"45 Years"
GB 2015
Regie: Andrew Haigh
Darsteller: Charlotte Rampling, Tom Courtenay, Dolly Wells, Geraldine James
Länge: 95 Minuten (ohne Altersangabe)
Ehedrama mit Blick ins Innerste zweier Menschen
Auf der Berlinale bejubelten Kritik und Publikum Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Das Spiel der beiden macht "45 Years" zu einer intensiven Charakterstudien. Ein Film, der sich auf die Beziehung von zwei Menschen konzentriert.
Im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale glänzte Andrew Haighs Ehedrama, das in einem Städtchen im nebelverhangenen Osten Englands seinen Lauf nimmt, wie ein Diamant. Ein kleiner, dessen Schönheit man vielleicht zunächst übersehen könnte, dessen Strahlkraft es aber mit jedem der opulenten Wüsten- oder Nordpoldramen aufnehmen kann. Es ist ein Film, der sich gänzlich auf die Beziehung von zwei Menschen konzentriert. Sie scheint nach 45 Ehejahren fest gefügt - und sie ist es auch. Wenige, alltäglich scheinende, doch sehr genau inszenierte Szenen überzeugen uns von der engen Vertrautheit und dem sorgsamen Umgang zwischen Kate und Geoff, die keine Kinder haben, dafür den Schäferhund Max. Sie schicken sich an, das Fest zu ihrem 45. Hochzeitstag auszurichten.
Keine glanzvolle Feier soll es werden, sondern einfach nur eine Party mit Freunden, aber auch die steht plötzlich infrage. Der Anlass ist ein Brief in deutscher Sprache, den Goeff bekommt und, in dessen Folge das so fest gefügte Paar wieder in zwei einzelne Menschen zerfällt. Klug wird die Spannung aufrecht erhalten. Wir erfahren von einer Frau, die nach 50 Jahren im Gletschereis der Alpen gefunden wird. Es ist Goeffs Jugendfreundin Katya aus den Jahren nach seinem Fronteinsatz im Krieg. Er, so steht im Brief, sei der nächste Verwandte der Toten und vor allem diese Formulierung bringt Kate aus der Fassung. Sie weiß von der Liebesgeschichte, aber dass sie nach so vielen Jahren den Mann noch so aufwühlt, ihr sogar entfremdet, weil er sie nicht an diesen Gemütsbewegungen teilnehmen lässt, stellt alles Gelebte infrage.
Menschen im Alter
Genau das hat Autor und Regisseur Andrew Haigh interessiert, die feinen Bewegungen und Balanceverschiebungen im Innersten von uns Menschen, die eben auch noch passieren, wenn das Leben fast am Ende ist. Dafür hatte Andrew Haigh die besten Darsteller. Gemeinsam mit Charlotte Rampling und Tom Courtenay erzählt uns der Film über Menschen im Alter, aber eben nicht von Tod, Krankheit oder finsteren Geheimnissen. Kate darf eifersüchtig sein und gekränkt, aber sie ist kein Opfer, und der Mann bekommt das Recht, mit dem Vergangenen noch einmal zu leben.
Je einen Silberne Bären gab es für Charlotte Rampling und Tom Courtenay. Verdient hätte solche Ehre auch Andrew Haigh, der ihnen die nie geschwätzigen Dialoge schrieb und sie ohne emotionalen Antrieb durch einen Soundtrack einfach nur spielen ließ.