt total abgebrochen. Was ich erst mal überhaupt nicht darauf geschoben hab. Und ich war dann auch so darin vertieft, dass ich mir irgendwie so gar nicht mehr so großartig Gedanken darüber gemacht habe."
Nicht viel besser sah es bei ihren Eltern aus, die wenig begeistert vom Job ihrer Tochter waren.
"Und dann kam aber so ein bisschen das Team, was dahintersteckte. Was dann immer wieder mir bestätigt hat: ‚Ja, die haben noch keine Ahnung. Das ist eine andere Generation. Die kennen das so nicht, hör nicht auf die. Du hast jetzt einen praktischen Weg für dich gefunden, der dich irgendwie erfüllt. Mach dein Ding und hör nicht auf die anderen.‘ So die Einstellung. Und wenn halt 30 andere aus dem Team, die irgendwie nett zu dir sind und dich direkt offen begrüßen, das sagen, es hört sich irgendwie so naiv an, aber irgendwie hab‘ ich in dem Moment wirklich gedacht: Ja, die haben irgendwie recht."
Jeden Tag trafen Whatsapp-Nachrichten von anderen Netzwerk-Marketern auf Isabels Handy ein, ständig fanden Videokonferenzen statt, auf denen sich die Partner gegenseitig stärkten.
"Da ich halt auch ein kommunikativer Typ bin, dachte ich mir dann halt: Ja, das ist ja cool und paar neue Leute, interessant. Dass ich dann auch Leute besucht habe, die zum Beispiel in Frankfurt gewohnt haben oder in Berlin. Und das ist natürlich dann auch aufregend, wenn man sagt: Ja, ich fahr dieses Wochenende nach Berlin, und wir arbeiten ein bisschen zusammen und gehen irgendwie lecker essen oder so. Also das war dann schon sehr reizvoll."
Diese Abnabelung vom alten Umfeld gehört bei vielen Netzwerk-Marketern dazu, die Welt wird gespalten in Gut und Böse.
"Die anderen haben keinen Plan, und nur wer in der Gruppe ist, der weiß, wo es langgeht. Oder die anderen sind Loser, Quitter, Versager, Negativ-Denker und so weiter. Und die wollen nicht, dass du erfolgreich wirst. Das ist wirklich ein Kennzeichen."
Claudia Gross.
"Eigentlich so wie Sekten, eine Technik von Sekten. Bei MLM geht's wirklich ganz knallhart ums Geschäftsmodell und ums Verdienen. In dem Sinn sind das ja keine religiösen Gemeinschaften, aber die Intensität, mit der geglaubt wird an Verdienst-Modelle, an das eigene Können, an die eigene Zukunft, wie rosig die aussieht, das hat schon was von Kulten."
"Viele Freunde haben sich dann aber auch von mir abgewandt, muss ich sagen, und haben dann auch den Kontakt total abgebrochen. Was ich erst mal überhaupt nicht darauf geschoben hab. Und ich war dann auch so darin vertieft, dass ich mir irgendwie so gar nicht mehr so großartig Gedanken darüber gemacht habe."
Nicht viel besser sah es bei ihren Eltern aus, die wenig begeistert vom Job ihrer Tochter waren.
"Und dann kam aber so ein bisschen das Team, was dahintersteckte. Was dann immer wieder mir bestätigt hat: ‚Ja, die haben noch keine Ahnung. Das ist eine andere Generation. Die kennen das so nicht, hör nicht auf die. Du hast jetzt einen praktischen Weg für dich gefunden, der dich irgendwie erfüllt. Mach dein Ding und hör nicht auf die anderen.‘ So die Einstellung. Und wenn halt 30 andere aus dem Team, die irgendwie nett zu dir sind und dich direkt offen begrüßen, das sagen, es hört sich irgendwie so naiv an, aber irgendwie hab‘ ich in dem Moment wirklich gedacht: Ja, die haben irgendwie recht."
