Neu im Kino: "Chevalier"

Starke Männer und ihre Befindlichkeiten

Entspannungsversuch mit Schlafmaske: Eine Szene aus "Chevalier" von Athina Rachel Tsangari
Entspannungsversuch mit Schlafmaske: Eine Szene aus "Chevalier" von Athina Rachel Tsangari © Rapid Eye Movies
Von Patrick Wellinski |
Eine Männerclique als Allegorie auf den Zustand Griechenlands: Sechs Freunde gehen in "Chevalier" auf einer Luxusyacht zum Angeln. Raffiniert kratzt die Regisseurin Athina Rachel Tsangari am Image der harten Kerle - ein verblüffendes Stück junges griechisches Kino.
Sechs Männer verbringen ein Wochenende gemeinsam auf einer Luxusyacht. Der Angelausflug lässt die Freunde entspannen und den hektischen Alltag für ein paar Augenblicke vergessen. Doch wie es mit Männern nun mal so ist, es wird ihnen schnell langweilig. Deshalb beschließen sie, den Rest der Zeit mit einem Wettbewerb zu würzen. Der Gewinner dieses Spiels soll am Ende den "Chevalier" (einen goldenen Ring) tragen dürfen.
Die Regeln sind dabei recht simpel: Jeder der Männer darf sich eine Disziplin ausdenken. Keiner darf kneifen. Und so beginnt das Spiel, das in allzu bekannten Männlichkeitsritualen endet. Alles muss verglichen werden, von den Zähnen, der Höflichkeit, über die Ausdauer bis zum Penis. Wer hat den größten, schönsten, besten? Es ist klar, dass die anfänglich gelöst-entspannte Stimmung zu kippen droht. Die Männerfreundschaft wird auf eine harte Probe gestellt.

Eitelkeiten, Ängste und Einsamkeit

Erstaunlich an "Chevalier" ist, wie sehr die Regisseurin Athina Rachel Tsangari die maskulinen Befindlichkeiten seziert, ohne ihre Protagonisten dabei zu verraten. Es geht ihr gar nicht darum, Männer als zurückgebliebene Höhlenmenschen darzustellen, sondern lediglich darum, am Image des starken und harten Mannes zu kratzen. Dahinter offenbaren sich Eitelkeiten, Ängste und auch eine gewisse traurige Einsamkeit, die man eher modern als männlich nennen sollte.
Zudem hat Tsangari ein sehr gutes Gespür für die Gruppendynamik auf dem Schiff, verliert keinen ihrer Protagonisten aus den Augen und schafft es sogar, die Bediensteten auf der Luxusyacht zu einer Art kommentierenden Chor zu inszenieren. Es sind dann vor allem diese Stellen, die den hermetischen Film auch etwas hin auf die griechische Gesellschaft öffnen. Denn neben den klassischen Privatproblemen aus dem Bereich Ehe, Kinder, Eltern diskutieren die Männer auch über die Wirtschaft ihres Landes (von der sie aber fast alle sehr profitieren).

Vitales junges Kino Griechenlands

Es ist verblüffend, wie sehr diese Männerclique als Allegorie auf den gesellschaftspolitischen Zustand Griechenlands funktioniert. Nicht jede Idee zündet am Ende und nicht alle "Spiele" bringen die recht lose Dramaturgie vorwärts – aber "Chevalier" darf schon als eines der interessanteren Erzählexperimente des jungen griechischen Kinos gelten. Anders als die Wirtschaft des Landes scheint das griechische Kino ziemlich vital zu sein und produziert in aller Regelmäßigkeit recht überzeugende Formen und Experimente.

Chevalier
Griechenland 2015 - Regie: Athina Rachel Tsangari, Darsteller: Giannis Drakopoulos, Kostas Filippoglou, Yiorgos Kendros, Panos Koronis - 105 Minuten

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