Neu im Kino: "Berlin Syndrome“

Der Psychopath von Kreuzberg

Der Schauspieler Max Riemelt: Hier bei der Vorstellung des Films "Berlin Syndrome" von Cate Shortland, in dem er die Hauptrolle spielt
Der Schauspieler Max Riemelt: Hier bei der Vorstellung des Films "Berlin Syndrome" von Cate Shortland, in dem er die Hauptrolle spielt © picture alliance / Gregor Fischer/dpa
Von Hans-Ulrich Pönack |
Eine australische Rucksacktouristin wacht am Morgen in der Wohnung ihrer Verführers auf. Sie wird seine Gefangene. Den Film "Berlin Syndrome" kommt mit imponierendem Nervenkitzel daher. Getragen wir er von dem 33-jährigen Max Riemelt als psychopathischem Biedermann-Bubi.
Ein australischer Thriller, der fast die ganze Zeit in Berlin spielt und mit überraschenden Plots spannend unterhält. Cate Shortland, Australierin des Jahrgangs 1968, konnte gleich mit ihrem Spielfilm-Erstling - "Sommersault - Wie Parfum in der Luft" - im Jahr 2004 gut punkten. Ihr in Deutschland gedrehter zweiter Langfilm, "Lore", wurde 2013 von Australien für den Auslands-"Oscar" eingereicht. Nun also "Berlin Syndrome", der im Januar 2017 beim "Sundance Festival" Welturaufführung hatte und danach im Februar im Berlinale-"Panorama"-Programm vorgestellt wurde.
Berlin-Kreuzberg als hipper Gruselort. Jedenfalls für die junge Australierin Clare (Teresa Palmer), die als Fotografin hier kurz Station machen will. Und sich besonders für Reste von DDR-Architektur interessiert. Bei einem Foto-Trip in Kreuzberg begegnet sie Andi (Max Riemelt).

Als sie aufwacht, ist die Wohnung verschlossen

Der junge Englisch-Lehrer erweist sich als nett, gebildet, freundlich. Man versteht sich, sie besucht ihn in seiner Zweiraum-Wohnung. In einem "eigenartigen" Altbau, der wohl zum Abriss freigegeben ist und in dem er der letzte verbliebene Mieter ist. Man verbringt zusammen die Nacht - doch als sie am nächsten Morgen aufwacht, ist er schon weg. Zur Arbeit. Die Wohnungstür allerdings ist verschlossen. Ein Raus-Gehen ist für Clare nicht möglich. Ein pures Versehen, glaubt sie. Doch als sich dieselbe Prozedur am nächsten Tag wiederholt, bestätigt sich eine unheilvolle Vermutung: Andi hat keineswegs die Absicht, seinen Gast überhaupt jemals wieder "herausgehen" zu lassen.
Ein kitzliger Spannungsfilm. Mit einem unheimlich "lieben" Verführer und Entführer: Der 33-jährige Max Riemelt, "Shooting Star" des Europäischen Films 2005, über Auftritte in Filme wie "Napola - Elite für den Führer" (2004), "Die Welle" (2008),"Wir sind die Nacht" (2009) interessant geworden, trifft porentief-präzise diesen psychopathischen Biedermann-Bubi mit DDR-Kindheitstrauma und verschafft sich durch seine sanfte Präsenz viel Reiz und Neugier. Die Story, mit neonhaften "Kotti" (Kottbusser Tor-Impressionen), bleibt hier und da zu sehr "stehen", um sich dann doch wieder auf spannende Betriebstemperatur hoch zu hieven.
Horror in der Hauptstadt-Nachbarschaft: "Berlin Syndrome" kitzelt imponierend-prima.

"Berlin Syndrome" von Cate Shortland; Australien 2015
Nach dem Roman von Melanie Joosten/2012
112 Minuten – FSK: ab 16

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