Programmtipp: 12:29 Uhr, Studio 9, Wie historisch korrekt muss Kino sein? - Interview mit dem Historiker Christoph Classen
Der Kalte Krieg der Taschentücher
Eine Brücke zwischen Berlin und Potsdam, auf der früher Agenten ausgetauscht wurden, liefert Regisseur Steven Spielberg den Stoff für seinen Film "Bridge of Spies". Dabei nimmt er den Kalten Krieg allzu wörtlich. Unterhändler und Spione sind permanent erkältet.
James B. Donovan, rechtschaffener Anwalt in New York, ist eigentlich Spezialist für Versicherungsfälle. Eines Tages wird ihm von seinem Chef ein ganz anderer Fall zugetragen. Er soll den russischen Spion Rudolf Abel verteidigen.
Wobei: Verteidigen trifft es nicht ganz. Der Kalte Krieg ist in seiner Hochphase und ganz Amerika will Abel hängen sehen. Aber die Verfassung muss gewahrt und ein Pflichtverteidiger muss benannt werden.
Donovan gefällt so ein Alibiprozess nicht , er nimmt seine Arbeit ernst. Das macht ihn und seine Familie in den Augen seiner Mitbürger zu Staatsfeinden.
Doch dann kommt das CIA auf ihn zu und bittet ihn, als Unterhändler zu fungieren und den Austausch von Abel gegen einen amerikanischen Piloten zu organisieren, der in der Sowjetunion gefangen gehalten wird. Die Übergabe soll in Berlin stattfinden. Alles klingt einfach.
Doch Donovan hat die Rechnung nicht mit den trotteligen Sowjetbeamten gemacht, nicht mit den kaum minder trotteligen DDR-Sicherheitskräften, der völligen Hilflosigkeit der Amerikaner vor Ort - und vor allem hatte er nicht an den kalten Berliner Winter gedacht.
Leise Komödie mit anständigem Helden
Spielbergs neuster Film ist sein seit vielen Jahren bester. Es ist - anders als zunächst vermutet - kein ernstzunehmender Spionagethriller, sondern eine erstklassig inszenierte, hoch amüsante leise Komödie mit einem herrlich anständigen Helden.
Den Großteil des Humors gewinnt der Film dadurch, dass die Coen-Brüder (die hier am Drehbuch mitgeschrieben haben) den Kalten Krieg sehr wörtlich nehmen und einen unglaublich kalten Berliner Winter erschaffen haben. Überall liegt Schnee und alle sind permanent erkältet.
Es ist herrlich zu sehen, wie bei ernsthaftesten Verhandlung ständig Taschentücher hervorgeholt werden. Der Blick auf die Geheimdienste wird dadurch absurd, es wirkt, als litten das System und seine Handlanger unter einem Virus.
Spielberg selbst bemüht sich um einen sehr ruhigen - man könnte beinahe sagen kühlen - Ton. Er verzichtet soweit wie möglich auf seine pathetischen und patriotischen Ausbrüche. Wieder sieht man, wie genial Spielberg große Szenen inszenieren kann. So erinnert die Spionage-Übergabe auf der Glienicker-Brücke an eine Gegenüberstellung aus einem Western. Die intelligente Lichtdramaturgie erinnert an sein Meisterwerk "Die unheimliche Begegnung der dritten Art".
Und auch Tom Hanks hat endlich eine Rolle, in der er nicht den nervigen Naivling verkörpert, sondern einfach nur einen müden und erkälteten Anwalt spielt, der lediglich seinen Job machen will und am Ende voller Erschöpfung ins Bett fällt.
Dass die ganze Geschichte auf wahren Begebenheiten beruht, sollte man gar nicht so hoch hängen, denn wer hier eine Rekonstruktion historischer Ereignisse erwartet ,wird enttäuscht werden - zum Glück. Das hier ist Kino, Kino, wie es Hollywood nur noch selten macht.
Bridge of Spies - Der Unterhändler
USA/Deutschland/Indien 2015
Regie: Steven Spielberg
mit: Tom Hanks, Mark Rylance, Amy Ryan, Sebastian Koch, Burkhardt Klaußner u.a.
142 Minuten, FSK 12
USA/Deutschland/Indien 2015
Regie: Steven Spielberg
mit: Tom Hanks, Mark Rylance, Amy Ryan, Sebastian Koch, Burkhardt Klaußner u.a.
142 Minuten, FSK 12