Neu im Kino: "Bardo"

Erfolgreich und doch heimatlos

06:19 Minuten
Ein Mann im Anzug schiebt sein Gesicht ganz nah an das Gesicht eines bärtigen Mannes. Im Hintegrund sind gebogene rote Leuchtstoffröhren zu sehen.
Daniel Giménez Cacho und Francisco Rubio in einer Szene aus "Bardo". © Limbo Films, S. De R.L. de C.V. Courtesy of Netflix
Von Patrick Wellinski |
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Entwurzelung und Identitätskonflikte: "Bardo" von Alejandro Iñárritu reflektiert die innere Zerrissenheit eines erfolgreichen Auswanderers. Ein Film, dem die Kritik am US-Einwanderungssystem und der chaotischen mexikanischen Gegenwart gelingt.

Worum geht es?

Silvero ist ein mehrfach ausgezeichneter mexikanischer Journalist und Dokumentarfilmer, der mit seinen Kindern und der Ehefrau in Los Angeles lebt. Für seine investigativen Arbeiten wird ihm ein Preis verliehen. Im Zuge dieser Ehrung kehrt Silvero nach Mexiko zurück, nur um zu erkennen, dass seine Karriere in den USA ihn sehr unbeliebt gemacht hat.

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Er begegnet alten Freunden und Bekannten, die ihm deutlich zu verstehen geben, dass Silvero seine mexikanischen Wurzeln verraten habe. Doch in den Staaten wird er jenseits seiner Community auch nicht akzeptiert. Silvero fühlt sich zunehmend ins Abseits manövriert.

Was ist das Besondere?

„Bardo“ ist der erste komplett in Mexiko produzierte und gedrehte Spielfilm des mehrfachen Oscar-prämierten Regisseurs Alejandro González Iñárritu. Es ist ein hochpersönliches Werk, mit dem Iñárritu seine innere Zerrissenheit als erfolgreicher mexikanischer Regisseur in den Vereinigten Staaten reflektiert.

Bardo, die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten
Mexiko 2022
Regie: Alejandro G. Iñárritu
mit u.a. Daniel Gimenez Cacho, Griselda Siciliani, Ximena Lamadrid
Länge: 159 Minuten

Heimatlosigkeit, Entwurzelung und tiefe Identitätskonflikte durchziehen den phasenweise surrealen Film, der sich im Verlauf immer stärker als eine Reise in das schmerzdurchzogene Innere der Hauptfigur erweist. Mit wilden Kamerafahrten und Zitaten von Ingmar Bergman und Federico Fellini erzählt Iñárritu von einer existenziellen Krise, die weder in Mexiko noch in Amerika überwunden werden kann.

Bewertung

Iñárritus Film muss man sich als filmische Entsprechung von Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ vorstellen. Ungefiltert, überbordend und laut sucht der Regisseur in „Bardo“ nach einem neuen Verhältnis zu seinem Leben.
Für diese Zerrissenheit findet Iñárritu pulsierende, mitunter gewagt-gewaltige Bildkompositionen, die keine Angst davor haben, die Hauptfigur in ihrer Selbstbezogenheit auch mal bloßzustellen. Damit äußert der Film auch Kritik am US-amerikanischen Einwanderungssystem und an der chaotischen mexikanischen Gegenwart. Das ist Kino, das jedem an die Gurgel geht. Eine gelungene Gratwanderung.
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