Mit der App gegen Schädlinge
Mit der App "Plantix" lassen sich Schädlinge im Garten bestimmen. Die Anwendung hat riesiges Potenzial. Fernziel ist eine App für sämtliche Pflanzenkrankheiten - weltweit.
Ein kleines Paradies auf Erden: Wenn Sina Schröder das urige Gartentor aus Weidenzweigen öffnet, geht es durch einen Tunnel duftender Rosen, vorbei an Obstbäumen und Bienenkörben. Linker Hand liegen die Beete im Stil alter Bauerngärten, gedeihen Kartoffeln, Bohnen, Kräuter.
Alles in Reih und Glied. Doch auch im Paradies gibt's viel zu tun: Jäten, hacken und immer wieder gießen. Weiter hinten, auf der Terrasse mit dem rankenden Wein, wartet Ärger. Irgendwie sehen die Blätter der Kletterpflanze ungesund aus:
"Wir haben Tafeltrauben gepflanzt, und es ist schon im ersten Jahr vorgekommen, dass sich diese Auswirkungen auf den Blättern ergeben haben. Auf der Unterseite gibt es so einen weißen Filz und oben wölbt sich das Blatt so auf. Das ist sehr unschön anzusehen und wir haben uns natürlich sofort Gedanken gemacht, was es denn sein könnte."
Welcher Schädling ist hier am Werk?
Welche Schädlinge sind hier eigentlich am Werk? Kann die Edelrebe allein damit fertig werden? Oder sollte mit einem Pflanzenschutzmittel nachgeholfen werden? Die 32-Jährige Hobby-Gärtnerin zieht ihr Smartphone aus der Tasche, denn Antworten auf all die bohrenden Fragen gibt eine App: "Plantix".
"Im Prinzip ist die Anwendung recht einfach. Man sucht sich die Pflanze aus, die man bestimmen möchte. Das wäre in diesem Fall der Wein. Und dann macht man ein Foto von dem betroffenen Pflanzenteil, das wäre in diesem Fall das Blatt. Dann bekommt man eine Ergebnisliste an Vorschlägen, welche Pflanzenkrankheit das sein kann. Und da haben wir schon die Pockenmilbe. Das sieht genauso aus wie auf unserem Blatt – das Foto. Und da gibt es gleich eine Beschreibung der Symptome, der Auslöser und auch der präventiven Maßnahmen."
Die Idee zu der kostenlosen App hatte Simone Strey aus Hannover. Bücher über Pflanzenkrankheiten gebe es genug, sagt sie, doch was nützt das Wissen, wenn es zuhause im Regal steht.
"Das war auch ein Stück weit die Idee, das Buch ins Smartphone zu bringen, in die Hosentasche der Gärtner, in den Garten rein, wo es dann immer parat sein kann, wenn man es denn gerade braucht. Man kann es neben die Pflanze halten, schauen, vergleichen. Ist es denn auch wirklich das, was ich hier sehe, was unser Algorithmus erkannt hat und sagt, das ist es wahrscheinlich. Das also noch einmal abgleichen kann und es einfach immer dabei hat."
Kleingärtner greifen vorschnell zur chemischen Keule
Die Geografin trommelte Botaniker, Experten für Pflanzenkrankheiten, Informatiker und Computerexperten zusammen – ein siebenköpfiges Team aus Hannover und Berlin. Häufig wissen gerade Kleingärtner zu wenig über Schädlinge und greifen vorschnell zur chemischen Keule, bedauert Pierre Munzel, der die Pressearbeit übernommen hat:
"Wir stehen aktuell bei 170 Pflanzenkrankheiten, die wir aufgenommen haben. Und von denen können wir jetzt schon 25 automatisch bestimmen. Dazu zählen zum Beispiel der Mehltau an der Gurke, aber auch der Birnengitterrost ist sehr populär gewesen letztes Jahr vorgekommen, aber auch die Pockenmilbe am Wein. Und das sind so Beispiele, die wir automatisch erkennen können. Zum Ende des Jahres wollen wir das noch verdoppeln und dann zum Ende der Saison die 50er-Marke geknackt haben."
Sina Schröder rührt gerade einen Pflanzensud an – gegen die Pockenmilbe. Auch das Rezept hat sie von Plantix – der App mit dem grünen Daumen. Pflanzenschutzmittel der chemischen Industrie wird man hier nicht finden.
"Der große Vorteil für mich war, dass ich besonders die biologischen Behandlungstipps gut finde, weil ich möchte keine Chemikalien bei mir im Garten anwenden oder keine gekauften Pflanzenschutzmittel. Man kann mit den einfachsten Mitteln biologische Stoffe herstellen, die gegen diese Pflanzenkrankheiten helfen, die wirklich mit Milch und Knoblauch herzustellen sind. Das fand ich ganz großartig."
Die App ist lernfähig: Mit jedem Foto, das die Hobbygärtner schießen, vergrößert sich die Datenbank und damit auch die Treffsicherheit bei der Computerdiagnose. Am Ende, so die Hoffnung von Pierre Munzel, ließe sich mit Plantix sogar Geld verdienen.
Die App soll kostenlos bleiben
"Wir wollen die App weiterhin kostenlos machen. Weil wir das Wissen für den "Normalsterblichen", sag' ich mal, für den kleinen Benutzer einfach verbreiten wollen. Gleichzeitig haben wir davon natürlich auch einen kleinen Vorteil. Wir bekommen die Bilder und können im Umkehrschluss so weiteren Menschen helfen. Aber später geht es dann auch dahin, dass wir unsere Software auch dafür benutzen wollen, sie in Agrardrohnen, Agrarroboter und zum Beispiel auch in Traktorenkameras einzubauen, um auch großflächige Felder überwachen zu können, und da ist dann eher das, wo wir dann anfangen, unseren Lebensunterhalt mitzuverdienen."
Hersteller von Agrartechnik sind sehr interessiert, fügt Pierre Munzel noch an. Fernziel ist eine App für sämtliche Pflanzenkrankheiten - weltweit. Gerade in Entwicklungsländern seien die Ernteverluste durch Schädlinge enorm. Ebenso der rigorose Einsatz chemischer Pestizide. Eine gesunde Ernährung für alle – dieses Ziel haben sich die Macher von Plantix gesetzt.