"Der junge Karl Marx" (Deutschland/Frankreich/Belgien 2017)
Regie: Raoul Peck
Mit: August Diehl, Stefan Konarske, Vicky Krieps, Olivier Gourmet, Hannah Steele
118 Minuten
FSK: frei ab 6
Friedrich Engels ist der eigentliche Star
In "Der junge Karl Marx" widmet sich Regisseur Raoul Peck der Frühphase des revolutionären Denkers. Unser Kritiker schwärmt von dem "überraschend unterhaltsamen" und "modernen" Film - und ist von den vielen illustren Nebenfiguren begeistert.
Man mag es kaum glauben, aber Karl Marx wurde bisher noch kein wirklicher Kinofilm gewidmet. Der aus Haiti stammende kosmopolitische Regisseur Raoul Peck konzentriert sich in "Der junge Karl Marx" ganz auf die Frühphase des revolutionären Denkers. Es beginnt mit einer Polizeiaktion 1843 gegen die Journalisten der Rheinischen Zeitung.
Während andere Kollegen mutlos kuschen, begehrt der von August Diehl sehr eloquent verkörperte Marx auf und lässt sich fast stolz verhaften. Später wandert er nach Paris aus, lernt dort Engels kennen und muss die französische Hauptstadt in Richtung Brüssel verlassen.
Raoul Peck geht es um jugendliches Aufbegehren, um Männer die sich mitunter gerne reden hören, um den richtigen Weg von Anpassung und Revolte. So gibt es viele illustre Nebenfiguren von Bakunin bis hin zum Franzosen Pierre Proudhon (wie immer brillant Olivier Gourmet).
Aber auch die Frauen an der Seite ihrer Männer sind nicht nur fotogene und hübsche Nebenfiguren. So spielt Jenny Marx (großartig Vicky Krieps) eine wichtige, auch intellektuelle Rolle und Helen Burns, eine irische Näherin aus Manchester, die in wilder und offener Ehe mit Engels lebt, wird als mutige, emotionale und sinnliche Frau von Hannah Steele verkörpert.
Ein anderes Europa im Aufbruch
Die schauspielerische Entdeckung ist jedoch neben all diesen hervorragenden Darstellern Stefan Konarske als Friedrich Engels. Wie er unbekümmert zwischen großmännischer Attitude, echter Furchtlosigkeit und revolutionärem Elan pendelt, macht Spaß beim Zuschauen.
Auch die Dreisprachigkeit Deutsch-Französisch-Englisch ist in der Originalfassung ein großes Plus, eine Erinnerung an ein anderes Europa im Aufbruch. So werden Marx und Engels hier konsequent als junge Männer zum Anfassen gezeigt, nicht als die großen Rauschebärte, die man viel zu lange nur auf Denkmäler stellte, ohne sich wirklich mit ihrem Schaffen auseinanderzusetzen.
Die Handlung des Films endet dann auch mit dem Verfassen des "Kommunistischen Manifests". Und auch wenn der Film von Raoul Peck stilistisch etwas betulich und altbacken daher kommt, bleibt es ein überraschend unterhaltsames und inhaltlich sehr modernes Werk. In Trumpschen Zeiten kann ein bisschen mehr Marx und Engels und die Auseinandersetzung mit scharfzüngigen und humorvollen Dichtern und Denkern nicht schaden.