Jeden Tag trafen Whatsapp-Nachrichten von anderen Netzwerk-Marketern auf Isabels Handy ein, ständig fanden Videokonferenzen statt, auf denen sich die Partner gegenseitig stärkten.
"Da ich halt auch ein kommunikativer Typ bin, dachte ich mir dann halt: Ja, das ist ja cool und paar neue Leute, interessant. Dass ich dann auch Leute besucht habe, die zum Beispiel in Frankfurt gewohnt haben oder in Berlin. Und das ist natürlich dann auch aufregend, wenn man sagt: Ja, ich fahr dieses Wochenende nach Berlin, und wir arbeiten ein bisschen zusammen und gehen irgendwie lecker essen oder so. Also das war dann schon sehr reizvoll."
Diese Abnabelung vom alten Umfeld gehört bei vielen Netzwerk-Marketern dazu, die Welt wird gespalten in Gut und Böse.
"Die anderen haben keinen Plan, und nur wer in der Gruppe ist, der weiß, wo es langgeht. Oder die anderen sind Loser, Quitter, Versager, Negativ-Denker und so weiter. Und die wollen nicht, dass du erfolgreich wirst. Das ist wirklich ein Kennzeichen."
Claudia Gross.
"Eigentlich so wie Sekten, eine Technik von Sekten. Bei MLM geht's wirklich ganz knallhart ums Geschäftsmodell und ums Verdienen. In dem Sinn sind das ja keine religiösen Gemeinschaften, aber die Intensität, mit der geglaubt wird an Verdienst-Modelle, an das eigene Können, an die eigene Zukunft, wie rosig die aussieht, das hat schon was von Kulten."
Unternehmen agieren sektenähnlich
"4000 Leute. Ich bin so on fire, sage ich euch, ich könnte Wasser anzünden. Egal, welche Enttäuschungen ihr erleben werdet, euer Kern kann nie gebrochen werden. Ein echter Leader ist nie verloren. Es ist einfach das Geilste, was mir und uns als Familie passieren konnte. Das ist kein Job. Das ist mein Leben."
Ausschnitt eines Kongresses, den "Juice Plus" und andere Network-Marketing-Unternehmen in gewöhnlichen Zeiten regelmäßig durchführen. Auch Isabel Krämer nahm an Conventions teil. Anreise, Unterkunft und Ticket zahlte sie selbst.
"Also die Conventions, die sind nochmal irgendwie eine Sache für sich. Da wird man praktisch von Freitag bis Sonntag mehr oder weniger eingesperrt in so einem Konzertsaal. Also ja, so ein riesigen Raum, wo dann praktisch die Leute, die schon vermeintlich Erfolg hatten mit dem Job auf die Bühne gehen und ihre Erfolgsgeschichte erzählen. Also vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-mäßig und halt auch erzählen: ‚Ja, ich hatte das immer ganz hart im Leben, und jetzt bin ich ja glücklich und habe alles erreicht, was ich will.‘ Zeigen dann Fotos von ihrem Haus, in ihrem Auto und so", erzählt Isabel Krämer.
Ausschnitt eines Kongresses, den "Juice Plus" und andere Network-Marketing-Unternehmen in gewöhnlichen Zeiten regelmäßig durchführen. Auch Isabel Krämer nahm an Conventions teil. Anreise, Unterkunft und Ticket zahlte sie selbst.
"Also die Conventions, die sind nochmal irgendwie eine Sache für sich. Da wird man praktisch von Freitag bis Sonntag mehr oder weniger eingesperrt in so einem Konzertsaal. Also ja, so ein riesigen Raum, wo dann praktisch die Leute, die schon vermeintlich Erfolg hatten mit dem Job auf die Bühne gehen und ihre Erfolgsgeschichte erzählen. Also vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-mäßig und halt auch erzählen: ‚Ja, ich hatte das immer ganz hart im Leben, und jetzt bin ich ja glücklich und habe alles erreicht, was ich will.‘ Zeigen dann Fotos von ihrem Haus, in ihrem Auto und so", erzählt Isabel Krämer.
