USA 2002 - 2013, Regie: Richard Linklater, Darsteller: Ellar Coltrane, Lorelei Linklater, Patricia Arquette, 163 Minuten
Das wahre Leben schreibt die besten Geschichten
Richard Linklater zeigt in seinem Langzeit-Projekt "Boyhood", wie ein Junge in einem Zeitraum von zwölf Jahren zu einem Mann heranwächst. Der Regisseur erzählt unspektakulär, was seinen Film so ungeheuer diskret-spannend werden lässt.
Für mich ist und bleibt ein Projekt in der langen Betrachtungsgeschichte von Filmen immer präsent - die einzigartige, fast 50 Jahre andauernde Langzeit-Dokumentation über die "Kinder von Golzow". Eingefangen, begleitet und kommentiert von Barbara und Winfried Junge. 18 Menschen aus dem brandenburgischen Ort Golzow im Oderbruch wurden in 20 Filmen von 1961 bis 2007 "mit" beziehungsweise "in ihrem Leben" vorgestellt. Der Film ist eine Einzigartigkeit, wahrhaftigem Menschenleben im Kino faszinierend zu begegnen.
Und nun ist es wieder passiert. Ebenso faszinierend, spannend, unglaublich nahegehend. Diesmal als Spielfilm, aus den USA, wo sich der Drehbuch-Autor und Regisseur Richard Linklater, geboren am 30. Juni 1960 im texanischen Houston, viele Jahre Zeit nahm, um vom wahrhaften Aufwachsen eines Kindes zu erzählen. Richard Linklater fängt 2002 an. Er versammelt eine Family-Crew um sich und beginnt von ihr zu berichten. Über Jahre verteilt, mal mit längeren Abständen, mal mit kürzeren. Bis zum Oktober 2013 trafen sich immer dieselben vier Hauptdarsteller, um ein weiteres Zeitkapitel aus dieser kleinen Gemeinschaft aufzuschlagen.
Ohne Pathos und Klischees
Dabei stets im Mittelpunkt: Mason (Ellar Coltrane), ein kleiner Junge, der eingangs verträumt im Gras liegt und in den Himmel schaut. Er ist sechs Jahre jung und gerade im ersten Schuljahr, als seine alleinerziehende Mutter Olivia (Patricia Arquette) beschließt, noch einmal zu studieren und nach Houston umzuziehen. Was den aufgeweckten Mason und seine zwei Jahre ältere Schwester Samantha (Regisseurstochter Lorelei Linklater) aus dem gewohnten Umfeld wegreißt.
Der Vorteil: In Houston taucht der Vater wieder auf, ein ungefestigter Musiker-Typ, genannt Mason Senior (Ethan Hawke), der den Kontakt zu seinen Kindern wieder herstellen möchte. Wie ist, was bedeutet überhaupt - Leben. Die Bewegungen, Berührungen, Blicke, Begebenheiten. Das Miteinander-Reden, das Erfahren von Scheitern ,das Erleben von Glück. "Boyhood" porträtiert in der Folge Zeit und Entwicklung aus der Sicht des sensiblen Jungen Mason.
Linklater erzählt unspektakulär, was seinen Film so ungeheuer diskret-spannend werden lässt. Er verwickelt seine "Helden" nie in Pathos, Klischee oder unangenehme Sentimentalitäten - keine Fallstricke, keine Tricks,keine Explosionen. Und genau dadurch ist der Film hoch spannend und unterhaltsam. Das wahre Leben schreibt die allerbesten Geschichten, und der Film "Boyhood" liefert den gelungensten Beweis. Der Film ist großartig!