"120 BPM"
Regisseur und Drehbuchautor: Robin Campillo
Darsteller: Nahuel Pérez Biscayart, Arnaud Valois, Adèle Haenel u.a.
Frankreich 2017
Länge 143 Minuten, FSK: ab 16
Politischer Film mit poetischen Momenten
"120 BPM" führt ins Frankreich der frühen 1990er Jahre. Die Protagonisten wollen über AIDS aufklären, ecken aber in einem Land, das viel prüder war, als man denkt, immer wieder an. Regisseur Campillo ist ein überzeugendes Sittenbild des Mitterand-Frankreich gelungen.
Worum es geht:
Der vielleicht wichtigste, französische Film des Jahres ist ein kraftvolles Plädoyer für die Aufklärungsarbeit gegen die AIDS Epidemie durch die Aktivistengruppe ACT UP zu Beginn der 1990er Jahre. Schon in Cannes jubelten die französischen Kritiker, in Frankreich brachte es das zweieinhalb-Stunden-Werk auf über 800.000 Zuschauer und ist eine spannende Aufarbeitungsgeschichte. Regisseur Robin Campillo führt zurück in eine Zeit, in der es überhaupt keine öffentliche Wahrnehmung für AIDS in Frankreich gab und man die Krankheit als "Schwulen- und Junkie-Epidemie" empfand. Das regte viele Betroffene, Kranke natürlich auf, wie den Regisseur Robin Campillo, der damals mit Anfang 20 ebenfalls Act up beitrat.
Das Besondere:
Dem Regisseur ist ein Sittenbild Frankreichs unter Mitterand gelungen, dass viel prüder, viel autoritärer war, als man denkt. Immer wieder wird der Film konkret. In einer Schlüsselszene stürmen die Aktivisten ein Lycée, ein Gymnasium, verteilen Kondome und klären über Sex, auch unter Männern auf. Der Direktor ist empört. Er verkörpert hier eine unwillige Staatsmacht.
Die Bewertung:
120 BPM mag ein Film in einem historischen Kontext sein, er bleibt dennoch modern. Er erinnert an eine Diskusssions- und Streitkultur und das man etwas bewegen kann, wenn man sich organisiert, sich wehrt. Hier in Deutschland ist das längst in Vergessenheit geraten. Daher ist dieser Film eben auch so aktuell, er zeigt Wege des sich Engagierens und er hat diesen Erfolg im eigenen Land, weil es nach langer Zeit wieder ein politischer Film ist, inmitten der weichgespülten Gutfühlkomödien. Außerdem hat Robin Campillo einen stilistisch, vielschichtigen Film geschaffen. In der ersten Hälfte ist es ein Ensemblefilm mit vielen Protagonisten und dann im zweiten Teil wird es persönlicher, dann kommen wir einigen Figuren auch persönlich näher, sehen dass AIDS eben auch getötet hat, Wunden gerissen hat. Das ist dann durchaus sehr bewegend. Und der Film hat durch gekonnten Einsatz von Musik auch immer poetische Momente in denen man abschalten kann, in denen das Leben gefeiert wird.