"Und das ganze Publikum, also alle möglichen Partner praktisch und Partnerinnen, die jubeln dann zu und stehen auf und klatschen. Und es ist, als wären das halt wirklich Superstars. Ich war auf zwei Conventions, wirklich auch schon so dieses Gefühl von Gehirnwäsche. Und so: Was mache ich hier eigentlich? Weil die Leute haben sich dann umarmt und irgendwie geklatscht und so. Also es war halt irgendwie ein bisschen seltsam."
Die Zielgruppe der Network-Marketer, von denen Isabel viele auf den Conventions kennenlernte, ist ziemlich eindeutig.
"Also es wurde praktisch für jeden eine Sparte gefunden, wo die sich wiederfinden konnten und dass dann praktisch auch die Leute, die sie fangen wollten, sag ich mal, auch was hatten: ‚So, ja, guck mal. Du wurdest früher gemobbt, aber jetzt sind wir für dich da. Jetzt hast du Freunde, neue Freunde.‘ Oder Leute, die nicht viel Geld hatten: ‚Ja, hier kannst du super viel Geld verdienen, und das schaffst du nur durch uns.‘ Also es wird praktisch für jeden irgendwie was gefunden."
Sektenähnlich, sagt Claudia Gross, agieren viele Network-Unternehmen. Sieht Isabel das auch so?
"Also Sekte trifft es eigentlich schon ganz gut, würde ich sagen. Also es war halt irgendwie auch so Scheinwelten. So würde ich das halt auch sagen, so dass es innerhalb der Gruppe und Teams immer so aussah: Alle sind deine Freunde, und alle wollen nur das Beste für dich. Aber sobald dann Leute ausgestiegen sind, wurden die auch direkt aus der Gruppe geworfen und es hieß so: Blockiert die sofort", berichtet sie.
Die Zielgruppe der Network-Marketer, von denen Isabel viele auf den Conventions kennenlernte, ist ziemlich eindeutig.
"Also es wurde praktisch für jeden eine Sparte gefunden, wo die sich wiederfinden konnten und dass dann praktisch auch die Leute, die sie fangen wollten, sag ich mal, auch was hatten: ‚So, ja, guck mal. Du wurdest früher gemobbt, aber jetzt sind wir für dich da. Jetzt hast du Freunde, neue Freunde.‘ Oder Leute, die nicht viel Geld hatten: ‚Ja, hier kannst du super viel Geld verdienen, und das schaffst du nur durch uns.‘ Also es wird praktisch für jeden irgendwie was gefunden."
Sektenähnlich, sagt Claudia Gross, agieren viele Network-Unternehmen. Sieht Isabel das auch so?
"Also Sekte trifft es eigentlich schon ganz gut, würde ich sagen. Also es war halt irgendwie auch so Scheinwelten. So würde ich das halt auch sagen, so dass es innerhalb der Gruppe und Teams immer so aussah: Alle sind deine Freunde, und alle wollen nur das Beste für dich. Aber sobald dann Leute ausgestiegen sind, wurden die auch direkt aus der Gruppe geworfen und es hieß so: Blockiert die sofort", berichtet sie.
"Ja, und so war das dann letztendlich auch bei mir. Also als ich dann für mich entschieden habe, okay, ich möchte das nicht mehr machen, haben alle von jetzt auf gleich den Kontakt zu mir abgebrochen. Alle vermeintlichen Freunde, mit denen ich vorher mich getroffen habe, bei denen ich übernachtet hab und so quer durch Deutschland, haben sich nie wieder bei mir gemeldet. Mittlerweile hab‘ ich wirklich keinen Kontakt mehr zu den Leuten. Und ja, ich mache das natürlich auch geschäftlich nicht mehr. Und ja, das ist so geblieben, dass ich halt natürlich viel wachsamer bin. Also wenn die Leute mich jetzt mittlerweile anschreiben, weiß ich direkt anhand des Profils: Okay, Network-Marketing? Nee, danke."