Neu im Kino: "A Rainy Day in New York"

Warum der neue Woody Allen nicht in den US-Kinos läuft

03:47 Minuten
Eine junge Frau und ein junger Mann sitzen in einer Kutsche und fahren im Sonnenschein durch einen Park.
Elle Fanning und Timothée Chalamet in einer Szene aus Woody Allens Film "A Rainy Day in New York" © NFP marketing & distribution/Jessica Miglio
Von Peter Mücke  · 05.12.2019
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Wegen Missbrauchsvorwürfen gegen Woody Allen haben viele Schauspieler ihre Gagen gespendet. Jetzt kommt sein letzter Film „A Rainy Day in New York“ in die deutschen Kinos. In den USA findet der US-Regisseur keinen Verleih mehr.
Bis 2017 wollte jeder Schauspieler in einem Film von Woody Allen auftreten. Die Hollywood-Studios rissen sich um den New Yorker Filmregisseur. Doch jetzt ist alles anders. Der Streaming-Dienst Amazon hat den laufenden Vertrag gekündigt, Schauspieler distanzieren sich. Woody Allen ist in den USA ein Geächteter, seit seine Adoptivtochter Dylan mit Vorwürfen in Öffentlichkeit gegangen ist, die einen Tag im Jahr 1992 betreffen - Dylan war damals sieben.

Neue Wucht

"Es passierte auf dem Dachboden des Landhauses meiner Mutter. Mein Vater sagte mir, dass ich mich auf den Bauch legen soll und mit der Modelleisenbahn meines Bruders spielen soll. Mein Vater saß hinter mir und hat mich dann sexuell missbraucht", klagte sie den Adoptivater an. Die Vorwürfe sind nicht neu. Vor 27 Jahren hatte die Schauspielerin Mia Farrow deshalb ihren Ex-Mann mitten in einem Sorgerechtsstreit angezeigt.
Der Filmregisseur Woody Allen
Der Filmregisseur Woody Allen wehrt sich gegen die Vorwürfe. © Arnaud Journois/Maxppp/dpa/picture-alliance
Zwei Gutachten fanden keine Anzeichen für einen Missbrauch, auch wenn ein Staatsanwalt später Zweifel anmeldete. Woody Allen hat die Vorwürfe stets bestritten, er drehte weiter Filme, gewann Preise - bis Anfang 2018 die alten Vorwürfe auf einen neuen, fruchtbaren Boden trafen. "In diesem neuen kulturellen Klima haben diese Anschuldigungen eine ganz neue Wucht bekommen. Die #Metoo-Bewegung hat dazu geführt, dass viele Männer zu Recht verfolgt und bestraft werden. Sie führte aber auch dazu, dass das Leben manch anderer zerstört wird - durch Anschuldigungen, die keiner rechtlichen Überprüfung standhalten würden. Vielleicht nicht einmal dem gesunden Menschenverstand." Das sagt der Journalist Bret Stephens von der Zeitung "New York Times".
Er ist einer der wenigen, der überhaupt über den Fall Woody Allen sprechen will. Die meisten winken ab. Das Thema ist heikel in den USA. So heikel, dass Amazon Woody Allen 2018 gar nicht schnell genug loswerden konnte. "Da ist eine Kampagne in den sozialen Medien organisiert worden, die ihn als Kinderschänder und Sexualstraftäter darstellen. Und das hat natürlich einen Effekt - auch auf Unternehmen wie Amazon", sagt Stephens.

Kein Verlag für Autobiografie

Nach langem Rechtsstreit haben sich Woody Allen und Amazon inzwischen geeinigt. Das ist auch der Grund, warum der Film "A Rainy Day in New York" überhaupt in die Kinos kommen kann - in Europa jedenfalls. In den USA findet sich dafür kein Verleih. Die beiden Hauptdarsteller, Elle Fanning und Timothée Chalament, distanzierten sich in atemberaubender Geschwindigkeit von Allen und spendeten Teile ihre Gage.
Selbst für die Autobiografie des Regisseurs findet sich in USA kein Verlag, sagt Alex Marshall, der für die "New York Times" über Kultur in Europa berichtet: "Manche haben das Buch nicht einmal gelesen. Alles von Woody Allen wird in den USA jetzt als toxisch angesehen." Das zeige die dramatische Veränderung in den vergangenen Jahren, vor allem im kulturellen Sektor in den USA und auch in Großbritannien. Diese Verwerfungen seien in Kontinentaleuropa nicht ganz so groß.

Vergiftetes Klima

Wie vergiftet das Klima in den USA ist, hat sein Kollege Stephens am eigenen Leib erfahren. Nach einem Meinungsartikel in der "New York Times" wurde ert selbst in den sozialen Medien wüst angegangen. Dabei ergreift der Journalist nicht einmal Partei für Woody Allen, sondern plädiert nur dafür, alle Seiten zu hören.
"Worum ich zumindest bitten würde ist, dass die Leute, bevor sie urteilen, sich ernsthaft die Mühe machen, sich zu informieren und beide Seiten eines Falles zur Kenntnis zu nehmen. Diese Verpflichtung hat jeder, bevor er jemanden - auch einen Prominenten - beschuldigt, ein solch schlimmes und grauenhaftes Verbrechen begangen zu haben."
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